RAGE, TRI STATE CORNER und BROKEN FATE - Siegburg

10.05.2024 | 16:15

09.05.2024, Kubana

40 Jahre Heavy Metal gebührend gefeiert!

40 Jahre RAGE und dann auch gleich noch ein unheimlich starkes Doppel-Album namens "Afterlifelines" im Gepäck, das locker den Sieg in unserem Soundcheck im April eingestrichen hat? Wenn das nicht genügend Gründe sind, um die aktuelle Tour der Ruhrpott-Urgsteine in Augen- und Ohrenschein zu nehmen, dann weiß ich es auch nicht. Gleichzeitig bietet der heutige Tourstop im Siegburger Kubana natürlich auch die Möglichkeit, sich einen Eindruck der neusten Inkarnation der Band um Mastermind Peavy Wagner zu machen, denn das Doppel-Axt Lineup der "Resurrection Day"-Ära ist leider schon wieder Geschichte und Peavy wird heute "nur" noch von Jean Bormann an der Gitarre unterstützt, der seit 2020 zur Besetzung gehört, die, wie inzwischen gewohnt, von Schlagzeuger Vassilios "Lucky" Maniatopoulus komplettiert wird.


Doch los geht es erst einmal mit den Schweizern BROKEN FATE, die den heutigen Abend mit ihrem wuchtigen Heavy Metal mitsamt cooler Hooklines eröffnen dürfen. Der Vierer aus Zürich treibt inzwischen seit 2012 sein Unwesen im Heavy-Metal-Zirkus und blickt auf drei Studioalben zurück, deren Tracks eigentlich perfekt zum Sound des heutigen Headliners passen, hört man die RAGE-DNA doch praktisch in jeder Komposition heraus, auch wenn die Eidgenossen sich auch noch bei diversen anderen Klassikern des Genres bedienen. Ebenso wie die musikalischen Einflüsse hört und merkt man den Mannen um Fronter Tobias John Bänteli die zwölfjährige Bühnenerfahrung an, denn die Show ist absolut professionell, mit amtlichem Sound gesegnet und bewegt schon überraschend viele Menschen zu früher Stunde ins Kubana. Die Anwesenden feiern dann auch bereitwillig die Riff-Salven, die von Tobias und Ilia Sivkov von der Bühne aus abgefeuert werden und verabschieden das Quartett nach knapp 35 Minuten mit einem standesgemäßen Schlussapplaus. Einzig das dreimalige Fake-Ende der Show, bei dem die Band einen Abschlag andeutet, nur um dann doch wieder in einen kurzen Instrumental-Part zu starten, hinterlässt zumindest bei mir einen faden Beigeschmack. Ein kompaktes Ende einer Show macht da immer deutlich mehr Eindruck in meinen Ohren. Doch egal, die Schweizer haben ihren Job heute hervorragend gemacht und das Publikum mit starken Songs auf Betriebstemperatur gebracht, womit die Job-Beschreibung eines Openers perfekt ausgefüllt wurde.

