SAVATAGE und INDUCTION - Oberhausen

15.06.2025 | 13:39

14.06.2025, Turbinenhalle

Ein himmlisches Comeback - die Definition von musikalischer Gänsehaut!

Ungefähr ein Jahr ist vergangen, seit die Hoffnungen von unzähligen treuen Anhängern und langjährigen Fans endlich zur gelebten Wirklichkeit wurden: das SAVATAGE-Bandlogo stand plötzlich auf dem Billing verschiedener südamerikanischer Festivals. Während so manch einer schon darüber nachdachte, im April 2025 die etwas kostspieligere Reise nach Brasilien anzutreten, arbeitete die Band längst auch an ihrem ersten Europaabstecher seit 2002 (den fantastischen Gig auf dem Wacken Open Air 2015 mal ausgeklammert). Im Laufe der Zeit füllte sich der Tourplan mit einigen renommierten Festivals, aber auch mit ausgewählten Einzelkonzerten, so dass es eigentlich gar nicht mehr so schwierig war, die besten Tannenbaum-Präsente für das Jahr 2024 auszuwählen.

Ein weiteres halbes Jahr später steigt die Spannung dann ins Unermessliche. Ein buntes Konzertprogramm allerorts hat den Frühling aus musikalischer Sicht bereits enorm lohnend gemacht, doch es sollte dieser eine Gig sein, auf den alle Konzentration zusteuerte und der als erneuter Gamechanger in die Historie eingehen sollte. Dennoch wurden vorab zahlreiche Diskussionen angestoßen, so zum Beispiel auf die Frage hin, wie SAVATAGE ohne Mountain King Jon Oliva funktionieren kann, der aufgrund einer langwierigen Erkrankung die Reise nicht mit antreten kann. Und was wurde nicht über die Setlist spekuliert und genörgelt: zu wenig alter Stoff, der klare Fokus auf die 90er-Platten, und so weiter, und so fort. Als dann auch noch die ersten Videos von den Festivalauftritten in Südamerika die Runde machten, wurde diese Kritik weiter befeuert. Man musste sich ernsthaft fragen, ob es heute mehr darum geht, dass man manchen Leuten einfach nie etwas recht machen kann, oder ob die Vorfreude auf eine der wichtigsten Reunions der gesamten Metal-Geschichte nicht die Oberhand behalten sollte. 

Doch zurück zu jenem 14. Juni 2025, dem Tag, an dem das große Fest endlich starten sollte. Bereits am gestrigen Tag hat KING DIAMOND die Turbinenhalle in Oberhausen ziemlich auseinandergenommen und den Maßstab für viele Besucher, die Tickets für beide Konzerte innehaben, mächtig in die Höhe geschraubt. Hinzu kommt die friedliche Atmosphäre beim  Gig des Diamantenkönigs, die reibungslose Organisation und zuletzt auch der gigantische Bühnenaufbau - da sollten die Herren auf Tampa schon einiges zu tun haben, um noch einen draufzupacken. Leider geht jedoch schon vor dem eigentlichen Beginn so viel schief, dass die Nerven bei vielen Zuschauern schon blank liegen, bevor sie überhaupt in die Halle hineingelangen. Mal ganz abgesehen von meinem persönlichen Fiasko bei der Anreise, scheinen die Veranstalter auf einen solchen Ansturm nicht vorbereitet. Die Parkplatzsituation ist eine Katastrophe, beim Einlass steht man fast schon wieder in Dortmund, so lange ist die Schlange, und auch die Belüftungssituation im Inneren ist ein absolutes Desaster, da man in der Turbinenhalle problemlos ein Spiegelei auf seinem Körper braten könnte. Die unerträgliche Hitze ist schließlich auch die größte Herausforderung, da man eigentlich gar nicht so viel trinken kann, wie man im nächsten Augenblick wieder ausschwitzt. Wahnsinn, der absolute Wahnsinn.

