Rocktower Festival 2010 - Lübeck
30.04.2010 | 10:2203.04.2010, MuK/Treibsand
Zum zweiten Mal lässt das Rocktower Festival die Hansestadt an der Trave erbeben!
Die Macher des Lübecker Rocktower Festivals werden immer selbstbewusster. Hat man im letzten Jahr noch ausschließlich das Foyer der ehrwürdigen Musik- und Kongresshalle (MuK) der Hansestadt durchgeschüttelt, geht man im zweiten Jahr bereits mit zwei Bühnen und zwei Locations für das "Easter Metal Festival" am Ostersamstag an den Start. Zwanzig nationale und internationale Bands aus allen Ecken des Heavy Metal haben sich angekündigt. Sie spielen parallel auf zwei Bühnen: In der MuK und im Treibsand, dem Veranstaltungszentrum der "Alternative", in dem sich das ganze Jahr über (inter-)nationale Acts aus Punk, Metal, Ska und World Music die Klinke in die Hand geben.
Zwischen beiden Veranstaltungsorten liegen kulturelle Welten, aber nur wenige Schritte zu Fuß, denn das Treibsand liegt direkt gegenüber der "großen weißen Dame" an der Trave, wo sich jedes Jahr gern die namhaften Klassikakteure des Schleswig-Holstein-Musikfestivals, das bisher noch nicht von POWERMETAL.de präsentiert wurde, einfinden.
Wetter- und Rahmenbedingungen sind perfekt dieses Jahr. Meist scheint sogar die Sonne, so dass zwischen MuK und Trave viel Open-Air-Feeling aufkommt. Um die Halle herum, auf dem großen Parkplatz davor und im Hof des Treibsand wird gegrillt, getrunken, gefachsimpelt, und von überall schallt Musik, denn wer sich nicht gerade vor einer der Bühnen den Live-Acts hingibt, bringt sich mit dem eigenen Programm aus Autoanlage oder Ghettoblaster in Stimmung.
Die morgendliche Eröffnung eines Festivals übernehmen zu dürfen, ist nicht immer der beliebteste Job. Diesmal haben die lokalen Helden NASTARNDIR die Ehre. Viking Metal heißt es also zum Auftakt. 'Prayer To Earth' hat eine starke Black-Metal-Schlagseite. Aber ansonsten bewegen sich die Hanseaten eher im klassischen Pagan/Viking-Bereich. 'Der Wanderer' ist unter Eingeweihten mittlerweile eine kleine Kulthymne und wird entsprechend honoriert. Ein prima Einstieg in einen immer besser werdenden Tag. Die Jungs von der Trave haben ihre Aufgabe tadellos erfüllt.
[Martin Rudolph]
Setlist NASTRANDIR:
Prayer To Earth
When I´ll Die
Bloodred Horizons
Der Wanderer
Rise Of Runes
Pünktlich um 12.20 Uhr entern RAM aus Göteborg die Bühne und legen auch gleich los wie die Feuerwehr. Wie bei allen Auftritten, die ich bisher von der Band gesehen habe, sprühen die Schweden vor Elan und präsentieren uns eine gute Mischung aus den bisher erschienenen beiden Alben "Forced Entry" und "Lightbringer". Sänger Oscar mit seinen Nietenarmbändern kommt unheimlich true rüber und macht seinen Job von Auftritt zu Auftritt immer besser. Wie man überhaupt sagen muss, dass die komplette Truppe sehr tight und entspannt ist und wie immer viel Spaß hat, uns so großartige Heavy-Songs wie 'Machine Invaders' (mein persönlicher Favorit der Band), 'Shadowman' oder auch 'Sudden Impact' um die Ohren zu hauen. Soundtechnisch würde ich von einem etwas rumpeligen Klang sprechen, der sich aber im Laufe des Sets bessert.
