Metalfest Pilsen 2024 - Pilsen

24.06.2024 | 11:36

02.06.2024, Amfiteátr Lochotín

Mehr Rain als Shine in Tschechien.

Tag 2, Samstag:

Der gestrige Tag hat seine Spuren hinterlassen und es muss erst einmal die Ausrüstung auf Vordermann gebracht werden. Eine Kamera zeigt eine abenteuerliche Fehlermeldung, funktioniert aber scheinbar tadellos. Die Dusche im sauberen Sanitärgebäude tut ebenso gut wie das ausgezeichnete Frühstück, welches meine Begleitung gezaubert hat. Gestärkt mit Eiern und Speck machen wir uns auf dem Weg Richtung Amphitheater. Der gestrige Tag war echt heftig und es bleibt zu hoffen, dass das Wetter heute zumindest ein Einsehen mit den feiernden Metalheads in Tschechien hat.

Wir kommen pünktlich zum Auftritt von CRIMSON VEIL, der zweiten Band am zweiten Tag an. Ich hatte schon die Gelegenheit, die Alternative-Metal-Band als Support von Lordi zu sehen, aber wie schon im April diesen Jahres holt mich der eigenwillige Sound der Band einfach nicht ab. Klar, die Instrumentierung mit E-Cello, Gitarre, Drums und Gesang klingt durchaus interessant und die Musiker um Sängerin Mishkin Fitzgerald verstehen ihr Handwerk. Die Songs sind teilweise echt komplex und vertrackt, das Ganze ist jedoch nicht mein Ding. Vor der Bühne haben sich recht wenige Festival-Besucher eingefunden. Dies mag jedoch eher am Regen liegen, der wasserfallartig vom Himmel kommt. Auch die relativ frühe Uhrzeit trägt wohl ihren Part dazu bei.

Auch zu IRON ALLIES schüttet es wie aus Eimern. Hinter dem Namen verstecken sich die beiden Musiker David Reece (ex ACCEPT) und Herman Frank (ex ACCEPT, SINNER, VICTORY). Die beiden haben sich mit weiteren namhaften Musikern zusammengetan und das 2022 veröffentlichte Debütalbum "Blood In Blood Out" wurde in unserer Redaktion gut bewertet. Auch der heutige Auftritt verdient eine gute Note. Reece ist sich nicht zu schade, immer wieder seine Komfortzone der bedachten Bühne zu verlassen. Im strömenden Regen steigt er auf den Wellenbrecher vorm Infield und bekommt dafür die Zuneigung der anwesenden Metalheads zu spüren. Songs wie 'Fear No Evil' haben gutes Headbanger-Potenzial. Im Gegensatz zum sehr agilen Sänger agiert Gitarrist Herman Frank wie gewohnt statisch mit tief ins Gesicht gezogener Mütze auf der Bühne. Nach sieben Songs endet hier ein sehr gelungener Auftritt von IRON ALLIES.

Das Wetter wird auch nicht besser, als BLOODRED HOURGLASS die Bühne in Pilsen betritt. Die Finnen machen ordentlich Alarm mit ihrem Melodic-Death-Metal. Ich muss jedoch Prioritäten setzen und suche mir nach ein paar Fotos einen der wenig vorhandenen trocken Plätze im kleinen Gambrinus-Zelt. Die vorhandenen Schwermetaler rücken zusammen und helfen mir, mein Foto-Equipment wieder auf Vordermann zu bringen. Hier erfahre ich dann auch, dass ein weiterer Campground aufgrund des Wetter geräumt werden musste. Ein nahgelegener Bach hat sich in einen reißenden Fluss verwandelt und droht die vorhandenen Zelte wegzuspülen. Im Eingangsbereich des Festivalgeländes hat die Pilsener Feuerwehr ihre Tauchpumpen in Stellung gebracht, in diesem Bereich sammelt sich das Wasser, welches sich in Sturzbächen aus dem Amphitheater seinen Weg sucht. Wenn man von außen schon klatschnass ist, schadet eine innere Befeuchtung mittels Bier sicherlich nicht. Dies scheint zumindest kurzfristig DIE Lösung zu sein, die Wolken verschwinden und am Himmel zeigt sich etwas Großes Rundes Helles. Etwas, was wir seit Tagen nicht gesehen haben.

Vieleicht hat der Wetterwechsel aber auch mit dem Auftritt von BROTHERS OF METAL zu tun. Die schwedische Power-Metal-Band um das Gesangstrio Ylva Eriksson, Joakim Lindbäck Eriksson und Mats Nilsson verbreitet mit ihrer Musik einfach gute Laune. Das Theater hat sich mittlerweile sehr gut gefüllt und BROTHERS OF METAL samt ihrer Sister werden ordentlich gefeiert. Die Setliste lässt mit Songs wie 'The Death Of The God Of Light' und 'Powersnake' keine Wünsche offen. Ich persönlich freue mich auf 'Yggdrasil'. Der Song ist mein absolutes Highlight und fehlte auf dem Epic Fest in Dänemark, wo ich die Band zum letzten Mal sehen konnte. Die Schweden haben nicht nur für mich an diesem Tag alles richtig gemacht, selbst die Wettergötter wurden mit dem hervorragenden Auftritt milde gestimmt. Am 1. November erscheint mit "Fimbulvinter" das neue Album von BROTHERS OF METAL und ich bin gespannt, ob die Band damit das gleiche Niveau erreicht wie mit den beiden Vorgängeralben "Prophecy Of Ragnarök" und "Emblass Saga".

