Rage, Nightwish - Ludwigsburg
28.10.2000 | 08:2812.12.1999, Rockfabrik
EXUMER
Die erste Band in diesem Jahr ist für mich EXUMER. Das teutonische Thrash-Urgestein um Sänger Mem Von Stein hat vor drei Jahren mit dem appetitlichen Reunion-Album "Fire And Damnation" bei mir einen positiven Eindruck hinterlassen, nachdem ich die Band zwei Dekaden lang nicht auf dem Plattenteller hatte. Außer Meister Mem ist von den alten Hasen lediglich Gitarrist Ray Mensh aktuell mit von der Partie. Als die Band die Bühne entert, ist der Platz vor der Scheune recht gut gefüllt. Offenbar herrscht ein reges Interesse am aktuellen Treiben der einstmaligen Thrash-Helden. Auch wenn der Sound anfänglich etwas matschig ist, geht die Truppe gleich amtlich nach vorne los. Dabei macht vor allem das bedrohlich wirkende Stageacting von Mem Von Stein einiges her. Der glatzköpfige Muskelmann hat die Mimik eines psychopathischen Massenmörders und unterstreicht die thrash-typischen Lyriks mit entsprechend vehementer Gestik. Ein echter Hingucker. Musikalisch bietet man einen Querschnitt aus den beiden Alben, an denen er mitgewirkt hat. Das bedeutet: Wir hören keinen Song vom zweiten Album "Rising From The Sea", welches damals Paul Arakaki eingesungen hat. Natürlich muss man heute unwillkürlich immer mal wieder schmunzeln, wenn man die sehr deutlichen Slayer-Zitate im Riffing hört, aber zeitgeistlich betrachtet fühlt man sich damit einfach heimisch. Allerdings scheint mir die Rhythmus-Sektion gelegentlich etwas untight zu agieren. Stört mich das? Nicht wirklich, denn im Hier und Jetzt fühle ich mich von EXUMER sehr gut unterhalten. Somit darf ich die Truppe als gelungenen Auftakt für mich verbuchen. Weiter thrashen!
[Holger Andrae]
THRESHOLD
Hatte ich im Vorfeld aufgrund der schlechten Publikumsreaktionen bei FATES WARNING vor ein paar Jahren leichte Bedenken, dass die Band an diesem Festival eventuell fehl besetzt sein könnte, wurde ich bereits bei den ersten Tönen von 'Slipstream' eines Besseren belehrt. Bei exzellentem Wetter fährt das britische Gute-Laune-Kommande namens THRESHOLD von der ersten Minute an in aufschäumenden Euphoriewogen. Ich hätte es mir eigentlich denken können, denn im Gegensatz zu ihren oben erwähnten Artgenossen braten die Herren Groom und Morten testamentarische Knüller-Riffs ins Publikum und Wunderwaffe Damian Wilson strahlt von Beginn an die Sonne aus dem Popo. Dem Charme dieses Frontmannes kann man sich einfach nicht entziehen. Geht nicht. Er hat das Publikum eigentlich schon während des kurzen Soundchecks mit seinem Humor erobert. 'You can hear me only by the sound of the monitors? A good sign!" Herrlich!
Das absolute Hochlicht des kurzweiligen Potpourris ist die wahnsinnige Version des Putenpelle-Knallers 'Pilot In The Sky Of Dreams'. Mitten im Song bittet Damian das Publikum um eine Wall Of Death. Ja, richtig gelesen. Ich erwähnte seinen Humor schon, didn't I? Er teilt also die Menge und bildet in der Mitte einen langen "Graben", in den er hinab steigt, um einen Teil des Songs unter den Fans zum Besten zu geben. Fannnähe wird bei THRESHOLD sehr groß geschrieben. Mit solchen Aktion sammelt man natürlich mächtig Pluspunkte. So entwickelt sich der Gig der Briten zum Triumphzug der progressiven, guten Laune. Das geht so weit, dass ein doomig gepolter Kollege während des Auftrittes offenbar im siebenten Himmel luftmusiziert und Nachbarn liebkost, was obendrein dermaßen ansteckend ist, dass die Spielzeit wie im Flug vergeht. Als mir besagter Doomster hinterher erzählt, dass er vorher nicht einen Ton der Band kannte, zeugt von deren Livequalitäten. Bombe!
Setlist: Slipstream; Turned To Dust; Pilot In The Sky Of Dreams; Mission Profile; Unforgiven;Watchtower On The Moon; The Rubicon; Ashes
[Holger Andrae]
- Redakteur:
- Holger Andrae