[Thomas Schmahl]
Nach einer kurzen Umbaupause von zwanzig Minuten heißt es eine weitere Band aus Schweden abzufeiern, was mir aber etwas schwerfällt, denn ENFORCER aus Stockholm bzw. Uppsala kommen mir schon etwas übertrieben engagiert rüber. Ich hatte die Jungs nun schon zweimal vorher live begutachten können, und auch dort steckten sie voller Tatendrang, aber irgendwie nicht so ganz so heftig wie hier beim Rocktower Festival. Die Truppe um Sänger Olof Wikstrand drückt die gesamte Spielzeit über das Gaspedal voll durch und lässt es somit etwas an Abwechslung vermissen. Man muss dazu natürlich sagen, dass das Debüt "Into The Night" auch nur schnellere Nummern hergibt. Dazu empfinde ich den Sound der Schweden als zu laut, und weniger wäre in diesem Fall mehr. Ansonsten agiert die Band inzwischen genauso sicher auf der Bühne wie ihre schwedischen Kollegen RAM, und das Achtziger-Erscheinungsbild (Frisuren, Klamotten etc.) hat Style.
[Thomas Schmahl]
Einer der Hauptgründe meiner Anreise zu diesem Festival sind natürlich die unglaublichen RUFFIANS, deren letzte Auftritte immer eine Bank waren und die auch auf dem Rocktower absolut überzeugen können. Leider hat sich zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht genügend Publikum angesammelt, so dass sich die Stimmung wie auch schon bei den Bands zuvor arg in Grenzen hält.
RUFFIANS unter der Leitung von Sänger Rich Wilde (mit modischer Kurzhaarfrisur) eröffnen ihren Set mit dem gleich abgehenden 'I Believe' von dem völlig unterbewerteten "Desert Of Tears", gefolgt von dem Klassiker der ersten EP, 'Wasteland'. Dazu gesellen sich lupenreine Metalsongs wie 'Fight For Your Life' oder auch 'Live By The Sword', um nur einige Höhepunkte des Sets zu nennen. RUFFIANS können wieder einmal absolut überzeugen und haben hoffentlich einige neue Fans dazugewonnen.
[Thomas Schmahl]
Wer einmal die Mörderballade 'Yesterdays' gehört hat, wird eigentlich kaum glauben, dass sich die Band, die so etwas Erhabenes zum Besten gibt, BLITZKRIEG nennt. Die 1980 gegründete New-Wave-Of-British-Heavy-Metal-Institution, die mit Songs wie 'Blitzkrieg' und 'Buried Alive' (A- und B-Seite ihrer ersten Single) eine Musikrichtung mitprägte, die nicht ausschließlich aus IRON MAIDEN und SAXON bestand, auch wenn manch einer das heute irgendwie zu glauben scheint, macht heute keine Gefangenen. Mich erinnern die Briten immer wieder an ihre Genrekollegen von CAGE, die, obwohl aus den USA stammend, ähnlich ruppig und gleichzeitig melodisch daherkommen, oder an die guten alten AVENGER, mit denen BLITZKRIEG parallel ihre Karriere auf der Insel begannen.
Gründer und Frontmann Brian Ross könnte man optisch im besten Sinne als Mischung aus Ozzy und Alice Cooper beschreiben. Mit runder Sonnenbrille, schwarz gefärbter schulterlanger Miniplimähne und Glanzlederhandschuhen dirigiert der Chef Band und Publikum – und alle machen auch nach dreißig Jahren weiter fröhlich mit. 'The Phantom' vom aktuellen "Theatre Of The Damned"-Album ist ein Klasse-Opener und auch der Rest des Sets lässt keine Wünsche offen.
Der Fünfer legt härter los, als man es von den Albumproduktionen her kennt, und zeigt wieder einmal deutlich, dass sie einfach auf die Bühne gehören und nicht ins Studio. Diejenigen, die vor dem Auftritt ins Treibsand gepilgert sind, um sich SAVAGE GRACE anzusehen, haben definitiv etwas versäumt!
