Nocturnal Culture Night 2018 - Deutzen
10.11.2018 | 18:3907.09.2018, Kulturpark
Das Coming-Home-Festival für die ältere Generation der schwarzen Szene.
Der Samstag präsentiert sich mit bestem Festivalwetter. Es ist nicht zu warm und kein Regen in Sicht. Also auf nach Deutzen! Das Gelände bietet sich ja auch sonst recht gut an, um auch ohne Musik sich die Zeit zu vertun und hier und da mal ein kleines Schwätzchen zu halten. Und so ist es schneller, als man möchte, Zeit für THE HOUSE OF USHER. Die Band gehört mittlerweile auch zu einer der dienstältesten Formationen im Gothic-Rock. Mit 'Wherever The Storm May Drop Us' starten die Herrschaften ihr Konzert. Gewohnt ruhig-verhalten präsentiert sich der Sänger und kann vielmehr mit seiner tollen Stimme das Publikum in seinen Bann ziehen. Auch die Gitarrenabteilung hat sichtlich viel Spaß und freut sich auf den Gig. Die leider nicht allzu vielen Besucher können sich derweil über 'How Far Can We Go' oder 'As It Really Is' freuen. Später gibt es noch 'Finders Keepers' als Abschluss und ordentlich Applaus von den anwesenden Fans.
Genretechnisch geht es danach auf der Amphibühne weiter, denn auch dort hat sich eine der älteren Bands angesagt. ESCAPE WITH ROMEO befinden sich gerade auf ihrer "The Final Escape Tour 2018", denn die Band wird sich nach zwei Festivalgigs im kommenden Jahr auflösen. Umso mehr nehmen die Fans das Konzert auf und freuen sich, dass sie die Band noch einmal zu Gesicht bekommen. Trotz der Wehmut über den Abschied herrscht eine ausgelassene Stimmung bei den Fans. Sie können sich neben dem obligatorischen 'Somebody' auch über 'Rattle In Our Cages' oder 'Tears Of Kali' freuen. Trotz der ruhigen Art des Frontmannes Thomas Elbern springt der Funke zum Publikum über und so wird das Konzert zu einer sehr kurzweiligen Angelegenheit. Schön, dass man die Band noch einmal Live erleben kann!
Weiter geht es mit den schwedischen Soundtüftlern AGENT SIDE GRINDER auf der Parkbühne. Viele der auf der Bühne erzeugten Klänge werden quasi von Hand gemacht. So werden beispielsweise Tape Loops an der Maschine erzeugt oder einfach Klänge mit Hilfe einer von der Decke hängenden Metallfeder. Besetzungstechnisch ist die Band sozusagen einmal komplett ausgetauscht worden. Auch der Sängerposten ist von Kristoff Gripan an Emanuel Åström gegangen. Schließlich war es der Sänger, der 2017 die Austrittswelle ins Rollen brachte. Damit steht für viele Besucher nun eine komplett neue Band mit alten Liedern auf der Bühne. Das Trio startet auch gleich mit dem neuen Song 'In From The Cold' und wird natürlich kritisch von den Fans gemustert. Doch bei einem Großteil der Fans schaffen es die Musiker im Laufe des Konzertes zu überzeugen. Einzig der Sänger wird von zahlreichen Anhängern nicht so charismatisch wahrgenommen wie sein Vorgänger. Aber das ist wie immer eine subjektive Auffassung. Vor der Bühne herrscht jedenfalls eine gute Stimmung und so gibt es unter anderen 'Life In Advance' oder auch ''Wolf Hour' auf die Ohren.
Wesentlich ausgelassener und stimmungsvoller, aber auch schwedisch, geht es auf der Amphibühne weiter. Der Grund dafür ist einfach: S.P.O.C.K. tritt an, um die Fans im gewohnten Maß über Aliens, Klingonen oder Androiden aufzuklären. Das kann nur lustig werden! Denn wirklich ernst nehmen weder die Band selbst noch die Fans das Ganze. Einfach Spaß zum Space-Pop haben. Und das funktioniert auch heute wieder klasse. In den vorderen Reihen stehen einige "Trekkies" und feiern gemeinsam mit den Rest die Schweden ab. Auch große, goldene Aufblasbuchstaben zeigen nun jedem, dass S.P.O.C.K. am Arbeiten ist. Nach dem Intro geht es bei prächtiger Stimmung mit 'Borg' los. Es wird auch gleich ordentlich mitgesungen und gemeinsam hat man eine gute Zeit zu 'Astrogirl' oder 'Not Human'. Zwischendurch gibt es anlässlich des 30-jährigen Bandbestehens eine kleine "Clubshow". Sänger Alexander Hofman schnappt sich einen Barhocker, nimmt Platz und intoniert unter anderen 'Never Trust The Klingon', quasi als Akustikversion. Das kommt bei den Fans natürlich hervorragend an und so lässt er sich später auf deren Drängen zum Vernichtung des Inhaltes einer Bierflasche hinreißen. Die Menge tobt und prostet ihm zu. Selbstredend erklingt das ultimative Gute-Laune und Mitsing-Lied 'Out There' auch an diesem Abend. Und da man sich lieb hat, dürfen die anfangs erwähnten Besucher samt ihrer Buchstaben mit auf die Bühne. Da gibt es noch mal die richtige Version zu 'Never Trust A Klingon'. Was für ein Fest!
