Rock Hard Festival 2023: Der Bericht - Gelsenkirchen

04.06.2023 | 00:40

26.05.2023, Amphitheater

Ein rundum geglücktes Pfingstwochenende

DISCHARGE und EXODUS raus, VOIVOD und SODOM rein. Zudem darf NESTOR später ran und alles verschiebt sich ohnehin nach vorne, nach hinten und kreuz und quer durcheinander. Doch am Morgen des 27. Mai steht die Running Order.

MIDNIGHT RIDER: 12:30 Uhr - 13:10 Uhr

Den 40-minütigen Start an diesem etwas durcheinandergewürfelten Samstag machen die Mittelrheinländer von MIDNIGHT RIDER. Obwohl die Jungs erst zwei Alben auf der Habenseite wissen, können Gitarrist Blumi und Bassist Cliff doch auf eine längere Karriere zurückblicken, haben die einstigen METAL INQUISITOR-Musiker doch den Mitternachtsfahrer zu ihrer Hauptspielwiese erkoren. So gibt es schon früh am Vormittag bei wirklich bestem Wetter und dem ersten und bisweilen nicht letzten Calippo Cola doch feinste Heavy-Rock-Töne, die auch eine amtliche Menge an Zuschauer vor die Bühne locken. Für knackige, traditionelle Klänge ist der Festivalbesucher also schon früh aus dem Zelt gekrochen und darf sich neben dem aktuellen Titelstück 'Beyond The Blood Red Horizon' und 'Intruder' auch an der Hommage an Lemmy und David Bowie 'Heroes And Speedfreaks' erfreuen. Ein guter Sound, beste Stimmung, ein toller Auftakt in einen noch tolleren Tag, der mit MIDNIGHT RIDER einen fürstlichen Beginn genießt. Auch bei der darauffolgenden Autogrammstunde gibt sich MIDNIGHT RIDER genau so wie ich die Band auf der heutigen Bühne live kennenlernen durfte: sympathisch, bodenständig und cool wie eine Hundeschnauze.

[Marcel Rapp]

KNIFE: 13:30 Uhr - 14:10 Uhr

Nach diesem hardrockigen Auftakt von MIDNIGHT RIDER wird es etwas zackiger, frecher und giftiger. Irgendwo zwischen DESASTER und WITCHBURNER auf der einen, MOTÖRHEAD und MIDNIGHT auf der anderen Seite rumoren die Marburger von KNIFE seit 2019 im Underground und haben es zu meiner großen Freude nun endlich auf die große Bühne des Amphitheaters geschafft. Es wurde auch allerhöchste Zeit, meine Herren! Mit Spaß in den Backen, Galle und Geifer im Speichel und einer Crowd, die in der prallen Mittagshitze Bock auf noch mehr heißen Scheiß hat, entert das Quartett Infernale – Gypsy Danger am Tieftöner, Schießbudenexperte Ferli Thielmann, Klampfmeister Laz und Frontkeifer Vince Nihil – die heiligen Bretter Gelsenkirchens und legt los wie die Feuerwehr. Die VENOMschen und BATHORY-lastigen Einflüsse kommen nicht von ungefähr, Songs wie 'I Am The Priest', 'Black Leather Hounds' oder auch die Bandhymne 'K.N.I.F.E.' machen unter der prallen Sonne Gelsenkirchens enormen Spaß, sorgen für Wirbel und Bewegung vor der Bühne und auf den Rängen, der räudige Sound ist superb, die Band mega engagiert und das BATHORY-Cover zu 'Sacrifice' passt wie die berühmte Faust aufs Auge. Das gefällt den Zuschauern vor der Bühne, die die Band lautstark abfeiern und dank ihrer Euphorie auch so manchen Tribünenstammplatzhalter nach vorne an die Front treiben. Der KNIFE-Auftritt jedenfalls ist einfach viel zu schnell vorbei und macht Appetit auf mehr. Jungs, kommt bald und schnell wieder!