Es wird Zeit für eine längere Pause. AVATARIUM lichte ich nur kurz ab und SEPTICFLESH geht komplett an mir vorbei. Zwei weitere Bands folgen heute noch und ich teile mir meine Kräfte ein. Auf meinem Speiseplan steht heute ein asiatisches Nudelgericht und ich habe mit der großen Portion ordentlich zu kämpfen. Okay, den Kampf verliere ich. 1:0 für die Nudeln. Mit dem Bier erreiche ich jetzt zumindest ein Unentschieden. Meine App zeigt mir, dass das Guthaben aufgebraucht ist und ich mache mich auf den Weg zur Aufladestation. Die Orga macht in Pilsen einen super Job und ich erreiche dank kurzfristig verlegter Holzbohlen trockenen Fußes den Stand. Hier bilden sich keine Schlangen und sehr schnell habe ich wieder etwas Geld auf der Karte. Ebenso reibungslos funktioniert auch der Toilettengang. Auch hier bilden sich sehr selten Warteschlangen und ich finde eigentlich immer eine saubere Toilette vor. Hierfür ein großes Lob an das ganze Team.

Auch bei SONATA ARCTICA hat das Wetter noch ein Einsehen mit den anwesenden Metalheads. Los geht's mit 'First In Line' vom aktuellen Album "Clear Cold Beyond". Ich hatte ja die Möglichkeit, der Listening Session zum Album beizuwohnen, schon im Dezember des letzten Jahres hat mir der Song gut gefallen. Auch live zündet das Lied richtig gut und wird von den Fans gut angenommen. Sänger Tony Kakko gratuliert den anwesenden tschechischen Metalheads zur gewonnenen Eishockey-Weltmeisterschaft, was natürlich mit einem extra-Applaus goutiert wird. Folgerichtig ertönt das QUEEN-Cover 'We Are The Champions' als Karaoke-Version und wird von dem anwesenden Publikum laut mitgesungen. Neben vier Songs vom aktuellen Silberling gibt es weitere Highlights von SONATA ARCTICA. Die Band ist ein gern gesehener Gast auf dem Metalfest und sorgt immer wieder für gute Stimmung. Auch eine Ballade wie 'Tallulah' ändert daran nichts. Leider ist es zu diesem Zeitpunkt noch nicht dunkel, Handylichter würde das Bild gut abrunden. Mit 'Full Moon' geht es noch einmal in die Vollen und ich freue mich auf den heutigen Headliner.

TARJA TURUNEN soll in Pilsen eine ganz besondere Show spielen. Kein geringerer als MARCO HIETALA ist mit nach Pilsen gereist und die Fans warten sehnsüchtig auf den einen oder anderen alten NIGHTWISH-Song. Doch erst einmal heißt es warten. Mit 'Eye Of The Storm' und fünf weiteren Songs gibt es zuerst Musik von Tarja hirself. Verständlich, schließlich währt die Solokarriere der finnischen Sopranistin schon deutlich länger als ihre Zeit bei NIGHTWISH. Natürlich ist die Stimmung im vollen Amphitheater trotz wieder einsetzenden Starkregens ungebrochen gut. Auch Tarja lässt es sich nicht nehmen und wandert immer wieder über die halbrunde nicht überdachte Fläche vor der Stage. Ihre professionell agierenden Mitmusiker halten sich eher im Hintergrund auf und überlassen der Sängerin die Show. Alles durchaus gelungen, aber irgendwas fehlt. Doch dann ist es endlich soweit! Unter großem Jubel führt Tarja Marco auf die Bühne und mit 'Dead To The World' findet der erste NIGHTWISH-Song die Gehörgänge der begeisterten Metalfans und wird lauthals mitgesungen. Tarja und Marco funktionieren als Duett hervorragend. Auch 'Left On Mars' aus der Feder von Hietala wird als Duett vorgetragen und begeistert gefeiert. Zu 'Wish I Had An Angel' gibt es dann endgültig kein Halten mehr. Auf den zahlreich vorhandenen Bänken sitzt längst niemand mehr und im verhältnismäßig kleinen Infield wird gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Wen interessiert schon die Sintflut, wenn er DIESEN Auftritt mit eigenen Augen verfolgen kann?? Das Ganze ist unmöglich zu toppen...

... bis der Drummer über seine Toms trommelt. Jedem ist nun klar, dass 'Over The Hills And Far Away' angestimmt wird. Das traditionelle Volkslied wurde schon erfolgreich von GARY MOORE  gecovert und hat absoluten Kultstatus bei NIGHTWISH. Der berauschende Abend könnte endlos weitergehen und der eine oder andere hat vielleicht noch auf 'Phantom Of The Opera' gehofft. Jedoch endet der Abend mit dem Klassiker. Einmal mehr klatschnass geht es glücklich und zufrieden in die warme temporäre Einraumwohnung. Nach dem Trockenlegen und einem Absacker-Dosenbier fallen wir erschöpft in unsere Koje.

Leider war es mir nicht möglich, Fotos von den Duetten zu machen.

Text: Andre Schnittler mit Unterstützung von Karin Heinritz
Photo Credit: Andre Schnittker
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Hier geht es zum Sonntag.

Redakteur:
Andre Schnittker

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