Mit so viel guter Laune geht es gleich weiter zu KIRLIAN CAMERA. Zugegeben: Ganz so spaßig ist das jetzt nicht, aber die Stimmung ist auch hier vor der brechend vollen Weidenbogenbühne bestens. Mit den obligatorischen Sturmmasken treten die Musiker und Frontfrau Elena Fossi unter riesigem Jubel zum Intro 'Der Mond über Mossul' vor ihre Fans. Musikalisch geht es gleich mit neuem Material los, denn das ruhigere 'Holograms' stammt vom aktuellen Album "Hologram Moon". Das Werk wird gut beackert und zwischendurch mit dem Klassiker 'Blue Room' umrandet. Die Stücke 'Sky Collapse' und 'Polar-IHS' aus besagtem Album müssen heute ohne die stimmliche Unterstützung von COVENANT-Sänger Eskil auskommen, denn diesen haben die Italiener nicht mitgebracht. Wäre sicher eine tolle Sache gewesen. Aber auch so reißt die Band ihre Fans wunderbar mit und das PLACEBO-Cover 'Too Many Friends' wird gut mitgesungen. Sänger und Frontmann Angelo Bergamini hält sich heute komplett im Hintergrund an den Rechnern und überlässt es Elena die Show zu schmeißen. Und sie tut das auch toll und weiß genau, wann sie welche Geste oder Aktion ins Spiel bringen muss. Da wird (leider) nichts mehr dem Zufall überlassen und ist spontan. Aber na ja, die Musik passt und das ist die Hauptsache. Den Tanzflächen-Hit 'Nightglory' präsentiert sie genauso hervorragend wie das ruhige 'Heldenplatz'. Gegen Ende erklingt natürlich noch 'Eclipse'. Spätestens jetzt hält niemand mehr ruhig und irgendwie singen alle mit. Wirklich eine tolle Stimmung. Mit 'Edges' verabschieden sich die Musiker von ihren Fans und werden mit viel Beifall bedacht. Die geforderte Zugabe gibt es nicht und das ist ausnahmsweise auch nicht so schlimm, denn in ein paar Minuten beginnt DAS Highlight des Abends.
Aber das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn PETER HOOK AND THE LIGHT spielte vor einigen Jahren schon einmal hier und da fand ich das persönlich enttäuschend. Der ehemalige JOY DIVISION Bassist versuchte damals auf Krampf die alten Songs zu präsentieren und auch wenn es musikalisch toll war, diese Songs einmal live zu hören, so war der Gesang halt nicht der Richtige. Das hat sich zwar nun auch nicht wirklich geändert, aber irgendwie hat er sich gesanglich besser sortiert und singt die Songs auf seine Weise, so dass es auch stimmig ist. Und dann ein weiterer Fakt: Es gibt an diesem Abend "nur" JOY DIVISION-Songs. Kein NEW ORDER oder sonst was im Set. Einfach nur JOY DIVISION! Die anderen Musiker seiner Band sind ebenfalls bestens in Form und so ist das Konzert für die meisten einfach sensationell. Und wenn man die Augen schließt ist es fast so, als wäre man bei einem "richtigen" JOY DIVISION-Konzert. Bei 'Digital' kann jeder laut mitsingen und merkt auch dem Sänger eine gewisse Leichtigkeit an, die ihm das letzte Mal fehlte. 'Atmosphere' treibt einigen Tränen in die Augen und als der Frontmann Ian Curtis erwähnt, läuft es einigen eiskalt den Rücken hinunter. Viel zu schnell geht die Zeit rum und so mancher wünscht sich, sie möge stehen bleiben. Passiert aber leider nicht. 'Love Will Tear Us Apart' beendet unwiderruflich den phänomenalen Gig und die Fans klatschen laut und lange. Danke Holger!
Setliste: No Love Lost; Day Of The Lords; New Dawn Fades; Digital; Isolation; She's Lost Control; Shadowplay; Warsaw; Transmission; Atmosphere; Dead Souls; Insight; Twenty Four Hours; These Days; Interzone; Decades; Ceremony; Love Will Tear Us Apart
Festivals haben eine blöde Angewohnheit. Man ist gefühlt gerade angekommen und schon ist der Tag auch wieder vorbei. Zumindest ist das heute so. Man wollte noch so viel ansehen und machen aber zack ist schon wieder Mitternacht. Die meisten begeben sich auf den Heimweg. Gute Nacht!
- Redakteur:
- Swen Reuter