[Marcel Rapp]

DEPRESSIVE AGE: 14:30 Uhr - 15:20 Uhr

1992 habe ich DEPRESSIVE AGE zum ersten Mal gesehen. Damals im Vorprogramm von SODOM. Ich war sehr enttäuscht, dass DARK MILLENIUM abgesagt hatte, die Band sollte den Opener machen. Die Berliner DEPRESSIVE AGE haben mich damals wie heute nicht beeindruckt, was an der musikalischen Ausrichtung der Band festzumachen ist. Die Mischung aus Thrash-Metal und progressiven Elementen bekommen nur wenige hin, wie VOIVOD oder VEKTOR. Hier, vor allem bei Tageslicht, greift das Konzept von DEPRESSIVE AGE nicht. Als Randnotiz wirft das Outfit von Sänger Jan Lubitzki eine Menge Fragezeichen auf. Was hat der Mann da an? Kurze Hose und nach vorne offene, hohe Stiefel? Ich weiß, es geht primär um die Musik, aber das Auge rockt halt mit (oder auch nicht). Trotz des gewöhnungsbedürftigen Outfits kommen Songs wie 'Berlin' aber bei weitem nicht so zwingend daher wie gewünscht und verpuffen recht lautlos im Auditorium (wie u.a. auch 'Lying In Wait' oder 'Electric Scum'). Für mich bislang der schwächste Gig des Festivals, was wohl auch viele Fans so sehen, da es vor der Bühne recht überschaubar ist. Vielleicht verstehe ich die Musik auch nach einunddreißig Jahren einfach immer noch nicht.

[Colin Büttner]

VOIVOD: 15.40 Uhr - 16:35 Uhr

Wie man es dann besser macht, zeigen die Kanadier von VOIVOD hernach eindrucksvoll. Mit 'Killing Technology' und 'Obsolete Beings' starten die Ahornblätter famos in die Show. VOIVOD hat das gleiche Problem, wie andere (noch) größere Bans. Sie haben einfach zu viele sehr gute Alben gemacht und da ist es schwierig alle Phasen der Band unter einen Hut zu bringen. Zumindest versucht VOIVOD die Wünsche der Fans innerhalb einer knapp bemessenen Spielzeit zu erfüllen. Was macht eine sehr gute Band aus? Dass sie keinen Song deiner Lieblingsplatte spielt und trotzdem einen exquisiten Auftritt hinlegt. Mit 'Thrashing Rage', dem Highlight 'Macrosolutions To Megaproblems' und dem unverwüstlichen 'Voivod' wird tatsächlich richtig tief in der Mottenkiste gegraben und 'Rebel Robot' wird dem verstorbenen Gitarristen Piggy und ex-Basser Jason Newsted gewidmet. Eine schöne Geste. Insgesamt gibt es überhaupt nichts an dem Gig auszusetzen, was wohl auch die Fans so sehen, denn die Band wird mit Sprechchören gefeiert. Grandioser Auftritt von VOIVOD, keine Frage.

[Colin Büttner]

Und wieder eine Band, die auf den letzten Drücker nachrückt und ihre Sache sowas von richtig macht! Klammheimlich habe ich damit gerechnet, noch mehr aber gehofft, dass es VOIVOD noch irgendwie auf das "Rock Hard"-Festival schafft und hier ist die Band nun und verwöhnt ihre Anhängerschaft vor der Bühne und auf der Tribüne mit Erste-Sahne-Material der progressiv-thrashigen und leicht verrückten Art. Ich kann verstehen, weshalb es manchem Zuschauer etwas zu chaotisch wird, doch als Fan wird man noch Tage später von diesem Auftritt schwärmen, der mit 'Rebel Robot', 'Holographic Thinking' und 'Sleeves Off' auch meine Lieblingsstücke dieser Band miteinfließen lässt. So oder so punktet VOIVOD auf ganzer Linie und ist ein mehr als würdiger Ersatz für DISCHARGE.

[Marcel Rapp]

