ROCKHARZ FESTIVAL 2024 - Ballenstedt

22.07.2024 | 15:27

02.07.2024, Flugplatz

Das "Rockharz"-Festival steht an und POWERMETAL.de ist mit dabei. Unser Team, das sind dieses Mal eine Dame und drei Herren, hat keine Mühen gescheut, sich durch das Billing gearbeitet und fast alle Bands gesehen. Erika Becker, Stefan Rosenthal, Frank Wilkens und Andre Schnittker, von dem auch die Fotos stammen, berichten für euch, was sich am Fuße der Teufelsmauer zugetragen hat. Los geht es mit Dienstag, dem 02.07.2024.

Freitag, 05.07.2024

Jaja – der frühe Vogel und so. Ich lebe ja eher nach der Fasson, dass die zweite Maus den Käse kriegt. Somit ist ein Time-Slot auf einem Festival mit Beginn 11:55 Uhr schon eine Herausforderung, aber für die Senkrechtstarker von THE NIGHT ETERNAL nehme ich diese gerne an. Als zweite Band des Freitags ist der spannendste Faktor eigentlich, wie dieser düstere Rock bei strahlender Sonne und verkatertem Publikum ankommt. Und für meine zahlreichen Begleiter und mich hat sich der Weg auf das Infield gelohnt. Zwar liefern die Jungs ein bekanntes Set, aber dafür sind sie top motiviert und legen sämtliche Energie in den 30-minütigen Auftritt. Davon profitieren auch fantastische Songs wie 'Between The Wolrds' oder 'In Tartarus' nochmal zusätzlich. Nach diesem überragenden Doppel sind Land und Leute mittlerweile auch so wach, um bei 'Elysion' oder 'Prince Of Darkness' mitzusingen und im Refrain zu unterstützen. Grade diese beiden Nummern brauchen auch ein lebendiges Publikum, um komplett zu strahlen. Somit kann auch heute nur das Fazit lauten, dass THE NIGHT ETERNAL wieder geliefert hat und auch für die stärkste Sonne zu viel Power besitzt. Unabhängig davon, bin ich mir relativ sicher, dass wir die Band in den nächsten Jahren nochmal weiter oben im Billing erleben werden. Klasse Start in den Tag.

[Stefan Rosenthal]

Natürlich kommt es bei meinen zahlreichen Festivalbesuchen vor, dass ich die eine oder andere Band drei oder gar vier mal pro Saison sehe. Doch hin und wieder gibt es dann eine kleine Überraschung für mich. SPIDERGAWD aus Norwegen schafft es, mich in den 45 Minuten Spielzeit vom Hocker zu hauen. Habe ich da etwa ein kleines Juwel entdeckt, mit dem sich meine Redaktion mal näher beschaftigen sollte? Mitnichten, wie eine Suche auf unserer Homepage schnell zeigt. Das aktuelle Album "VII" hat von meinem Kollegen Jens immerhin 9,0 Punkte bekommen und zählte 2023 zu seinen Highlights. Auch der Vorgänger "VI" konnte Kollege Walter überzeugen. Nun stehe ich also mit offenem Mund im Graben und bin fasziniert von Songs wie 'The Tower' und bestelle mir am gleichen Tag noch die Alben der Band. Diese glänzt mit ihrer Mischung aus Hard Rock und Heavy Metal und gewinnt sicher nicht nur mich als neuen Fan. Ungewöhnlich in diesem Genre ist, dass Rolf Martin Snustad mit einem riesigen Bass-Saxophon den Songs eine enorme Klangfülle beschert. Das ist einfach rundum stimmig. Für mich ist der Auftritt von SPIDERGAWD ein Highlicht auf meinem ersten "Rockharz"-Festival.

