OVERKILL - Osnabrück

04.05.2023 | 22:07

15.04.2023, HydePark

Thrash Metal at its best!

Mit "Scorched" haben die US-Thrash-Veteranen von OVERKILL ein neues, ihr nunmehr 20. Langeisen im Feuer. Und da dieses live am heißesten ist, laden Blitz und Co. auch gleich zur "Scorching The Earth"-Tour ein. Mit dabei hat die Dampfwalze auch erstklassigen Support der Marke EXHORDER und HEATHEN. Wir waren für euch im HydePark in Osnabrück, um beim Inferno mit dabei zu sein.

Manchmal muss man aus der Not eine Tugend zaubern und wenn ich schon aus zeitlichen Gründen nicht beim Tourauftakt in der Zeche Bochum dabei sein kann, geht es eben zwei Tage später nach Osnabrück, um die Wucht dieser Thrash-Metal-Vollbedienung am eigenen Leib zu spüren. Wie ein kleiner Junge freue ich mich den Samstag bereits, mich von der illustren Thrash-Metal-Runde wegschmettern zu lassen. HEATHEN ist live eine absolute Bank, EXHORDER mir bisher nur auf Platte ein Begriff, entsprechend erwartungsfreudig bin ich, und OVERKILL ist OVERKILL, war schon immer OVERKILL und wird auch immer OVERKILL bleiben. Was soll ich bei 20 Alben sagen? Davor kann man nur den Hut ziehen, wenn man bedenkt, mit wie viel Wucht, Groove, Ideenreichtum und Bock Bobby und Co. auch auf "Scorched" noch zu Werke gehen. Einfach Wahnsinn.

Leider fallen die Jungs von BONDED der doch weiten Anreise vom Rheinland aus zum Opfer, was vor allem mich selbst am meisten ärgert, da ich einerseits BONDED live noch gar nicht sah und andererseits vom Auftritt nur Gutes gehört habe. Doch leicht abgehetzt geht es wenige Minuten vor der für mich ersten Band am heutigen Abend erst einmal zum Getränkestand, um mit einem kalten Bier in der Hand und einem tiefen Durchatmen mir den HydePark in Osnabrück genauer anzuschauen. Im Vergleich zu meinem zweiten Wohnzimmer in Bochum ist der HydePark in der Breite etwas gefüllter, etwas luftiger, hat jedoch einen ähnlichen Charme wie die Zeche. Und während ich meine Gedanken schweifen lasse, ertönt es von der Bühne, HEATHEN ist bereit, diese zu entern.

Fakt ist, HEATHEN ist eine Macht. Immer. Überall. Die Thrasher der Bay Area haben sich im vergangenen Jahr auf dem einen oder anderen Festival sehen lassen, ihren gewohnten Flächenbrand entfacht und nach einer Machtdemonstration friedlich die Bühne wieder verlassen. Heute soll es nicht anders werden, ist die Stimmung gleich zu Beginn am Kochen. White reckt die Fäuste, die Riffs sausen im Eiltempo durch Mark und Bein und der HydePark tobt. Dank auch eines kraftvollen Sounds und einer doch recht geschmackvollen Lichtkulisse zeigt sich HEATHEN heute wieder von der Schokoladenseite. Mit 'The Blight' schmettern uns die heute sehr spielfreudigen Fünf gleich den besten "Empire Of The Blind"-Song um die Ohren, nur um danach das "Victims Of Deception"-Götterwerk in Form von 'Opiate Of The Masses' aufleben zu lassen. Spätestens hier erfahre ich eine ungemeine Gänsehaut, die auch mit dem bärenstarken 'Dying Season'-Muskelanspanner nicht geringer wird. Nun fehlt in der Berücksichtigung lediglich noch "Breaking The Silence" und siehe da, oh Wunder, mit der 'Goblin's Blade'-Granate und dem THE SWEET-Cover 'Set Me Free' wäre auch das letzte HEATHEN-Album abgedeckt. Noch eine kleine Kostprobe vom 2020er Album gibt es mit 'Sun In My Hand', ehe das obligatorische 'Hypnotized'-Trommelfeuer auch diesen durch und durch souveränen, tollen HEATHEN-Gig leider viel zu früh beendet. Nicht nur der HydePark hätte mehr von den Jungs sehen und hören wollen, ist sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht im Klaren, dass die eigentlichen Highlights erst noch folgen sollten.

Dresch-Metall made in USA, die Zweite! Mit EXHORDER betritt nun eine Band die Bühne, die ich auf dem letzten Album "Mourn In The Southern Skies" zwar gut fand, bei der mir allerdings trotz gekonnten Kartonschepperns der letzte Kick fehlte. Doch diesen verpassen mir Kyle Thomas und Konsorten rund dreieinhalb Jahre später mit einer unheimlichen Wucht, genialen Spielfreude und einer Erhabenheit, die ich den Groove-Thrashern in dieser Form nicht zugetraut hätte. Nach dem 'Groove Is In The Heart' – ein besseres Intro hätte nicht gefunden werden können – zerlegen die vier Wüteriche aus Louisiana den HydePark in seine Einzelteile. Vom beginnenden 'Incontinence'-Overkill bis zum finalen Statement 'Desecrator' ist der Auftritt EXHORDERs ein absolutes Sahnehäubchen in Sachen Thrash. Der Groove geht mitten durch den Körper, der Old-School-Vibe grüßt lässig von der anderen Straßenseite, das Energielevel wird durch die Bank weg hochgehalten und man merkt, wie viel Bock Thomas und Co. haben, Osnabrück im Sturm zu erobern. Das gelingt ihnen auch, denn überall wird mitgegrölt, geheadbangt, die Fäuste werden gereckt und die Augenbraue – das höchste Gefühl für den Metaller von Welt – zustimmend hochgezogen. Obwohl mit 'My Time' auch das 2019er Bollwerk Erwähnung findet, liegt der Songfokus klar auf dem kultigen 1990er Debüt "Slaughter In The Vatican": Ob nun 'Death In Vain', 'Exhorder', 'Legions Of Death' oder dieser verflucht geile Titeltrack – hier wird jede Unterbuxe nass vor Freude, wenn EXHORDER hierbei auch den Charme, den Esprit sowie diese Galligkeit von einst ins Hier und Jetzt befördert. Ohja, das lange Warten auf meinen ersten EXHORDER-Gig hat sich vollends gelohnt, denn nach dem 'Desecrator'-Ausklang bin ich noch immer total gefesselt ob dieser faustdicken Überraschung.