BRIAN DOWNEY'S ALIVE AND DANGEROUS: 17:00 Uhr - 18:00 Uhr

Jetzt wird es geschichtsträchtig. Denn um 17 Uhr betritt mit Brian Downey nicht nur ein Gründungsmitglied von THIN LIZZY, sondern gleichzeitig auch der lebenslange musikalische Begleiter des legendären Phil Lynott die Bühne des Amphitheaters. Unter dem Namen BRIAN DOWNEY'S ALIVE AND DANGEROUS lässt der Drummer mit dem einzigartigen Groove gemeinsam mit Topmusikern der irischen Szene das legendäre 1978er Meisterwerk THIN LIZZYs wieder aufleben.
Und so mancher reibt sich ob des Bassisten und Sängers Matt Wilson ungläubig die Augen, denn erstaunlich passend versprüht er optisch wie musikalisch authentisch den Vibe des 1986 verstorbenen Ausnahmemusikers. Die Sonne strahlt, das Hardrock-Herz bekommt die komplette Vollbedienung mit 'Emerald', 'Jailbreak' und 'Rosalie' gleich vom Fleck weg und eigentlich hätte dieses Festivalhighlight auch mindestens gerne als Co-Headliner herhalten dürfen. Denn wesentlich voller wird das Theater leider nicht. Das tut der Stimmung vor der Bühne jedoch keinen Abbruch, denn Downeys Spieltruppe zeigt sich spielfreudig, das Publikum wird mit weiteren unsterblichen Klassikern wie 'Still In Love With You' und 'The Boys Are Back In Town' verwöhnt und das sonnendurchflutete Amphitheater mit einem ganz besonderen Spirit beglückt. Das hat in der Vergangenheit hier schon zweimal gut funktioniert und kommt auch beim dritten Hit-Ansturm gut an. Aber ist den Bühnenprotagonisten in ihren Jacken nicht unfassbar warm? Gott, schon beim Anblick schmelze ich vor mich hin, doch der coole, frische Vibe der ALIVE AND DANGEROUS-Truppe weiß dies auch am Ende mit den Klassikern unter den Klassikern 'Black Rose' und einem superben 'Whiskey In The Jar' gerade noch so zu verhindern. Puh, denn für den folgenden Act brauche ich all meine Kräfte.

[Marcel Rapp]

NESTOR: 18:25 Uhr - 19:15 Uhr

Herrlich, NESTOR bekommt einen späteren und deshalb auch besseren, weil längeren Platz im Samstagsbilling. Um 18:25 Uhr erklingen die ersten Keyboard-Sounds, das Amphitheater hat Bock auf eine wohlige Prise 80er-Jahre-Reminiszenz. Die Sonne brennt, die Gerstensäfte fließen und diese wunderbar nostalgischen Klänge längst vergangener Zeiten sorgen samt bunter Halstücher am Mikrofonständer für einen wunderbaren Flair.
Oh ja, NESTOR is bringing back the 80's und wenn man bislang auch nur ein Album auf der Habenseite hat, diese Band aus dem schwedischen Falköping lockt doch eine amtliche, neugierige Meute vor die Bühne. Mit dem Titelstück eröffnen Frontmann Tobias und seine Mannen ihr sonnendurchflutetes Set, haben ab der ersten Sekunde die Zuschauer auf ihrer Seite und servieren mit 'Stone Cold Eyes', 'These Days' und der Hommage an Demi Moore 'Perfect 10' doch Erste-Sahne-Material, was uns alle über beide Bäckchen grinsen lässt. Nach lautem Applaus wird die Freude noch größer, als Tobi ankündigt die Polizei rufen zu wollen. Ohja, 'On The Run' – hat Tobi seinem Gitarristen dabei die Nase geklaut?! - ist ein unbezwingbarer Ohrwurm-Endgegner, ein strahlender Sonnenschein im tiefsten Winter und solch ein Dosenöffner, dass sich dem Refrain auch heute keiner entziehen kann. Danach darf mit 'Tomorrow' und einer sehr starken, weiblichen Stimme gekuschelt werden, 'Signed In Blood' und 'Firesign' lassen müde Männer nochmals munter werden und '1989' ist neben 'On The Run' DIE Hymne auf "Kids In A Ghost Town", die auch live bestens funktioniert. Danach ist leider viel zu schnell Schluss, doch… halt, stop! Warte! Eine Nummer geht noch und die lässt auch den beinhärtesten Metaller strahlen, denn mit 'I Wanna Dance With Somebody' lässt die sehr glücklich wirkende Band noch einmal die Tanzbeine ihrer Fans schwingen, die an der Bierbude das extrem catchige WHITNEY HOUSTON-Cover noch weiter fröhlich weitersingen. Das hat sich doch mal gelohnt, meine Herren!

[Marcel Rapp]

SODOM: 19:45 Uhr - 21:00 Uhr

EXODUS sollte ursprünglich regeln und SODOM hat geregelt! Und wie! Ein kleines Vorwort, bevor ich zum eigentlichen Auftritt komme. Auch uns sind die durchaus kritischen Worte nach der Absage EXODUS' und der damit verbundenen Ankündigung SODOMs nicht entgangen. Doch sind wir einmal ehrlich: Festivals wie das "Bang Your Head" oder "Nord Open Air" müssen auch aus finanziellen Gründen abgesagt werden, die Kosten überschlagen sich und wenn eine Band wie jenes Bay-Area-Urgestein fünf Tage vor Beginn des Festivals die komplette Europatournee canceln muss, müssen die Verantwortlichen des "Rock Hard"-Festivals schnell und vernünftig handeln. Und das haben sie mit Bravour und Köpfchen gemacht und holten eine Band, die man nicht extra anreisen lassen muss, sich im bezahlbaren Rahmen hält, stilistisch nicht allzu weit entfernt herumthrasht, an diesem Wochenende auch Zeit, Lust und die gewisse Organisation mitbringt und auch gerne zum wiederholten Male das Amphitheater in Schutt und Asche legt. Daher gebührt an dieser Stelle dem kompletten Festivalteam sowie der kompletten SODOM-Crew ein großes Dankeschön, dass der EXODUS-Gig nicht ersatzlos gestrichen wurde. Das wäre nämlich auch eine Möglichkeit gewesen.