Danach gibt es beim Umbau für den nächsten Programmpunkt eine kleine Überraschung für die Anwesenden, die nicht die übrigens dankenswerterweise am Eingang ausgehangene Running Order (viel mehr Locations dürften so etwas machen!) studiert haben. Anstatt der Heidenheimer Power-Schwermetaller MISSION IN BLACK baut nämlich TRI STATE CORNER das Equipment auf. Das sorgt durchaus für ein paar verwunderte und auch traurige Gesichter, denn einige Anwesende hatten sich offenkundig auf die Truppe um Fronterin Steffi Stuber gefreut. Stattdessen bekommen wir nun also den folkig angehauchten Folk-Hardrock des Vierers geboten, bei dem mit Lucky nicht nur der aktuelle RAGE-Drummer am Mikro steht, sondern mit Christos "Chris" Efthimiadis auch ein ehemaliger Schlagzeuger von Peavy die Felle bedient. Warum das eng mit den Heavy-Power-Metallern verbandelte Quartett heute einspringt, offenbart Lucky nach ein paar Songs des Sets: MISSION IN BLACK ist leider erkrankt und musste deswegen sehr kurzfristig abspringen. Für mich persönlich ist das kein großer Verlust, denn auch wenn ich zugebe, dass der von der Bouzouki veredelte Sound der Jungs nicht unbedingt das ist, was ich an einem so schwermetallisch geprägten Abend hören müsste, taue ich ähnlich wie viele andere Zuhörer und Zuhörerinnen mit zunehmender Spieldauer auf und finde mehr und mehr Spaß am musikalischen Grenzgang zwischen griechischer Tradition, modernem Hardrock und einer Prise Metal. Insbesondere die Ballade 'Kapia Stigmi', das flotte 'Sooner Or Later' und der Ohrwurm-Rauswerfer 'Daydreamer' hinterlassen durchaus einen bleibenden Eindruck und lassen mich überlegen, ob ich den bisher sträflich ignorierten Alben des Quartetts nicht doch noch einmal eine Chance geben sollte. Alles in allem ist TRI STATE CORNER damit ein durchaus guter Ersatz, was auch ein lauter Schlussapplaus beweist, bei dem vor allem das RAGE-Stammpublikum in den ersten Reihen, das die Folk-Rocker schon häufiger im Programm der Helden aus Herne gesehen hat, federführend den Ton angibt.

So damit aber genug des Aufwärmens, denn nach angenehm kurzem Umbau steht nun endlich Peavy mit seinen Mitstreitern auf der Bühne und macht schon vom eröffnenden 'Cold Desire' an keine Gefangenen. Der Opener der symphonischen CD des neuen RAGE-Doppel-Langdrehers "Afterlifelines" macht dabei natürlich gerade dank des epischen Intros eine sehr gute Figur und demonstriert direkt, dass Peavy auch nach vierzig Jahren im Business keinen Schritt langsamer geworden ist und noch immer über ein mächtiges und herrlich charismatisches Organ verfügt. Lucky verprügelt dazu gewohnt gekonnt und mit mächtig Schwung sein Drumkit, doch für mich ist klar Gitarrist Jean die positive Überraschung des Abends. Nicht nur hat er in meinen Ohren einen grandiosen Job auf den letzten beiden Studioalben gemacht, live fegt er geradezu über die Bühne, bangt und post sich die Seele aus dem Leib und serviert dabei noch mehr als gekonnt die Gitarrenparts aus sämtlichen Phasen der 40-jährigen Bandgeschichte, obwohl er im Verhältnis zu seinen Mistreitern ja noch blutjung ist. Eine Tatsache, die übrigens im Laufe des Abends zum Running Gag wird, wenn Peavy sich regelmäßig fragt, ob Jean überhaupt schon auf der Welt war, als die heute gespielten Klassiker geschrieben wurden. Selbige präsentieren dann auch irgendwie die Krux des heutigen Abends, steckt das Trio mit dem Jubiläum und einem grandiosen neuen Album doch ein bisschen in der Zwickmühle. Wie viele neue Songs dürfen es sein? Wie viele Klassiker müssen für die Rückschau auf vierzig Jahre gespielt werden? Die Antwort ist am Ende eine primär auf Klassiker und ein paar Deepcuts fokussierte Trackliste, die mit drei neuen Kompositionen angereichert wird, womit wohl hoffentlich alle anwesenden Fans zufriedengestellt sein dürften. Neben 'Cold Desire' dürfen dabei übrigens 'Toxic Waves' und 'Under A Black Crown' von "Afterlifelines" zum Zuge kommen, die sich nahtlos in den Hit-Reigen einfügen und gerade im Falle des letztgenannten Tracks beweisen, dass sie auch das Potential für Set-Standards in der Zukunft mitbringen.

