P!nk - Leipzig

06.03.2004 | 02:56

05.03.2004, Arena

Wenn man ein Pop-Konzert nüchtern betrachtet, kann einem viel passieren: Der Blick schärft sich...

Alicia Moore ist in Rotlicht getaucht, trägt eine Art Leder-BH und leckt an einer Metall-Stange. Die Halle jubelt. Alicia Moore darf das: Sie ist "P!NK", original mit umgedrehten "i". Mit ihrer "Try This"-Tour ist die Sängerin in der Arena Leipzig, rund 3000 Leute sind gekommen.
Und alle sind wegen ihr da: "P!NK". Sie ist eine der Pop-Rock-Stars der letzten Jahre. Auf der Bühne zeigt sie, warum ihre Fans sie so bewundern. Sie ist ein Chamäleon: Am Anfang tanzt sie mit pinkem Irokesenschnitt, dann schüttelt sie plötzlich wieder strohblonde Haare. Hauptsache, die Mähne auf dem Kopf ist nicht lang. Das mag "P!NK" laut Interview nämlich nicht, sie zeigt ihre Weiblichkeit lieber anders. Etwa bei dem Song 'Lady Marmelade', den sie zu dem Film "Moulin Rouge" beisteuerte: Plötzlich sind Gummi-Puppen auf der Bühne. Solche Püppchen, wie aus dem "Beate Uhse"-Shop um die Ecke. "P!NK" und ihre Tänzerinnen entkleiden sie langsam und spielen mit ihnen, ehe die Sex-Spielzeuge irgendwann wild umher geschleudert werden. Später haben "P!NK" und ihre Gespielinnen freilich ein lebendigeres Opfer. Ein junger Mann wird auf eine Art elektrischen Stuhl geschnürt - nur fühlt er einen anderen Strom, die lasziven Anmachen von "P!NK" und ihren Kolleginnen setzen dem armen Kerl sichtlich zu.
Ja, weibliches Sex-Appeal wird groß geschrieben bei dieser Tour. Vielleicht sind deshalb so viele Frauen jeder Altersstufe im Publikum. Wie ihr Idol stecken viele in hohen Absatzschuhen. Was sie von "P!NK" unterscheidet: Sie können ihre Kleidung nicht ständig während des Konzerts wechseln. Nur "P!NK" kann das. Einmal kommt sie im kurzen roten Lederjäckchen, einmal in Army-Hose und Spitzen-Top. Die Kamera auf den zwei Großleinwänden neben der Bühne zeigt jeweils die Großaufnahme.
Aber eine "P!NK"-Show ist auch ein kleines Musikereignis. Gut, ihre Lieder sind keine akustische Revolution. Aber immerhin besitzt die Dame eine Stimme. Selbst einer JANIS JOPLIN kann sie in dem Cover-Song 'Me and Bobby McGee' nacheifern, dabei ist "P!NK in eine angesengte Ami-Flagge gehüllt. Das ist gleichzeitig einer der wenigen gesellschaftskritischen Momente in ihrer Show - trotz aller Punk-Attitüde. Nur das mit Kriegsbildern unterlegte Stück 'My Private Vietnam' geht noch in diese Richtung, sonst bleibt der Abend frei von Politik. Dennoch ist "P!NK" nicht ganz purer Kommerz-Pop: Kurz vor der ersten Zugabe lässt es sich die Sängerin nicht nehmen, von der Bühne herabzusteigen und ihre Fans per Handschlag zu begrüßen. Ihre Security-Leute lernen in dem Moment einmal richtig laufen. Sie steckt in einem Kostüm, dass wie eine Mischung aus Super-Woman und einer Löwin aussieht. Kurz darauf fallen lange Tücher wie Seile von der Decke, vier Tänzerinnen rutschen daran herunter. Beherzt packt "P!NK" zu und schnürt ihre Beine an einem der Tücher fest. Sie wird nach oben gezogen, mit ausgestrecktem Arm reckt "P!NK" sich als Diva-Verschnitt dem Publikum entgegen. Dann sind fast 90 Minuten Show vorbei. Noch eine Zugabe, dann bleibt eine Frage: Ist das die Madonna dieses Jahrhunderts? Oder doch nur ein neurotisches Nervenbündel im Bann des Zeitgeists? Antworten sind erwünscht...

Redakteur:
Henri Kramer

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