PANTERA - Hamburg

21.07.2023 | 11:22

21.06.2023, edel-optics-Arena

Die Rückkehr des Groove-Monsters!

Grundsatzfrage: Kann man den Vibe der Vergangenheit reproduzieren? Oder wird es immer nur ein Abklatsch, ein aufgewärmtes Essen oder ein Treffen mit dem/der Ex sein? Angenehm vertraut, durchaus schön, aber eben doch ohne das prickelnde Etwas, das mit dem Neuen, dem Unbekannten einhergeht und unser Entdecker-Gen weckt? PANTERA lässt mich im Vorfeld tatsächlich darüber nachdenken, da ich die goldenen Jahre der Band hautnah mitbekommen und die Energie im Pit miterleben durfte. Es geht auch nicht darum, ob die Texaner damals besser waren oder nicht (vorweg: waren sie!), denn junge Metalheads können ja nichts für ihre späte Geburt. Vielmehr ist es doch wunderbar, dass sie jetzt die Chance dazu bekommen, diese einzigartige Naturgewalt erleben zu dürfen – auch wenn natürlich mit den Brüdern Dimebag und Vinnie Paul zwei wichtige Puzzleteile nicht mehr unter uns weilen. Und stellt sich wirklich die Frage, ob wir es heuer mit einer vollwertigen Band, einer Cover- oder Tributegruppe oder einfach einer großartigen Hommage an eine der größten und innovativsten Bands der 90er zu tun haben? Für mich nicht.

In der Hansestadt angekommen, beginnt zunächst einmal die Suche nach der ominösen edel-optics-Arena. Selbst eingefleischten Hamburgern oder ortskundigen Taxifahrern ist die Konzerthalle unbekannt. Kann aber ja auch mal vorkommen, wenn am gleichen Tag Beyoncé im Stadion spielt und gefühlt die halbe Stadt in Richtung Volkspark strömt. Ein kleiner Teil dagegen marschiert entgegengesetzt in den Stadtteil Wilhelmsburg zur ehemaligen Alsdorfer Sporthalle, in der noch heute die Basketballer der Hamburg Towers ihre Heimspiele austragen. Ein nettes Viertel mit vielen architektonischen Besonderheiten ("green village").

Kurz vor acht wird dann auch endlich die Frage beantwortet, ob es heute eine Vorband geben wird: Ja – und zwar ELEGANT WEAPONS. Das ist eine All-Star-Band um den JUDAS PRIEST-Gitarristen Richie Faulkner und Sänger Ronnie Romero (u.a. MICHAEL SCHENKER), Dave Rimmer (URIAH HEEP) am Bass und Schlagzeuger Christopher Williams von ACCEPT. Noch vor einiger Zeit gehörte unter anderem PANTERA-Bassist Rex Brown zum Team, womit der Querverweis hergestellt wäre. Als die Vier mit 'Do Or Die' von ihrer Debütscheibe "Horns For A Halo" recht flott in ihre Dreiviertelstunde einsteigen, ist aber schon nach kurzer Zeit klar, die Band passt nicht. Zwar heimsen die Herrschaften mit ihrem klassischen Hard Rock immer wieder Höflichkeitsapplaus ein, aber der Funke möchte einfach nicht überspringen. An den Musikanten liegt das derweil nur bedingt, denn sie geben wirklich alles und versuchen ausschließlich mit eigenem Material zu punkten. Doch bei gefühlt 100°C in der ausverkauften Halle sparen sich die Anwesenden lieber all ihre Kräfte für das noch kommende musikalische Gewitter: PANTERA!