Der Überraschungsfaktor ist bei OVERKILL nicht mehr allzu sehr vorhanden, weiß ich bei bereits neun Live-Shows der New Yorker doch, was mich erwartet. Und dennoch bin ich 210 Kilometer gefahren, um mir Good Friendly Violent Fun der Marke Blitz und Co. von Nahem anzusehen. Das will schon was heißen und manifestiert den Status OVERKILLs in meinem Herzen und im heutigen Thrash-Metal-Alltagsgeschäft im Generellen. OVERKILL ist wie ein leckeres, saftiges Steak: Schmeckt gut, ist oftmals verlässlich und in regelmäßigen Abständen muss das einfach sein.

Und nach einer herrlich kurzen Umbaupause und mit dem EXHORDER-Klingeln in den Ohren geht der HydePark-Abriss weiter: Über "Scorched", den neuen Bolzenschneider der Jungs, haben wir in der dazugehörigen Gruppentherapie schon alles gesagt: Ist geil! Doch live – meine Damen und Herren – machen diese Songs nahezu süchtig. Insofern ist der Aha-Moment doch auch auf der Seite der OVERKILL-Jungs, denn gleich zu Beginn heizt der Titeltrack schon ordentlich ein und bringt den Laden zum Kochen. Proppenvoll, mit einem geilen Sound, geschmackvollem Licht und Bobbys unnachahmlichem Charme – The stage is yours!

Gemeinsam mit Dave und Derek, die sich an den Klampfen die Finger wund schreddern, Verni, dessen Ausstrahlung jede noch so kalte Hundeschnauze wie ein laues Süppchen aussehen lässt, sowie Jason Bittner, prügelt die Band souverän zu etwas neueren Abrissbirnen der Marke 'Bring Me The Night' und 'Electric Rattlesnake'. Wie sollte es anders sein, OVERKILL ist verflucht gut drauf. Etwas weiter zurück geht es mit 'Hello From The Gutter' und dem Nackenbrecher 'Powersurge', die verflucht viel Spaß machen und die Location in ein Tollhaus verwandeln. Allmählich steigt die ohnehin schon hohe Temperatur noch weiter an. Dass "Scorched" nicht nur in unserer heißgeliebten Redaktion so gut ankam, sondern auch in Osnabrück, beweisen uns das starke 'Wicked Place', ein Brecher vor dem Herrn, sowie die einst erste Duftmarke 'The Surgeon'. Hier der Groove, dort die Wucht, einerseits die Coolness, andererseits das Feuer, das eine Band im x-ten Frühling entfacht – davon können auch 'Coma' und 'Horrorscope' ein Liedchen trällern. Dass mit 'Long Time Dyin'' ein "From The Underground And Below"-Song heute berücksichtigt wird, ist überraschend und kommt im HydePark extrem gut an, ehe wir in der Historie OVERKILLs mit 'Mean, Green, Killing Machine' und dem Statement 'Ironbound' wieder hin- und herspringen. Vor allem der Titeltrack des 2010er Evergreens ist druckvoll as hell und wird durch frenetisches Headbangen auch meinerseits entsprechend gewürdigt. Ein Thrash-Metal-Rausch aus dem obersten Regal!

Im Zugabenteil – und selbst dann machen Bobby und OVERKILL nochmal ordentlich Betrieb – kommen die Bandhymne 'Overkill' sowie 'Rotten To The Core' zu ihrem obligatorischen Einsatz, verzücken die Old-School-Fraktion gleichermaßen wie jene, die erst durch die letzten drei, vier Alben auf den OVERKILL-Zug aufgesprungen sind. Letztendlich zücken Blitz und nahezu alle Anwesenden gleichermaßen die Mittelfinger: 'Fuck You'! Es wird gebrüllt, gebangt, gegrölt und gefeiert. Auch wenn ich weiß, dass mich mein Nacken am morgigen Sonntag umbringen wird, gebe auch ich nochmal Vollgas, mache es also OVERKILL gleich, bündele die letzten Kräfte für ein lautes 'Fuck You' in den Osnabrücker Nachthimmel.

Das war amtlich, Leute, hat vom ersten HEATHEN-Ton bis zum letzten, wirklich allerletzten 'Fuck You' enormen Spaß gemacht und mir sehr viel Energie gegeben. Ich wünschte, ich wäre früher für die BONDED-Show losgefahren, doch auch so hatte ich einen enorm tollen Abend in Osnabrück. Alle Bands haben das Maximum aus ihren Spielminuten herausgeholt, ein schmaler Spagat aus souveräner Coolness, feuriger Rage, extrem tightem Groove und einer Wucht, die so mancher Jungspundband als Lehrvideo vorgeführt werden kann. HydePark, es war mir eine Freude!

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren