Rage, Nightwish - Ludwigsburg

28.10.2000 | 08:28

12.12.1999, Rockfabrik

BLITZKRIEG
Weiter im Takt geht es mit einem NWoBHM-Urgestein: BLITZKRIEG. Die Band um Sänger Brian Ross liefert seit mehr als drei Dekaden erstklassigen Heavy Metal britischer Spielart, der sich niemals irgendeinem Trend angebiedert hat und der etliche Klassiker hervor gebracht hat. Entsprechend euphorisiert bin ich vor dem Auftritt. Obwohl die Band mit dem exzellenten 'Inferno' einen großartigen Song als Einstieg gewählt hat, will bei mir nicht gleich wirkliche Begeisterung aufkommen. Woran es genau liegt, kann ich gar nicht genau sagen: Brian singt wie immer grandios und auch die Band ist gut gelaunt unterwegs. Trotzdem will bei mir zunächst der berühmte Funke nicht rüber springen. Brian erklärt dann, dass wir in diesem Jahr das 30jährige Jubiläum des ersten BLITZKRIEG-Albums "A Time Of Changes" feiern und dass sie daher möglichst viele Songs von eben jenem Longplayer spielen werden. Das hebt meine Stimmung, denn auf dieser Ansammlung musikalischer Wunderbarkeit, gibt es keine schlechte Nummer. So spielt das Quintett im weiteren Verlauf noch neben 'Hell To Pay', dem unvergänglichem Immergrün 'Blitzkrieg', sogar das noch nie live gespielte Titelstück des Albums. Das ist natürlich eine sehr runde Angelegenheit, die extrem viel Freude bereitet. Zwischendurch spielt die Band aber auch Nummern des aktuellen Albums "Back From Hell". Hierbei sticht rein visuell natürlich 'V' heraus, eine Nummer über den gleichnamigen Film "V-Wie Vendetta". Mister Ross spielt in dieser Nummer mit einer Maske herum, die der Psychopath in eben jenem Streifen immer trägt. Nicht jeder scheint allerdings den Sinn dieses Maskenballes zu verstehen, was einige Fragezeichen im Publikum erklärt. Naturgemäß gibt es auch die SATAN-Nummer 'Pull The Trigger', die am ehesten aufzeigt, weshalb ich die andere Band mit Brian Ross mehr schätze. Irgendwie klingt die Version von BLITZKRIEG weniger spritzig und ein kleines bisschen hüftsteif, während die Kollegen vom gehörten Huftier selbst so eine Mitsing-Nummer immer mit dem nötigen Esprit darbieten. Klar, nicht jede hat ein Gitarrendoppel der Marke Tippins/Ramsey in seinen Reihen, aber hier zeigen sich dann halt die deutlichsten Unterschiede. Das finale Doppel bilden dann die beiden Single-Songs 'Burried Alive' und das bereits erwähnte 'Blitzkrieg', welches von einigen Hundert Kehlen lautstark mit gesungen wird. Daher kann ich resümierend doch noch von einem gelungenen Auftritt von BLITZKRIEG reden.

[Holger Andrae]

 

IRON ANGEL
Wie lange ist das denn her? Die einstmaligen Lokalmatadore IRON ANGEL habe ich das letzte Mal im Vorprogramm von KING DIAMOND live gesehen. Auf der "Fatal Portrait"-Tour am 27.05.1985. Ich mochte die Truppe damals gern, was vielleicht auch daran lag, dass sie eben aus dem Hamburger Umfeld stammte und ein gewisser Lokalpatriotismus nicht von der Hand zu weisen ist. Aber der gelegentlich von okkulten Texten auf Böse getrimmte (Thrash)Metal, in dem es von JUDAS-PRIEST-Zitaten nur so wimmelte, gefiel mir auch musikalisch sehr gut. Seit der Reunion ist nach Weggang von Drummer Mike Mattes mit Sänger Dirk Schröder lediglich ein Originalmitglied mit von der Partie. So etwas hat in der Regel einen etwas faden Beigeschmack, aber man darf in diesem Fall nicht vergessen, dass die beiden damaligen Klampfer Peter Wittke und Sven Strüven nicht mehr unter uns weilen. So stehe ich mit etwas gemischten Gefühlen vor der Scheunenbühne und harre der Dinge, die nun passieren werden. Die Truppe, zu der neuerdings auch Didy Mackel (bs.; ex MANIA, NOT FRAGILE) gehört, klingt mir während der ersten Songs etwas zu zahm, was aber auch an meinem leicht verklärten Erinnerungsvermögen bezüglich der Härte der alten Kamellen liegen mag. Heute klingt das irgendwie rock'n'rolliger, was mich aber wenig stört. Die wunderbar schrägen Ansagen von Herrn Schröder entschädigen für vieles. Der Mann bubbelt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Vielleicht muss man diesen nordischen Schnodderton kenenn, um das cool zu finden, aber ich sehe etliche breit grinsende Gesichter, wenn er zwischen den Songs immer wieder staunend von sich gibt, dass wir der Wahnsinn seien. Aber zurück zur Musik: Erst als die Herrschaften den Gassenhauer 'The Metallian' raus hauen passt für mich auch Härtefaktor. Ab jetzt ist mein Kopf stetig am Wackeln und ich spüre, dass das Zeitreise-Modul eingeschaltet wurde. Sehr fein. Zum Glück bleibt es auch so gut, denn Nummern wie 'Rush Of Power' oder 'Heavy Metal Soldiers' machen einfach auch 30 Jahre nach ihrem Entstehen noch Laune. Dirk amüsiert sich darüber, dass offenbar etliche Zuschauer in den ersten Reihen noch textfest sind und wird immer fassungsloser. Als die Band dann schlussendlich mit 'Stronger Than Steel' ihre Bandhymne auspackt feiern tatsächlich alle Anwesenden akustisch mit: "IRON ANGEL – Stronger Than Steel". So kann man abschließend von einem extrem kurzweiligen Auftritt reden, der sehr viel Spaß gemacht hat. Dass die gesanglichen Fähigkeiten von Dirk Schröder nicht mehr die allerbesten sind hat mich dabei genau so wenig gestört, wie der Umstand, dass die beiden Gitarristen etwas statisch wirkten. Diesen Malus bügelt der immer gut gelaunte Mister Mackel locker glatt. Ich bin jedenfalls gespannt, ob und was da an neuem Material kommen wird. Daumen hoch.

