Paradise Lost & Samael - Berlin
26.11.2009 | 13:4713.11.2009, Columbia-Club
Eine immer noch spannende Band wie SAMAEL trifft mit PARADISE LOST auf eine Gruppe, die ihre besten Jahre hinter sich hat.
Zwei Bands auf der Suche nach Orientierung: Das hat an diesem Freitag, ein dreizehnter wohlgemerkt, das Publikum im ColumbiaClub in Berlin erlebt. Die Namen der Aufführung über die Selbstfindung heißen SAMAEL und PARADISE LOST. Es sind Namen, die sich in die Seele eines jeden Metal-Fans eingebrannt haben. Nicht nur wegen ihrer überragenden ersten Alben, sondern weil beide Bands exemplarisch dafür stehen, wie sich extreme Metal-Kapellen selbst neu erfinden wollen. Auf ihrer aktuellen Tour lässt sich das Ergebnis sehen.
Da sind SAMAEL, die jüngst mit ihrem frischen Album "Above" eine akustisch umgedrehte, böse keifende und lautstarke Kreuzmesse vorgelegt haben, die in ihrer schwarzmetallischen Anmut kaum noch zu überbieten ist. Doch scheinen die Schweizer selbst nicht an diese Perle zu glauben, denn bei ihrem Gig in Berlin beginnen sie mit Songs wie 'Rain' oder 'Solar Soul' und konzentrieren sich auch danach auf die "Dunkelste Black Metal Disko aller Zeiten"-Phase zwischen Alben wie "Passage" und "Solar Soul". Die Musiker präsentieren sich gleichwohl selbst als Vorgruppe auf kleinem Raum äußerst agil, aber das ist für diese großartige Band nicht ungewöhnlich. Die Darbietung gleicht also einem SAMAEL-Konzert aus den vergangenen Jahren, nichts neues, selbst die Klamotten sind die gleichen. Erst 'Black Hole' bricht heraus. Dieser neue Song ist so verdammt mächtig, so verdammt schnell, so verdammt fies - aber in Berlin leidet er bedauernswerter Weise unter einer Akustik, die ihn stellenweise einfach verwaschen klingen lässt. Dennoch ist dieses Stück göttlich, weil es SAMAEL in Bestform zeigt. Auch das Publikum zeigt sich begeistert, bis auf jene Zuschauer, die keine Drumcomputer hören wollen. Doch dass gerade die E-Drums auch mit den ganzen alten Songs von SAMAEL funktionieren, beweisen sie eindrucksvoll mit einer pechschwarzen und eisig kalten Version von 'Into The Pentagram': Dunkel, heavy und in rotes Licht getaucht. "We are forever", sind die letzten Worte von Frontmann Vorph. Das möchte man ihm nach dieser reifen Leistung gern glauben.
Anders ist das bei PARADISE LOST, denn die Band hat ein Problem. Es ist kein musikalisches. Die Instrumental-Fraktion macht ihre Sache gut, alle bekannten Melodien dringen direkt ins Hirn und von da in die Nackengegend - obwohl Greg Macintosh wegen einer schweren Krankheit seines Vaters nicht bei der Tour dabei ist, jedoch von Gitarrentechniker Milly Evans anständig vertreten wird. So klingen einmalige Einfälle wie 'Pity The Sadness' oder 'As I Die' rein von den Instrumenten her vorzüglich in den Ohren. Doch wird der Genuss gestört. Sänger Nick Holmes ist eben nicht mehr der stimmliche Tiefenspezialist, der er einmal war. Ob von ihm gewollt oder ungewollt - all die Klassiker wie 'Enchantment' oder 'Forever Failure' klingen live zu dünn besungen, zu lasch. Auch Holmes' etwas weinerlich anmutende Bühnenpräsenz und die viel zu große Armbanduhr fallen negativ auf. Und ohne guten Frontmann - das ist bekannt - ist es auch schnell um die Stimmung schlecht bestellt. Bestenfalls durchschnittlich laut ist der Applaus, bei neueren Stücken übrigens sogar ein wenig lauter - sie sind wohl auch mehr auf Nick Holmes' angegriffene Stimme zugeschnitten, aber besitzen längst nicht die Atmosphäre der klassischen PARADISE LOST-Kracher. So bleibt der Auftritt trotz abschließender Höhepunkte wie 'The Last Time' ein durchwachsener. PARADISE LOST - trotz der vielen positiven Reaktionen auf das neue Album - haben live noch längst nicht die Form früherer Tage gefunden. Noch bitterer: Selbst die erste Band dieses Trosses, GHOST BRIGADE, wirkt wesentlich cooler als die alten Herren aus England, bieten die Finnen doch melodischen Dark Metal mit schönen progressiven Momenten, Hörkino statt nur Hörspiel.
Setlist PARADISE LOST:
Rise Of Denial
Pity The Sadness
Erased
I Remain
As I Die
The Enemy
First Light
Enchantment
Frailty
One Second
Forever Failure
Requiem
Faith Divides Us
Last Time
Say Just Words
- Redakteur:
- Henri Kramer