Und wie gut diese Entscheidung letztendlich war, zeigt sich an der Menge der thrash-wütigen Zuschauer, die sich bis in die hintersten Reihen des Amphitheaters drängeln, um den SODOM-Gig zu verfolgen. Mit Bier, Bratwurst und Bock gerüstet, lauschen wir um 19:45 Uhr den ersten Tönen SODOMs und werden von Beginn an vor Wucht, Spielfreude und der "jetzt erst recht"-Mentalität förmlich vor die Band geblasen. Ein guter, drückender Sound, eine bomben(hagel)sichere Songauswahl und ein Herr Angelripper, der seine Anhängerschaft ab der ersten Sekunde fest im Griff hat. Das Anfangsbombardement – 'Nuclear Winter', 'Sodom & Gomorrah', 'Outbreak Of Evil' und 'Sodomy And Lust' – ballern wie Bolle und mit dem "Partisan"-Dampfhammer 'Conflagration' sowie 'Book Burning' von der mächtigen "Code Red"-Scheibe haben die vier Jungs auch kleine Überraschungen am Start, die sehr gut mit den alteingesessenen Brechern harmonieren. Dabei wirken vor allem ob der kurzfristigen Planung Frank, Yorck und Toni sehr gut aufeinander eingegroovt, während Tom die Flagge SODOMs unermüdlich hochhält. Während das Urgestein die letzten Male im Dunkeln und bei strömendem Regen die Anhängerschaft verwöhnen musste, sorgen nun sommerliche Temperaturen sowie die TANK-Hommage 'Don't Walk Away' für den kürzlich verstorbenen Algy Ward für das gewisse Extra, während das unermüdliche 'Agent Orange'-Spektakel, die 'Caligula'-Bestie und die Uralt-Perlen 'Equinox' sowie 'Blasphemer' die Old-School-Fans nur noch mehr in die Eskalation treiben. In den vordersten Reihen haben Moshpits die Situation felsenfest im Griff und selbst mit seiner Erfahrung treibt es Tom immer wieder ein Grinsen ins Gesicht, wenn er sieht, welche tobenden und tosenden Auswirkungen die SODOM-Songs auf das Publikum haben. Mit der 'Incest'-Abrissbirne – starker Mittelpart! – und dem 'Bombenhagel'-Abschluss verlässt das SODOM-Ensemble kaputt, aber zufrieden die Bühne, wird lautstark gefeiert und darf sich an der Bierbude ein dickes, fettes Fleißkärtchen abholen. Ehrlicherweise weiß ich nicht, ob die eigentliche Planung die gleiche beeindruckende Menge an Zuschauern vor die Bühne gelockt hätte und in Anbetracht dieser Tatsache waren Tom und Co. ein mehr als würdiger Ersatz für EXODUS.

[Marcel Rapp]

TESTAMENT: 21:30 Uhr - 23:00 Uhr

Vollkatastrophe. Es gibt leider kein anderes Wort für diesen Auftritt. Fairerweise muss ich sagen, dass TESTAMENT dafür (fast) gar keine Schuld trifft, denn diese Show hat der Soundmann komplett zu verantworten. Da machen die Herren dreißig Minuten einen Soundcheck, bei dem die Gitarren braten und große Vorfreude auf das kommende Thrashgewitter wecken, und dann sind ab Sekunde eins von 'Rise Up' weder Eric Petersen noch Phil Demmel, der als Ersatz für den familiär verhinderten Alex Skolnick einspringen musste, auf der Anlage. Selbst Chucks Gesang kann das weite Rund nur erahnen. Bereits während den folgenden 'The New Order', 'The Preacher' und 'Practice What You Preach' skandieren die Fans mehrfach "louder, louder" und machen ihrem Unmut durch unmissverständliche Handbewegungen in Richtung FOH-Platz deutlich. Was soll ich sagen? Es wird noch schlimmer. Nachdem der Lautstärkeregler nun endlich gefunden wurde, übersteuert alles und schmerzt einfach nur noch in den Ohren. Songs wie 'Children Of The Next Level', 'WWIII' und 'DNR' verkommen fast zur Unkenntlichkeit. Kein Wunder, dass sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt das Amphitheater massiv leert. Auch mir reicht es. Ich bin großer Fan der Band und verzeihe ihnen dementsprechend viel, aber selbst ich kann mir das Konzert nicht mehr weiter anschauen. Zu groß meine Enttäuschung und Wut. Und ja, die Band scheint tatsächlich nichts von diesem Soundfiasko mitbekommen zu haben. Trotzdem: Wenn man schon seinen eigenen Soundmann und sein eigenes Pult mitbringt, dann darf man auch mehr akustische Qualität erwarten. Leider ist das aber bei TESTAMENT schon seit vielen Jahren ein einschlägig bekanntes Problem. Liebes "Rock Hard", wenn ihr noch einmal diese großartige Band einladet, bitte verbietet ihnen das Mitbringen eines eigenen Technikers. Unfassbar.

