Rage, Nightwish - Ludwigsburg

28.10.2000 | 08:28

12.12.1999, Rockfabrik

2009 habe ich ALL TIME LOW auf ihrer ersten Deutschland-Tour gesehen. Schon damals konnte man mit dem brandneuen Album "Nothing Personal" gut 400 Fans in das Kölner Luxor ziehen. Die Touren danach fanden alle in der Kölner Live Music Hall statt, die etwa drei mal so groß ist wie das Luxor. 2015 wagt die Gruppe dann endlich den nächsten Schritt und spielt vor 2500 Fans im Kölner E-Werk. Und selbst das ist klein zu den zwei Shows, die ALL TIME LOW innerhalb von ein paar Wochen in der Londoner Wembley Arena spielen.

Die erste Band des Abends ist REAL FRIENDS, die bereits vor einem recht großen Publikum eröffnen dürfen. Ich habe die Band 2014 auf ihrer ersten Europatour gesehen und fand sie eigentlich ganz gut. Wenn man den Jungs bei Facebook folgt, dann nervt jedoch die übertriebene Bodenständigkeit und Dankbarkeit, die in jedem Post mehrfach zum Ausdruck gebracht wird. Auch Live ist man davor nicht sicher. Immerhin die Songs tönen gut. Der Mix aus kantigem Pop Punk und 90er Emo kommt live sogar besser als auf Platte. Dies liegt zum einen daran, dass REAL FRIENDS fast nur flottes Material spielt und zum anderen sieht man dem Quintett die Freude an. Ehrlichgesagt bin ich etwas erstaunt, dass das junge Publikum (zum Großteil Mädels zwischen 15 und 18) so viel Spaß am Gig der Truppe hat. Der sentimentale Unteton der Songs hat nix mit dem Popappeal von NECK DEEP oder ALL TIME LOW zu tun. Naja, umso besser für REAL FRIENDS hier ein paar neue Freunde finden zu können.

 

NECK DEEP hat dagegen leichtes Spiel. Mit dem Debütalbum "Wishful Thinking", welches Anfang 2014 erschien, konnte man sich schnell und ohne ausgiebig durch das europäische Festland zu touren viele Fans verschaffen. Etwa 40 Minuten lang haben die Briten die Gelgenheit ihre Abstinenz zu entschuldigen. Mit 'Wishful Thinking' legen die Pop Punker von der Insel ordentlich los. Die Fans sind scheinbar sofort begeistert und kreischen so viel die jugendlichen Lungen hergeben. Mich besorgt eher der extrem gekrümmte Rücken von Sänger Ben Barlow. Einen Termin beim Orhtopäden wird der Kerl wohl definitiv in den nächsten Jahren brauchen. Gesanglich kann er zwar auch nicht punkten, dafür klingt er zu bemüht, aber seine Performance ist gut.

Die Mädels im Publikum haben beinahe 25 endlose Minuten warten müssen bis ihr Lieblings-YouTube-Video 'Part of Me' gespielt wird. Die zuckersüße Teenager-Akustiknummer erquickt besonders die ersten Reihen und die Dame, die auf dem Rücken ihres Freundes oben rum blank zieht. Also sowas habe ich nicht mal bei MÖTLEY CRÜE oder GUNS N' ROSES gesehen. Aber gerade wegen dieser Begeisterung bin ich von der schwachen Publikumsbeteiligung beim Gesang enttäuscht. Der weibliche Gesangspart wird dem sehr zaghaften Kölner Publikum überlassen. In Kombination mit dem Busenblitzer ist NECK DEEP einen Moment sichtlich irritiert. Das restliche Set wird dann jedoch wieder routiniert gespielt und kann mich überzeugen - auch wenn es für den Gesang Punktabzug gibt. Allerdings gaukeln die Releases der Briten ebenso wenig vor, dass Barlow ein guter Sänger wäre. Irgendwo war seine Gesangsleistung also zu erwarten.

 

Besser singen kann jedoch Alex Gaskarth von ALL TIME LOW. Mit 'Lost In Stereo' und 'Stella' legt die Band mit zwei alten Krachern los. Den Zuschauern scheint es zu gefallen und diese quittieren die Begeisterung mit mächtig guter Laune, lautstarkem Mitsingen und einem netten Pit.

Man merkt, dass die Show der Amerikaner mittlerweile auf größere Hallen ausgerichtet ist. Die Banner sind größer, die Lichtshow beeindrucker sowie vielseitiger und die neueren Songs sind auf viel Publikumsbeteiligung ausgelegt. Gaskarth und seine drei Kameraden (plus einem Musiker, der hinter den Amps stehen darf) haben sichtlich Spaß an dem Gig. Allerdings ist es schwierig zu sagen, ob die stets gute Laune nicht mittlerweile genauso Teil des Jobs ist, wie versaute Witze auf der Bühne zu erzählen ("I'm a sleeping prince and I need a blowjob to wake up!"). Wie auch immer: Die Anwesenden haben Spaß.

Die Setlist basiert besonders auf dem letzten Album "Don't Panic" und "Nothing Personal". Immerhin gibt es zwei Songs von "Dirty Work" und ebenso zwei neue vom noch nicht veröffentlichten "Future Hearts" auf die Ohren. Einzig 'Dear Maria (Count Me In)' stammt vom grandiosen Debütalbum. Zu 'Time-Bomb' dürfen sogar ein paar Mädels auf der Bühne Alibi-mäßig mitsingen und den Musikern die Hand schütteln. Sicherlich ein Highlight in der Facebook-Chronik oder bei Instragram. #omg

Nach einer Stunde verabschiedet sich das Quartett, doch erscheint nur wenige Augenblick später für den Zugabenteil. 'The Reckless and the Brave' eröffnet diesen mit ordentlich viel Schwung. Es folgen Verneigungen von GREEN DAY und SUM41, die kurz angespielt werden, bevor besagtes 'Dear Maria (Count Me In)' die 70 minütige Show beendet. Man darf gespannt sein, wie die Reise für ALL TIME LOW weiter geht. Immerhin könnte diese Band doch noch ziemlich groß werden.

Redakteur:
Sebastian Berning

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