Obscene Extreme - Trutnov
21.07.2004 | 05:3008.07.2004, Na Bojisti
"Willkommen in der Hölle" - schon die Anfahrt zum sechsten Obscene Extreme bereitet auf eines der kränksten und garstigsten Grindcore- und Extreme-Metal-Festivals der Welt vor. Obscene Extreme - wo liegt denn das? In Trutnov, gut 120 Kilometer nordöstlich von Prag entfernt, fast an der polnischen Grenze. So eine Strecke ist nach deutschen Autobahn-Maßstäben wenig. Tschechische und polnische Straßen-Verwirrungs-Netze sorgen aber für eine lange Fahrt durchs Nirgendwo, Startpunkt ist Dresden, über Görlitz geht's nach Polen. Dort scheinen schon manche Menschen vorm bösen Homo Metalicus gewarnt zu sein - in einem kleinen polnischen Städtchen rennt ein dralle Frau im pinken Billigkostüm plötzlich wie angestochen die Straße entlang und zieht ihren völlig überraschten Hund an der Leine hinter sich her. Dabei hatten neben ihr nur gerade zwei Autos voller Metal-Heads gehalten, die langhaarigen und bombenlegenden Insassen wollten ortsunkundig mal nach dem Weg fragen. So geht es ohne Information weiter, Straßenschilder existieren kaum. Irgendwann taucht mitten aus dem Wald die Grenze nach Tschechien auf... Und über dem Himmel hängen plötzlich bedrohliche Wolken. Sturm bricht los. Grindcore-Rain ist der bessere Ausdruck bei so viel Wasser, was da auf einmal vom Himmel flutet.
(Henri Kramer)
Wir entschließen uns kurzerhand die Impressionen von SATYRICON und DARK FUNERAL auf ein perfektes, böses und bedrohliches Niveau zu heben. Die letzten zehn Kilometer werden zur Hindernis-Bahn, überall liegen kleine Zweige und große Äste auf der Straße...
(Falk Schweigert)
Irgendwann ist das Ortsschild von Trutnov erreicht. Sammelaktion bei Nacht mit kurzer Vorstellung der Berichtsprotagonisten:
Markus Berger: Keeper Of True Thrash Metal
Thomas Patzig: Black Evil Storm Of Hate
Bianca Schneider: Fotozwerg
Falk Schweigert: Deutsche Eiche and Grindo Bastardo from Silentium Noctis
Henri Kramer: Organizing Metalist Of Hell
Unterstützer im Geiste: Robert Münch: Drinker Of The Days
Das Auto wird auf das Obscene-Gelände mit dem süßen Namen "Na Bojisti" gefahren, die meisten anderen Festival-Besucher müssen ihre Wagen davor abstellen. Doch in das Areal kommt heute Nacht schon jeder. Es ist eine waldige Gegend, so schön wie ein Stadtpark eben sein kann. Durch das Eingangs-Tor blickt jeder Besucher erst einmal auf einen Beton-Platz, dort wird in den nächsten Tagen der Metal-Markt stehen. Das zentrale Party-Zelt ist jetzt schon offen, einzelne Grüppchen sitzen noch drin und trinken. Andere liegen mit ihrem Kopf schon auf dem Tisch und sabbern vor sich hin.
(Henri Kramer)
Das geschulte Auge des neu ankommenden Besuchers funkt die eingefangenen Bilder auch nachts gegen 01:00 Uhr sofort an den Rest des von Autositzen gezeichneten Körpers, welcher sich innerlich frohlockend auf die kommenden Bierströme innerhalb weniger Millisekunden vorbereitet und den Organismus umstellt. Auf gutes Gelingen!
(Falk Schweigert)
Weiter geht's, über eine Treppe und einen sanft ansteigenden Weg kommt der potentielle Party-Maniac zum eigentlichen Obscene Extreme-Brennpunkt: Die Bühne. Die Bretter, die hier die Grindcore-Welt bedeuten, liegen noch im Dunkeln. Gut 15 Meter vor der Bühne fangen langgezogene Bänke an, Sitzreihe um Sitzreihe geht es nach oben. Erkenntnis: Wenn hier nicht gerade musikalisch gebrettert wird, ist das Gelände ein anheimelndes Erholungs-Areal samt Open Air-Kino, natürlich "für die ganze Familie". Heute stehen überall leere Bierbecher. 20 Uhr gab es dazu schon eine wohl sehr bizarre Eröffnungs-Show des Piercing-Studios hell.cz aus Prag samt DJ-Mugge. Wer weiß, was dort alles in Körperöffnungen genagelt wurde...
Nun sind nur noch einzelne Party-Reste zu sehen. Sie versammeln sich am Ende der Sitzreihen. Auf dem Kamm dieses kleinen Hügels stehen Imbiss-Würfel, dort gibt es geiles Gambrinus-Bier und Essen, im Wald dahinter liegt der Zeltplatz. Erster Kontakt mit einem schwedischen Fan: "Do you want to drink your piss?" Neee, und wenn der junge Mann mit den Rastas noch so vertrauenswürdig mit seinem leeren Becher wedelt. "Do you want to drink my piss?", fragt er kurz darauf und pinkelt in seinen durchsichtigen Plastik-Krug. Nein, auch seine Pisse will ich nicht, Kontaktaufnahme beendet.
(Henri Kramer)
Natürlich bauen wir das Zelt nicht mehr auf, zu groß ist die Verlockung prickelnden Gerstensafts, außerdem ist es sowieso bald wieder hell. Schon in den ersten Stunden wird einem die warme und familiäre Atmosphäre des Obscene Extreme bewusst. Lange sitze ich noch am 24-Stunden-Bierstand und unterhalte mich mit fremden Menschen in fremden Zungen. Möglicherweise tut Gevatter Gambrinus das Seinige dazu. Gegen sieben Uhr morgens übermannt mich die Vernunft und ich lege mich ins eigens mitgebrachte Auto. Nach einer Stunde ist die Nacht schon wieder vorbei, günstigerweise beginne ich den Tag, wie so viele ihn hier beginnen: Two Beer or not Two Beer... Eine Stunde später gesellt sich Henri wieder zu uns...
(Falk Schweigert)
- Redakteur:
- Henri Kramer