Rock Meets Classic 2015 - Frankfurt, Halle (Westf.)
29.04.2015 | 11:4429.03.2015, Jahrhunderthalle, Gerry Weber Stadion
Oldies but Goldies.
Bereits zum sechsten Mal findet dieses Jahr das ''Rock Meets Classic'' Spektakel statt. Zusammen mit dem Bohemian Symphony Orchestra aus Prag und der MAT SINNER BAND stehen im Laufe des Abends Ian Gillan (DEEP PUEPLE), Rick Parfitt (STATUS QUO), Eric Martin (MR. BIG), John Wetton (ASIA) und Marc Storace (KROKUS) auf der Bühne. Nicht zu vergessen als Special Guest: GIANNA NANNINI.
Nun gehören ja sowohl Gianna Nannini als auch die Herren nicht mehr zu den ganz jungen Spunden im Showgeschäft, da kommen schon einmal locker 376 Jahre zusammen (wenn ich mich nicht verrechnet habe). Aber rocken können sie alle noch auf Teufel komm raus.
Der Abend beginnt mit zwei Cellistinnen, die vor dem Vorhang, der das Orchester noch versteckt, 'Bohemian Rhapsody' von QUEEN spielen. Es kommen weitere Musiker dazu, der Vorhang hebt sich und die Rhapsodie geht in 'Thunderstruck' von AC/DC über. Zum nun komplett aufspielenden Orchester gesellt sich Marc Storace, ist allerdings nach einem Song - nämlich 'Long Stick Goes Boom' - auch schon wieder verschwunden.
Es geht aber direkt weiter mit John Wetton, der immerhin vier Hits von ASIA zum Besten gibt. Er beginnt mit 'Don't Cry', wobei die Füße schon im Takt mitwippen. Danach stellt er sich kurz vor: ''Ich bin John Wetton, von Wetten Dass!'' und hat dadurch direkt die Lacher auf seiner Seite. Darauf stimmt er 'The Smile Has Left Your Eyes', eine gefühlvolle Ballade fürs Herz, an. Mit 'Only Time Will Tell' wird es wieder rockiger und bei 'Heat Of The Moment' ist das Publikum endlich so richtig da.
Bassmann Mat Sinner betätigt sich natürlich auch als Ansager und unter viel Applaus beginnt Eric Martin mit 'Take Cover' seinen Part. Beim Cat Stevens-Cover 'Wild World' greift er auch selbst zur Gitarre und dann lässt er es nahtlos in 'Just Take My Heart' übergehen. Schön schmachtend. Standing Ovations gibt es jedoch für seinen Welthit 'To Be With You'. Da sind alle wieder ganz aus dem Häuschen. Bei diesem Lied sind die Background-Damen (Amanda Somerville, Kolinda Brozovic, Tiffany Kirkland) und der Background-Herr (Sascha Krebs) mal sehr schön im Vordergrund und zeigen, was sie können. Bei 'Green Tinted Sixties Mind' kann sich Herr Martin noch einmal so richtig auf der Bühne austoben.
Mit Dvořák's "Slawischer Tanz Nr. 1" darf das Bohemian Symphony Orchestra aus Prag zeigen, dass es auch ''richtig'' klassisch kann, bevor der diesjahrige ''Special Guest'' Gianna Nannini ihren Auftritt hat. Ich habe sie vor einigen Jahren in Ischgl gesehen und war damals ziemlich beeindruckt von ihrem coolen und rockigen Auftritt. Was soll ich sagen, die Frau hat nichts verlernt. Wie ein Wirbelwind fegt sie gleich beim ersten Song 'America' über die Bühne und hat die gleiche, kraftvolle, kratzig-rauchig-rockige Stimme wie eh und je. Zum Schluss gibt es sogar ein bisschen Pyro.
Natürlich darf auch der Klassiker vom ''Schönen und Unmöglichen'' nicht fehlen, der direkt anschließend folgt und vom Publikum lautstark abgefeiert wird. Danach bedankt sie sich bei Orchester, beim Dirigenten, den Backgroundsängern und bei Mat Sinner und seinen Mannen, hier speziell bei Keyboarder Jimmy. Sie erzählt auch noch etwas über den nächsten Song 'Dio e Morto', aber leider lässt mein Italienisch diesbezüglich doch sehr zu wünschen übrig. Beim 'Latin Lover' legt sich Frau Nannini noch einmal so richtig ins Zeug und tanzt wie ein kleiner Derwisch über die Bühne. Auch das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen.
Am Anfang von 'Volare' funktionieren die Streicher ihre Geigen als Paddeln um und später lässt es sich Dirigent Bernhard Wünsch nicht nehmen, gemeinsam mit Gianna das Publikum zum Mitsingen aufzufordern. Das klappt natürlich bei diesem Gassenhauer prima und schon gibt es am Ende wieder Standing Ovations.