'Pull The Trigger', das Ross mit dem von JUDAS PRIESTs 'Breaking The Law' abgekupferten Publikumsspielchen "Pull the ... what? ... pull the ... what?, Yeah, pull the trigger!" und dem Verweis einleitet, das würde bei einer gewissen anderen Band schließlich auch immer so toll klappen, ist ein Kracher vor dem Herrn, und das oben schon erwähnte 'Blitzkrieg' zum Schluss ist allein das heutige Eintrittsgeld wert.
[Martin Rudolph]
Setlist BLITZKRIEG:
The Phantom
Hell Express
Dark City
Unholy Trinity
Theatre Of The Damned
My Life Is My Own
Escape From The Village
Pull The Trigger
Trial By Fire
Blades Of Steel
Blitzkrieg
Als Nächstes stehen die fast schon kultigen SAVAGE GRACE auf dem Plan, wozu man aber in das sehr kleine Treibsand wechseln muss, weil sich auf der Hauptbühne die NWoBHM-Legende BLITZKRIEG die Ehre gibt. Leider handelt es sich nicht um das Original-Line-up, sondern lediglich um Sänger Chris Logue (sieht aus wie ein Pirat, siehe Foto), der Unterstützung von den deutschen ROXXCALIBUR bekommt. Berücksichtigt man diese Tatsache, so ist es trotzdem ein guter Auftritt mit einem etwas eingeschränkten Chris, der die hohen Töne nicht mehr trifft, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, da man den Gesang über die komplette Länge des Auftritts eh so gut wie kaum hört. Der Mischer ist wohl mal etwas länger für kleine Jungs unterwegs, denn er schafft es nicht, die Vocals in den Griff zu bekommen. Auch die Gitarren kommen nicht super rüber, sind aber immerhin noch zu hören und fetzen uns kultige Tracks wie 'After The Fall From Grace', 'Master Of Disguise' oder auch 'Bound To Be Free' um die Ohren. Die Stimmung im Treibsand ist ziemlich gut und wird noch besser, als es zum Abschluss mit 'Exciter' (JUDAS PRIEST) und 'Burn' (DEEP PURPLE) noch zwei oberamtliche Klassiker zu bestaunen gibt. Somit kann man hier von einem guten Auftritt reden, der nicht spektakulär ist, aber immerhin Spaß macht.
[Thomas Schmahl]
Als um 18.30 Uhr die fast schon legendären THE RODS im Original-Line-up Feinstein/Canedy/Bordonaro die Bühne betreten, ist es beschämend leer vor der Bühne. Ich kann es gar nicht fassen, und es ist mir fast schon peinlich, mitanzusehen, wie die alten Herren die Bretter vor fast leerem Publikum rocken. Das Trio ist mit einem ungeheuren Engagement dabei und spielt sich fast in einen Rausch. Leider ist der Sound nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, und auch die Regler sind etwas zu heftig aufgedreht. Vielleicht will der Mischer die fehlenden Zuschauer mit etwas mehr Druck ausgleichen, was aber in die Hose geht. Zu allem Überfluss fällt gleich zu Beginn des Sets auch noch die Gitarre von David Feinstein aus, was die Band aber mit Humor nimmt. Die ganzen Unannehmlichkeiten haben aber zum Glück keinen Einfluss auf die Spielfreude des Trios, welches uns unglaubliche Versionen von 'Power Lover'(was für eine Hymne), 'Nothing Going On In The City', 'Crank It Up' oder auch 'Too Hot To Stop' (was für ein Old-School-Riffer) vorsetzt und die wenigen Zuschauer völlig mitreißt. Alleine schon wegen dieses Auftritts hat sich die Anreise gelohnt, und ich hoffe, wir bekommen die älteren, aber absolut fitten Herren noch öfter zu Gesicht.
[Thomas Schmahl]
- Redakteur:
- Martin Rudolph