[Chris Staubach]

Nachdem TESTAMENT bereits zwei Mal an gleicher Stelle spielen durfte, dabei aber beide Male einen grottigen Sound hatte, darf man sich auf den dritten Auftritt der amerikanischen Thrash-Legende freuen. Denn beim dritten Mal hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und will beim Publikum einiges gutmachen. Dafür hat die Band auch ein grandioses Bühnenbild mitgebracht und spart voraussichtlich auch nicht an Rauch und Nebel. Und die an den Frühwerken ausgerichtete Setlist mit einigen Schlenkern in die Neuzeit ist natürlich ebenso wenig zu verachten. So also treten die Mannen, die heute an Stelle von Alex Skolnick den VIO-LENCE-Gitarristen Phil Demmel am Start haben, zu einem Intro auf die Bühne, um mit dem "Dark Roots Of The Earth"-Opener 'Rise Up' in den Set zu starten. Erst einmal muss ich aber meinen Nachbarn um Ruhe bitten, damit ich etwas vom Song verstehe. Dieser sieht mich etwas wütend an und flüstert einfach weiter mit seinem Gesprächspartner. Obwohl, wenn man es genau nimmt, ist die Zimmerlautstärke aus den Boxen für die alten Ohren vielleicht gar nicht mal das schlechteste. Nun denn, dann hören wir doch einfach mal angestrengt weiter und freuen uns über den "The New Order"-Titeltrack, der zu uns herübersäuselt. Okay, manchmal hört man dann auch gar nix mehr bis auf das alles zudröhnende (also in Zimmerlautstärke) Schlagzeug und den Bass, so dass man sich auch über die folgenden 'The Preacher' und 'The Children Of The Next Level' eher ärgert als Spaß daran hat. Manche Soundleute finden eben nicht sofort den Lautstärkeregler, so dass es hier halt eben fünf Songs lang dauert, bis an selbigem mal in die richtige Richtung gedreht wird. Daher wird 'Practice What You Preach' zwar in beschissenem Soundgewand, dafür aber mal mit normaler Lautstärke dargeboten. Und wenn man schon mal dabei ist, regelt man einfach noch weiter, so dass der Klang beim folgenden 'WW3' dem Hörer mal eben fast die Ohren platzen lässt. Hohe Frequenzen bei garstiger Lautstärke = Spaß für die gesamte Familie. Bei 'D.N.R.' habe ich dann endgültig ein Fiepen im Ohr und kann nicht glauben, dass man ein grottiges Soundgewand über die gesamte Spielzeit noch weiter verschlimmern kann. 'Three Days In Darkness' allerdings beweist, dass dies ohne Probleme möglich ist. Mir ist es auch langsam vollkommen egal, dass Chuck Billy nicht seinen besten Tag erwischt hat, Phil die Leads und Soli in seiner eigenen Art gut, aber eben nicht nach Skolnick-Art runterleiert und die Setlist eigentlich schon verdammt toll ist. Für mich ist das Thema TESTAMENT live hiermit wohl endgültig beendet und so verlasse ich noch vor 'Over The Wall' zusammen mit einer ganzen Meute anderer enttäuschter Fans den Platz. Drei Mal dermaßen zu versagen, muss man auch erst mal hinkriegen. Daher mein Tipp: den mal wieder eigens mitgebrachten Soundmann feuern und für die Zukunft jemanden suchen, der nicht taub und komplett unfähig ist!

[Michael Meyer]

Hier kommt ihr zum Sonntag.

Redakteur:
Marcel Rapp

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