[Andre Schnittker]

Am Freitag kann ich auch endlich teilnehmen und treffe gegen 16.30 auf dem Festivalgelände ein, als DYING FETUS gerade die ganze PA auseinanderlegt. Was für eine Lautstärke, denke ich. Unabhängig von der ohnehin schon etwas deftigeren musikalischen Darbietung ist das eine Begrüßung der heftigen Art. Danach, kurz vor Anpfiff des Halbfinalspiels Deutschland gegen Spanien (welches via Großbild in der "Fressmeile" neben den Bühnen übertragen wird), legt die kanadische Formation UNLEASH THE ARCHERS los. Für die Ohren eine Wohltat, hat der zuständige Tontechniker die Regler scheinbar einen Ticken zu weit nach links gedreht. Wie auch immer, Sängerin Brittney Slayes ist in guter Form, die Kommunikation mit den Fans klappt, der kanadische Powermetal kommt relativ schnell beim Publikum an. Ich habe die Band bis dato nie auf dem Schirm gehabt, aber die tolle zweistimmige Gitarrenarbeit bei 'Through Stars' zieht mich ziemlich schnell in den Bann. Fußball hin oder her, die Stimmung im Pit ist gut und selbst der Song 'Soulbound' vom neuen Album "Phantoma" kann direkt punkten. Fazit: Der leise und bisweilen etwas breiige Klang trübt das Gesamtbild ein wenig. Insgesamt aber ein sehr guter Gig, der neben der starken Gitarrenarbeit der entfesselten Bogenschützen eben auch eine Sängerin bietet, die nicht nur eine gute Stimme besitzt, sondern allein mit ihrer sympathischen Ausstrahlung für verdienten Applaus sorgt.

[Frank Wilkens]

Es könnte spannender nicht sein beim EM-Viertelfinale. Dennoch lassen sich viele Leute die Jungs von KISSIN' DYNAMITE nicht entgehen, die auf der Bühne neben dem Public Viewing Areal aufspielen. Für einige eine Win-Win-Situation, kann man doch mal das eine oder andere Auge riskieren und zum Bildschirm blicken. Für die Schwaben auf der Bühne ist es eine besondere Show, denn am gleichen Tag erscheint das neue Album "Back With A Bang", welches durch die Songs 'My Monster', 'The Devil Is A Woman' und 'Raise Your Glass' ordentlich vertreten ist. Ohnehin wird Sänger Hannes Braun nicht müde zu erwähnen, dass die Band sich nichts sehnlicher wünscht, als mit dem neuen Werk #1 der deutschen Albumcharts zu werden. Marketingtechnisch gesehen werden hier ohnehin alle Register gezogen. So zum Beispiel steht irgendwo am Rand ein Gartenpavillon herum, der mit den gelben und roten Farben des aktuellen Artworks tatsächlich auffällt. Aber zurück zur Show. Insgesamt kann man über den Gig nicht meckern. Der Sound kommt druckvoll rüber und die Band versteht es, trotz der über die Jahre gesammelten Erfahrungen, noch frisch und munter zu performen. Am Ende geht KISSIN' DYNAMITE nach einem sauberen Gig als Sieger von der Bühne. Mit quasi dem Festivalpublikum auf den Leib geschriebenen Krachern wie 'Sex Is War' und natürlich dem obligatorischem 'I Will Be King' können die Fünf heute nachmittag auch nicht wirklich etwas falsch machen.

[Frank Wilkens]

