PSYCHOTIC WALTZ, GHOST SHIP OCTAVIUS - Hamburg

15.11.2019 | 15:02

03.01.2019, Knust

Die progressiven Wunderkinder spielen mal wieder in deutschen Landen.

Der 03.10. ist in unseren Landen ein gesetzlicher Feiertag. Da passt es natürlich ganz besonders gut, wenn die beste Liveband aller Zeiten in Hamburg zum Tanze bittet. PSYCHOTIC WALTZ, die Band, die ich bisher über 20 Mal live sehen durfte, ist mal wieder in deutschen Landen unterwegs und bringt dieses Mal GHOST SHIP  OCTAVIUS mit. Hierbei handelt es sich um die neue Truppe des ehemaligen NEVERMORE-Drummers Van Williams. Auch wenn ich durch das Erscheinungsbild zuerst etwas abgeschreckt bin, kann das Quartett mich mit seinem modernen Prog-Metal schnell begeistern. Vor allem Frontmann Adon Fanion versteht es, mit seinem kraftvollen Gesang positive Akzente zu setzen und einen roten Faden mit seinen Melodielinien zu ziehen. Da ich mit dem Songmaterial der sympathisch auftretenden Truppe nicht besonders gut vertraut bin und ich obendrein bis in die Zehennägel auf die psychotischen Walzer gepolt bin, darf man es der Kapelle hoch anrechnen, dass ich ziemlich begeistert dem Auftritt zuschaue. Die witzigen Ansagen und das energische Auftreten von Van Williams sind hierbei zwei weitere Pluspunkte, die sich zum sehr guten Songmaterial addieren. Daumen hoch!

Nach einer kurzen Umbaupause ertönt das bekannte 'Sleeping Dogs'-Instrumental des Wunderdebütalbums "A Social Grace" und sofort stehen alle Ohren vor der Bühne stramm. Als die Band dann mit dem neuen Song 'Pull The Strings' gewagt in ihren Set einsteigt, herrscht ein bisschen Unsicherheit unter den Zuhörern. Dafür gibt es zwei Gründe: Devons Stimme will nicht so recht und der Sound ist etwas undifferenziert. Während sich das zweite Problem rasch legt und beim bekannten 'Morbid' die Stimmung sofort nach oben schnellt, hat Mister Graves noch immer Probleme mit seiner Stimme. Dies ist ihm selber bewusst und so geht er in die sympathische Offensive und fragt nach dem Song nach einem Jägermeister zum Aufwärmen. Dieser wird ihm von einem Fan rasch gereicht. Während beim anschließenden 'Only In A Dream'  noch immer leichte Schwierigkeiten auszumachen sind, ist für mich beim Entenpeller 'Halo Of Thorns' dann die Welt endgültig in Ordnung. Diese Nummer zählt von Beginn an zu meinen absoluten Favoriten unter den ganzen Wundersongs. Weiter im Takt geht es mit 'Northern Lights' vom 96er Album "Bleeding" gefolgt vom verhanften 'Haze One'. Auffällig ist, wie locker Devon heute Abend ist. Seine eh schon immer tollen Ansagen machen heute noch mehr Stimmung als sonst und er scheint sich in seiner alten Heimat Hamburg extrem wohl zu fühlen. Immerhin hat die Band hier zu Zeiten der ersten beiden Alben längere Zeit verbracht und ist auch mehrfach im alten Knust aufgetreten.

Mit 'Back To Black' folgt ein zweiter neuer Song, der erneut auf einem starken Groove aufgebaut ist. Vorher kündigt Devon für Februar das lang erwartete neue Album an und verrät uns sogar den Titel: "The God- Shaped Void". Ich kann sagen, ich bin etwas euphorisiert. Aber zurück zum heutigen Geschehen: Das wunderbare 'Ashes' verzaubert gewohnt sphärisch die Sinne, welche vom straighten 'Mosquito' wieder gerade gerückt werden. Devons Bewegungsabläufe während der Songs sind unglaublich faszinierend. Es scheint, als würde er einen inneren Schalter umlegen, denn alle Bewegungen sind "nicht von dieser Welt". Mit 'Locust' schweben wir alle durch das Knust und während wir noch im Trancezustand sind, holt der Flötenschlumpf zur emotionalen Keule aus. 'I Remember' hat auch 29 Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner Faszination verloren und ist wohl der beste JETHRO-TULL-Song, den Ian Anderson nicht geschrieben hat.

Damit wir auf den Boden der Halle zurückgeholt werden, folgt mit '...And The Devil Cried' der Opener des Debütalbums. Um mich herum drehen alle kollektiv an nicht vorhandenen Rädern und der anschließende Titelsong des zweiten Albums ändert nichts an diesem Zustand. Kein Wunder, handelt es sich hierbei ja auch um den Titelsong des besten Albums überhaupt. Ich superlativiere? Möglich. Aber ich kann nichts für meine Ohren. Während wir nur in tranceartigen Spähren schweben, hakt uns 'I Of The Storm' auf den Boden der Tatsachen zurück. Diese Zeitreise ist einfach unvergleichlich toll. Obendrein belegt sie, wie gut diese Musik gealtert ist. Auf der Bühne sieht man ebenfalls nur entspannte Gesichter – bei Ward nichts Ungewöhnliches – und als man mit dem unfassbaren 'Nothing' den Abschluss dieses Abends ankündigt, ist die Empörung groß. So groß, dass man entgegen uralter Traditionen für eine Zugabe erneut die Bühne entert. Meine leise Hoffnung, es würde mit 'Butterfly' noch mein Lieblingssong kommen, wird allerdings mit dem ersten Akkord zerstört. So ist 'Children Of The Grave' ein gern genommener Rausschmeißer und olle Sabs-Nummern gehen halt immer. So auch hier.

Summa summarum komme ich nicht umhin, der Band einen erneut fantastischen Auftritt zu attestieren und hoffe, sie im nächsten Jahr zum neuen Album ein bisschen häufiger live sehen zu können.

Setliste: Sleeping Dogs; Pull The String; Morbid; Only In A Dream; Halo Of Thorns; Northern Lights; Haze One; Back To Black; Ashes; Mosquito; Locust; I Remember; ...And The Devil Cried; Into The Everflow; I Of The Storm; Nothing; Children Of The Grave

Pics by: Taina "Petrunella" Keck.

Redakteur:
Holger Andrae

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