Jetzt ist erst einmal eine kleine Erholungspause angesagt, bevor der zweite Teil mit der RMC-Band und dem MEAT LOAF Titel 'I Will Do Anything For Love' startet, dargeboten von dem fantastischen Sascha Krebs. Davor kommt noch der launige Spruch von Herrn Sinner: ''Jetzt ist Party angesagt, wenn ein Ordner kommt, ignoriert ihn!'' der ihm natürlich direkt einen Extra-Applaus einbringt. Und ab jetzt ist tatsächlich Party angesagt, denn noch bevor Rick Parfitt von STATUS QUO überhaupt einen Ton gespielt hat, gibt es direkt nach der Ansage schon Standing Ovations. 'Whatever You Want' ist natürlich auch ein genialer Einstieg, um das Publikum anzuheizen. Auf der Bühne agieren Gitarren und Bass ein bisschen STATUS QUO-like, indem sich vier Mann im Takt miteinander bewegen und dabei übers ganze Gesicht grinsen. Sie haben offensichtlich sehr viel Spaß an der Sache.
Rick erzählt zwischen den Stücken, dass er seine Lieblingssongs spielt und wann sie entstanden sind. Natürlich darf 'In The Army Now' nicht fehlen, bei dem alle begeistert mitgrölen und beim nachfolgenden Rocker 'Rain' lassen die Cellistinnen auch schon einmal ihre Instrumente kreisen. Auch bei 'Down, Down' hält es das Publikum nicht auf den Sitzen und beim - leider! - letzten Song 'Rocking All Over The World' sind alle völlig aus dem Häuschen und fordern sogar eine Zugabe.
Die bekommen wir zwar nicht, aber dafür können wir uns an dem wohlbekannten 'Also sprach Zarathustra' (von Richard Strauß) erfreuen, der nahtlos in die 'Mission Impossible' übergeht. Dabei tragen die Damen und Herren des Orchesters coole Hüte und noch coolere Sonenbrillen. Ganz herausragend ist übrigens eine tolle Querflötistin und so ist es nicht verwunderlich, dass auch das Orchester Standing Ovations bekommt.
Zum Abschluss dieses grandiosen Spektakels betritt sozusagen der ''Rockopa'' des Abends die Bühne. Rock-Urgestein Ian Gillan von DEEP PURPLE ist mit seinen 69 Jahren der älteste Teilnehmer, der das Haus rockt und jetzt sitzt wirklich niemand mehr auf seinem Platz. Er wird frenetisch bejubelt, als er auftaucht und legt direkt mit 'Highway Star' los. Nach 'Strange Kind Of Woman' erzählt er etwas von ''magischen Pilzen'' und diversen anderen Rauschmitteln, leider konnte ich mal wieder nicht alles verstehen, jedenfalls seien das alle nötigen Zutaten für ein perfektes Album gewesen und so sei 1984 'Perfect Strangers' entstanden. Nun ja, ein wenig psychedelisch klingt der Song schon, auch wenn die Keyboardpassage am Anfang sehr beeindruckend ist. Gekrönt wird das Ganze von einer Feuerleiste am Bühnenrand. Auch hier ist übrigens die Dame mit der Querflöte wieder sehr stark und hingebungsvoll im Einsatz. Zum Ende des Songs stehen die Zuschauer direkt vor der Bühne und ein paar Glückliche dürfen mit Ian Gillan abklatschen.
Die gefühlvolle Ballade 'When A Blind Man Cries', grandios untermalt vom Orchester und mit tollem Gitarrensolo von Alex Beyrodt, lässt Gänsehautstimmmung aufkommen. Das ändert sich jedoch gleich wieder bei 'Hush', wenn alle aufgefordert werden, mitzusingen. Der letzte Song entstand nach Aussage von Ian Gillan in einem Pub nach mehreren Bieren und leitet über zum bekannten 'Black Night'. Er endet spektakulär mit einem lauten Knall und der Konfettikanone und natürlich mit jeder Menge Applaus.
Natürlich fehlt noch das große Finale - was könnte es anderes sein, als das unverwüstliche 'Smoke On The Water'. Alle Künstler (außer Gianna Nannini) finden sich dazu noch einmal auf der Bühne ein, während drei riesige schwarze Luftballons mit der Aufschrift ''Rock Meets Classic'' über dem Publikum schweben und natürlich gerne durch die Luft geschlagen werden. Die Stimmung ist phänomenal, der Schlussapplaus riesig. Eine absolut gelungene Veranstaltung.
Addendum
Auch ich war auf dieser Tour, jedoch nicht in Frankfurt, sondern im westfälischen Halle. Dass ich mich überhaupt aufgemacht habe, war wohl weniger der Tatsache geschuldet, dass ich großer Anhänger einer oder mehrerer auftretender Künstler bin (dafür bin ich U30er wohl auch einfach zu jung), sondern ist eher von einem gespannten Grundinteressante an diesem Format geprägt gewesen. Ehrlich gesagt war ich jedoch äußerst skeptisch, ob diese rockende Klassik wirklich etwas taugt. Ein paar Alt-Stars, dazu ein routiniertes Profi-Orchester - vieles deutete für mich auf eine kompetent inszenierte, jedoch wenig berührende Veranstaltung hin. Des weiteren habe ich mit einem Blick auf die Sänger des Abends befürchtet, mich bis zum letzten Viertel möglicherweise gar zu langweilen.