Auf Piraten, jo-ho. Nun liegt Ballenstedt ja bekanntlich weit entfernt von irgendeinem Meer. Dennoch schippert der ALESTORM-Kahn pünktlich zum anvisierten Showtermin ein. Doch bereits während der Umbaupause ist eine nahezu befremdliche Bühnendeko zu beobachten. Statt Totenkopfflagge oder Piratenschiffaufbau ziert eine riesige Gummiente die Bühne und sorgt bei Nicht-Fans (von denen ich bisher einer bin) für das eine oder andere Schmunzeln. Im Prinzip verwundert es aber keinen der Anwesenden, denn die schottischen Seeleute von ALESTORM sind nun mal keine Kinder von Traurigkeit. Und so bekommen wir auch das, was wir erwartet oder vielleicht auch verdient haben. Mit dem bekannten 'Keelhauled' findet die Band den optimalen Einstieg und zeigt allen Landratten, woher der Wind weht. Gelage, Schunkeleien und die Bewahrung der Piratenromantik nimmt die meisten Leute im Infield (das sich zu dieser Zeit mächtig gefüllt hat) mit auf die Reise, die schmerzliche Viertelfinalniederlage gegen Spanien scheint (für einen Moment wenigstens) verdrängt. Bei ALESTORM legt man nicht jeden Ton auf die Goldwaage, hier geht es um den Partyeffekt. Düster wird es später bei DIMMU BORGIR ohnehin noch genug. Bei 'Voyage Of The Marauder' und 'Zombies Ate My Pirate Ship' holt man sich Patty Gurdy auf die Bühne, was dem Auftritt noch ein wenig mehr Würze verleiht. Wer ALESTORM bisher so gar nicht mochte, wird auch mit dieser Show nicht viel anfangen können. Ich mag mich täuschen, aber ich glaube, dass die Band an diesem Abend vielleicht doch den einen oder anderen Liebhaber dazugewonnen hat. Mir persönlich hat es gut gefallen und es reift der Gedanke, mir ALESTORM bei passender Gelegenheit live noch einmal anzutun. Und somit Prost, ihr Klabautermänner und Klabauterfrauen.

[Frank Wilkens]

Wir brauchen keine Grundsatz-Diskussion zu führen, inwieweit DIMMU BORGIR jetzt noch die reine schwarz-metallische Lehre verbreitet. Wäre das so der Fall, dann wäre die Band nicht Headliner auf einem Festival mit über 20.000 Gästen. Das ist mittlerweile absolutes Breitwand-Kino und eine Referenzklasse an düsterer Atmosphäre. So auch am heutigen Abend. Ich gehe sogar so weit, dass ich die Norweger in den letzten Jahren selten stärker, präsenter und homogener als Einheit auf der Bühne erlebt habe. Zwar steht Shagrath als Aushängeschild immer noch sehr offensichtlich im Fokus, aber sobald man sich mal die Zeit nimmt und bei einem Song nur Silenoz oder Galder folgt, merkt man wie durchgetaktet und hochgradig professionell hier jede Geste aller Beteiligten platziert wird. Das ist sicherlich mehr Theater als Rock'n'Roll, aber somit wirkt das Gesehene unglaublich kompakt und massiv. Diese Truppe kannst du dir auch ansehen, obwohl du keinen Song vorher jemals gehört hast und grundsätzlich auch mit harschem Gesang nichts anfangen kannst. Trotzdem wirst du fantastisch unterhalten. Davon ab sind Finster-Eruptionen wie 'Council Of Wolves And Snakes' , 'Progenies Of The Great Apocalypse' und 'Mourning Palace' natürlich teuflisch gute Songs, welche auch heute ihre Wirkung nicht verfehlen. Überhaupt nimmt die Band die Herausforderung Headliner dankend an und serviert ein Best-Of-Programm der Extraklasse, welches nahezu sämtliche Schaffensperioden abbildet. Selbst die Fraktion, welche bereits bei "Spiritual Black Dimensions" den kommerziellen Ausverkauf beschrien hatte, dürfte mit einer grandiosen 'Stormblåst'-Version und einer Nummer vom "For all tid"-Debüt zumindest partiell zufriedengestellt werden. Für den Rest gilt, dass es in dieser Form, neben BEHEMOTH, keine Band aus dem Black-Metal-Kosmos gibt, die einen solchen Slot so souverän und unterhaltsam bekleiden kann. Ganz großes Kino und in dieser dunkelnden Erhabenheit auch immer wieder ein gern gesehender Gast im Schatten der Teufelsmauer.

[Stefan Rosenthal]

Photo Credit: Andre Schnittker

Hier geht es zum Samstag.

Redakteur:
Andre Schnittker

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