Gleiches müssen Nummern wie das wuchtige 'Straigth To Hell', das direkt an zweiter Position das Kubana fix auf Betriebstemperatur bring, oder die Hymnen 'Black In Mind' oder 'Refuge' nicht mehr beweisen, bei denen schnell quer durch das gut besuchte Kubana gebangt und lauthals mitgesungen wird. 'Back In Time' vom 1999-ziger "Ghosts" sorgt gemeinsam mit 'Days Of December' mit wunderbaren Refrains gewohnt für ein bisschen Gänsehaut, während 'Solitary Man' etwas mehr aufs Gaspedal drückt. Dass 'Great Old Ones' (von "Soundchaser") und 'End Of All Days' vom gleichnamigen Hammeralbum ebenfalls nicht fehlen dürfen, versteht sich natürlich fast schon von selbst. Gleiches gilt nicht unbedingt für die beiden jüngeren Nummern 'Let Them Rest In Peace' von "Wings Of Rage" und 'A New Land' vom vorletzten Langeisen "Resurrection Day". Beide machen live aber eine unheimlich gute Figur und zeigen deutlich, dass RAGE mit fast schon unverschämter Konstanz inzwischen seit vier Dekaden tolle Songs und Alben veröffentlicht. Unweigerlich drängt sich mir anhand der heutigen großartigen Leistung die Frage auf, warum es die Truppe aus Herne trotz dieser Konstanz und großartigen Energie auf der Bühne nie als Headliner in die ganz großen Hallen geschafft hat. Andererseits ist es natürlich auch toll, die Band so hautnah zu erleben wie heute im Kubana. Das Publikum dankt Peavy und Co. dann auch mit ausgedehnten Sprechchören und sobald Peavy oder Jean nur die Hand heben, wird ohne zu Zögern mitgemacht oder die Faust gen Himmel gereckt. Mit dieser Stimmung kann selbst manche große Arena-Band nicht mithalten. Dass angesichts der Begeisterung mit dem Raussschmeißer 'Don't Fear The Winter' nicht Schluss sein darf, ist klar, und so serviert 'Prayers Of Steel' vom noch als AVENGER veröffentlichten Debüt eine ordentliche Portion Schwermetall für die Nackenmuskulatur. Fehlen darf aber natürlich auch die Bandhymne 'Higher Than The Sky' nicht, die den Abend mit lautstarkem Mitsing-Part gewohnt großartig beendet. Und auch ich stehe nach knapp 80 Minuten mit einem breiten Grinsen und der Erkenntnis vor der Bühne, dass RAGE einfach eine Perle der hiesigen Musiklandschaft ist, mit der ich hoffentlich auch in den kommenden Dekaden noch viele so tolle Konzertabend werde erleben können. Danke Peavy für 40 wunderbare Jahre und so viele tolle Songs!

RAGE Setliste: Cold Desire; Straight To Hell; Solitary Man; Black In Mind; Refuge; Back In Time; Toxic Waves; Days Of December; Let Them Rest In Peace; A New Land; Great Old Ones; End Of All Days; Under A Black Crown; Don't Fear The Winter; Prayers Of Steel; Higher Than The Sky

Während mich die grandiose Show dank des gewohnten Standards aus der Vergangenheit nicht überrascht, sondern schlicht meine hohen Erwartung restlos erfüllt hat, gibt es aber doch noch eine überrascht hochgezogene Augenbraue auf dem Weg aus dem Kubana heraus. Mein obligatorischer Besuch am Merch-Stand endet heute Abend nämlich nicht in der Enttäuschung, dass man inwischen 35 oder 45 € für ein Bandshirt berappen muss und dem entsprechenden Verlassen der Location ohne selbiges. Nein, es geht auch deutlich fanfreundlicher, wenn das doppelseitig bedruckte Tour-Textil für 25€ und die Album-Shirts für 20€ an den Mann gebracht werden. Auch hier setzt sich also die gewohnt sympathische Ader der Ruhrpott'ler durch, was natürlich auch mich dazu verleitet, direkt eine Erweiterung für den Kleiderschrank mitzunehmen. Was will man mehr von einem rundum gelungenen Konzertabend?

Photo Credits: Barbara Sopart

Redakteur:
Tobias Dahs

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