Wenn man ein Konzert schon mit so einer Attitüde angeht, gibt es doch nichts Schöneres, als in weiten Teilen mal so richtig eines Besseren belehrt zu werden. Das fing bereits mit dem Sound an, der selbst an meinem klangtechnisch eher ungünstigen Platz noch verdammt viel Entfaltung fand, dem tollen Orchester (Profis ja, Routine nein!), den tollen Musikern überhaupt (auch hier: Spaß in allen vier Backen!) und einen warmen Schleier von Atmosphäre, der sich - passend zum Öffnen des Vorhangs - über den Abend legte. Hier wirkte trotz des strikten Programms (Hannelores Bericht ließe sich 1:1 auf das Konzert in Halle übertragen) Vieles sehr spontan und locker, was ich so überhaupt nicht erwartet hätte.
Und von wegen langweilen - jeder kennt (und wenn unwissend) über 80% der Lieder des Abends. In der ersten Hälfte habe ich mich durch alle drei Sänger - John Wetton, Eric Martin und Giana Nannini - bestens unterhalten gefühlt. Alle mit ihrer sehr eigenen Art und ihrem gewissen Charme, der wohl noch stärker wirkt, wenn man diese Personen bereits bewusst länger verfolgt. Auch die Band- und Orchesterzwischenspielchen waren prima, bevor Rick Parfitt in Halbzeit zwei das wohl unangefochtene Highlight des Abends darstellte: Hier spürte ich wirklich pure Leidenschaft für Rock-Musik in jedem Anschlag und bei jeder gesungenen Note. Echt Wahnsinn, wie der Herr mit seinen im Grundsatz recht einfachen Kompositionen eine Halle (höhö...) so in Grund und Boden rocken kann. Ganz, ganz starke Angelegenheit. Ian Gillan im An- und zum Abschluss war nicht wirklich schlechter, begeisterte jedoch eher durch die feinen statt felsigen Momente und mit wirklich tollen Anekdoten und Gedanken diverser Natur.
Was so einem "Rock Meets Classic"-Abend natürlich abgeht, ist der - so blöd es klingen mag - "echte" Spirit der Musik. Wenn sich einzelne Fans der komplett sitzenden Halle Richtung Bühne aufmachen, um so nah wie möglich an ihren Lieblingskünstlern zu sein, dort jedoch von den Securities zumindest auf die Höhe der ersten Reihe zurückgebeten werden, dann kann man schon einmal mit der Stirn runzeln. Genau so sind alle Nummern im Orchestergewand natürlich professionell und hübsch arrangiert, aber so richtig funktionieren die meisten Songs nun einmal in ihrer ursprünglichen Instrumentalbesetzung. Da hier jedoch von allen Beteiligten mit überraschend viel Freude musiziert wurde, kann man für einen Abend mal über so einen Aspekt hinwegsehen und resümieren, dass diese Show teilweise eher wenig mit Rock, so wie ich ihn verstehe, zu tun hatte, mit Liebe zur Musik jedoch zweifellos. Zu den ganz großen und emotionalen Highlights wird "Rock Meets Classic" für mich am Ende des Jahres wohl nicht zählen - dafür liebe ich kleine, dreckige Club-Shows ohne viel Tamtam einfach viel zu sehr - aber von diesem tollen Konzertabend werde ich gerne jedem erzählen, der es hören möchte.
Künstler: Marc Storace, John Wetton, Eric Martin, Gianna Nannini, Rick Parfitt, Ian Gillan
Background Chor: Amanda Somerville, Kolinda Brozovic, Tiffani Kirkland, Sascha Krebs
Band: Mat Sinner (Bass), Oliver Hartmann (Gitarre), Alex Beyrodt (Gitarre), Moritz Müller (Schlagzeug), Jimmy Kresic (Keyboards)
Orchester: Bohemian Symphony Orchestra Prague (Dirigent: Bernhard Wünsch)
Setlist: Thunderstruck, Long Stick Goes Boom, Don't Cry, The Smile Has Left Your Eyes, Only Time Will Tell, Heat Of The Moment, Take Cover, Wild World/Just Take My Heart, To Be With You, Green Tinted 60's Mind, Dvorak Slawischer Tanz Nr. 1, America, Bello Impossibile, Dio E Morto, Latin Lover, Volare, I Will Do Anything For Love, Whatever You Want, In The Army Now, Rain, Down Down, Rocking All Over The World, Also Sprach Zarathustra/Mission Impossible, Highway Star, Strange Kind Of Woman, Perfect Strangers, When A Blind Man Cries, Hush, Black Night, Smoke On The Water.
- Redakteur:
- Hannelore Hämmer