[Holger Andrae]

 

FLOTSAM & JETSAM
Man muss kein Prophet, um zu ahnen, dass ein Headliner-Gig des Arizona-Quintetts eigentlich nur einem Triumphzug gleich kommen kann. Meine letzte livehaftige Begegnung mit dieser living legend war auf dem letztjährigen KEEP-IT-TRUE-Festival und auch dort hat die Band so ziemlich jede andere an die Wand gespielt. Der heutige Einstieg mit 'Doomsday For The Deceiver' lässt mal so eben meinen Adrenalinspiegel zersplittern und gefühlte Eintausend Luftgitarren tackern. Was für ein Auftakt! Allen voran überzeugt Frontmann Eric AK sofort durch eine stimmliche Superleistung, aber auch Aktivposten Numero Zwo – namentlich Basser Michael Spencer – stachelt das Publikum von Beginn an zu Höchstleistungen an. Dies ist eigentlich völlig überflüssig, denn der Garten brennt nach wenigen Minuten schon lichterloh. Weiter im Takt geht es mit dem Rübenspalter 'Descecrator' und 'Dreams Of Death'. Der Sound ist gut, wenn auch verdammt laut. Man sieht der gesamten Band den Spaß an der Sache an. Da wirkt nicht aufgesetzt, das ist echte Freude an der Musik. Im weiteren Verlauf des regulären Sets gibt es dann nur noch Nummern der ersten beiden Alben, mit denen man natürlich wenig bis gar nichts falsch machen kann. Allerdings fände ich es tatsächlich etwas cooler, wenn man auch mal vereinzelte Nummern der anderen Großtaten aus dem Köcher ziehen würde. Sicher, 'Der Führer' oder 'Iron Tears' entfachen auch in meinem Hintern einen Hummelsturm, aber so ganz langsam wäre es an der Zeit, mal etwas Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Irgendwann ist das beste Konzert zu Ende und so verabschieden sich die sympathischen Burschen viel zu früh von der Gartengemeinde. Allerdings nur, um schnell für eine Zugabe zurück zu kehren. Als könnten sie meine Gedanken lesen, ist die erste Nummer das ungewöhnlich gewählte 'Suffer The Masses' vom ungeliebten dritten Album. Bin ich anfänglich noch etwas skeptisch, so holt mich das Gitarrendoppel Steven Conley/Michael Gilbert mit seinem mitreißenden Ramtamtam-Riffing auch in dieser Nummer ab. Heimisches Nachhören am Sonntag ergibt übrigens, dass ich die Scheibe mal wieder häufiger hören sollte. Das nur am Rande. Bei nun folgt erzeugt bei mir ein breites Grinsen und ich wünsche mir den Kollegen Jäger bei mir. Weshalb? Nun, die Jungs spielen zuerst das famose 'Sweating At Flies' von gnadenlos unterschätzten "Cuatro"-Wunderwerk und beschließen den Set mit dem Überhammer 'Smoked Out' von "Drift". Exakt diese beiden Songs hatten wir uns in unserem Bericht zum letztjährigen KIT-Festival gewünscht. Ob man uns doch manchmal liest? Man weiß es nicht. In diesem Moment ist mir das auch relativ wumpe und ich schraube mir amtlich die Rübe vom Schädel. Was für eine grandiose Überraschung! Der totale Wahnsinn! In dieser Form darf die Band noch lange weiter machen. Daumen und dicke Zehen hoch!

[Holger Andrae]

Redakteur:
Holger Andrae

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