Und es dauert wahrlich nur ungefähr fünf Sekunden von 'A New Level', da ist Dreiviertel der viertausend Menschen in Bewegung. Was für eine abgefahrene Zeitreise. Die Masse ist ständig am Rotieren. Sie springen, tanzen und moshen, es bilden sich zahlreiche Pits direkt vor der Bühne. Der Siegeszug von Phil, Rex, Zakk und Charlie hat begonnen. Die Energie, die vom Publikum ausgeht, ist faszinierend. Und laut sind sie auch: A NEW LEVEL – OF CONFIDENCE – AND POWER! Ultra fett. Diese Gewalt setzt sich mit 'Mouth For War', 'Strength Beyond Strength', 'Becoming' und 'I'm Broken' gnadenlos fort. Leider auch die Soundschwierigkeiten, denn Phils Gebrüll ist zu leise und im Gesamtbild nicht gut eingebettet. Das gilt ebenfalls für das Schlagzeug, dem es grundsätzlich an Druck fehlt, bei dem aber auch das eine oder andere Mikrofon nicht zu funktionieren scheint. Sehr schade, das trübt vor allem ein wenig den Hörgenuss. Und was gibt es zur Band im Allgemeinen zu sagen? Phil Anselmo stolziert barfuß über die Bühne, besitzt noch immer diese übermächtige Aura und macht seine gesangliche Sache ganz ordentlich, wenn ihm auch mehrfach die Puste ausgeht. Er ist nicht mehr ganz so agil, seine Performance wirkt etwas steif. Das fällt auf, weil es eben damals auch ein Markenzeichen der Band war, die Grooves bis zur totalen Verausgabung auszuleben. Bassist Rex Brown ist solide wie eh und je und wirkt als einer der beiden Gründungsmitglieder sogar eher teilnahmslos.

Gitarrist Zakk Wylde dagegen ist selbst in seiner unerwartet angenehmen Zurückhaltung eine echt coole Socke, während ANTHRAX-Schlagzeuger Charlie Benante seine Aufgabe ebenfalls höchst professionell und mit angemessener Demut erledigt. Und doch gibt es Raum für Kritik: Sowohl Dimebag als auch Vinnie Paul hatten einen ureigenen Sound (ein sehr höhenlastiger, fast schon schneidender Gitarrensound und klickende Bassdrums), den Zakk und Charlie nicht reproduzieren und somit den Gesamtsound eines elementaren Bestandteils berauben. Die Anwesenden scheint das aber nicht zu stören, denn mit '5 Minutes Alone', 'This Love' oder 'Fucking Hostile' kann das Quartett nicht viel falsch machen. Es gilt: Eskalation! Zu Beginn der Show gab es auf den beiden Leinwänden einen Zusammenschnitt aus den legendären Home-Videos der Band zu sehen, was frenetisch bejubelt wurde. Das setzt sich beim Medley 'Cemetary Gates/ Planet Caravan' fort. Einerseits eine sehr emotionale Geschichte, andererseits läuten sie damit das große Finale ein. Bei 'Walk' wackeln die Wände bedenklich und die Menge ist unaufhaltsam in Bewegung, mit 'Domination' walzen sie zunächst alles nieder, nur um mit dem abschließenden 'Cowboys From Hell' doch noch alles in Schutt und Asche zu legen – "we're taking over this town!" Im wahrsten Sinne des Wortes. Nach achtzig Minuten ist Schluss. Keine Zugabe, dafür aber nur strahlende Gesichter im weiten Rund.

Und nein, man kann den Vibe der Vergangenheit nicht wirklich reproduzieren, dafür funktioniert diese Hommage an das Groove-Monster PANTERA aber außerordentlich gut. Begebt euch ruhig selbst in diese Zeitkapsel, genießt es und sucht nicht krampfhaft in den Krümeln.

RE – SPECT - WALK!
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RE – SPECT – WALK!

Setlist: A New Level; Mouth For War; Far Beyond Driven; Becoming; I’m Broken; Suicide Note, Part Two; 5 Minutes Alone; This Love; Yesterday Don’t Mean Shit; Fucking Hostile; Cemetary Gates/ Planet Caravan; Walk; Domination; Cowboys From Hell

Redakteur:
Chris Staubach

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