Trotz alledem ist die Halle schon vor der ersten Note des Supports bis in den letzten Winkel gefüllt, nassgeschwitzte Körper drängen sich in jeder einzelnen Reihe, und ohne den Jungs von INDUCTION zu nahe treten zu wollen, hätte es heute keinen Anheizer gebraucht, um das Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. Die hiesige Melodic-Metal-Combo, die mit Kai Hansens Sohn TIm an der Gitarre ein prominentes Mitglied beherbergt, nutzt die Gunst der Stunde aber dennoch, um von der ersten Note an gute Laune zu verbreiten. Der Sound ist top, die Jungs sind bestens gelaunt, und ganz gleich ob es nun die Songs vom letzten Album "Born From Fire" oder das überraschende Cover zu 'The Final Countdown' sind: immer mehr Fäuste gehen in die Luft und feiern die sympathische Truppe. Knappe 40 Minuten darf INDUCTION sich erstmalig einem etwas größeren Publikum vorstellen, und die Band nutzt diese Chance mit einer extrem positiven Ausstrahlung, einprägsamen Kompositionen und einer erstaunlich souveränen Bühnenpräsenz. Man darf sicherlich gespannt sein, welchen Weg das Quintett noch nehmen wird, heute hat es auf jeden Fall schon mal reichlich Spaß gemacht!

Im Anschluss beginnt dann die unerträgliche Wartezeit, während die Temperaturen gefühlt jede Sekunde weiter ansteigen. Die Leute neben mir diskutieren schon, was wohl passieren wird, wenn die Band noch einige Pyros am Start haben sollte. Aber darüber denken wir besser nicht weiter nach. Um 21:15 Uhr ist der Moment schließlich gekommen: 'The Ocean' gibt das erwartete Intro, geht aber nicht direkt in den völlig logischen Opener 'Welcome' über, sondern macht einen kurzen Abstecher zu 'City Beneath The Surface', wenn auch nur für ein paar Sekunden. Die Halle bebt sofort, in den ersten Reihen liegen sich die Leute in den Armen, man sieht jetzt schon die ersten Tränen, und als Zak Stevens schließlich zum ersten Mal 'Welcome To The Show' zum Besten gibt, sinegn 3000 Leute aus voller Kehle mit - Gänsehaut am ganzen Körper.

Und SAVATAGE lässt sich nicht lumpen! Mit einer tollen Lightshow, wunderbaren Projektionen der bekannten Symbole und einem ständigen Lächeln im Gesicht von Chris Caffery, den ich persönlich noch nie so glücklich auf einer Bühne gesehen habe, geht es Schlag auf Schlag weiter: 'Jesus Saves' und 'Sirens' brechen den letzten Bann, 'Another Way' gibt einen kurzen Augenblick zum Verschnaufen, bevor dann der große Oberhausener Chor bei 'The Wake Of Magellan' und 'This Is The Time (1990)' sein heutiges Leistungsvermögen zeigt. So, ja genau so hat sich SAVATAGE damals am Zenit von europäischen Clubs verabschiedet, und genau so euphorisch kehrt die Truppe heute wieder zurück und kann sich der Schützenhilfe jedes einzelnen Besuchers sicher sein. 

Je weiter die Show fortschreitet, desto surrealer erscheinen all die Dinge, die direkt vor der eigenen Nase geschehen. Man muss sich immer wieder kneifen und fragen, ob das gerade wirklich passiert oder man selbst einem gigantischen Fiebertraum erlegen ist, der im besten Fall niemals endet. Ein wunderbares 'Strange Wings', das Zak tatsächlich genauso stark interpretiert wie sein kongenialer und schmerzlich vermisster Partner Jon, holt einen dann aber umgehend wieder in die Realität zurück, weil man sich sofort wieder dabei ertappt, jedes einzelne Worte zu begleiten. 'Morning Sun' und 'Handful Of Rain' sind ein echtes Brett und werden ebenfalls abgefeiert, bevor in 'Chance' dann alle Dämme brechen. Hatte man gedacht, es kann schon jetzt nicht mehr besser werden, geht SAVATAGE nun All-in und liefert eine der besten Performances in all den Jahren ab. Während unzählige Nationalflaggen an die Leinwand projeziert werden, ist der Chor noch lauter als zuvor und dankt der Band mit Hingabe für dieses überfällige Comeback.

Doch Feierabend ist natürlich längst noch nicht, schließlich haben die Jungs noch diverse Überraschungen in petto. So werden 'Starlight' und 'I Am', eigentlich pure Oliva-Tracks, nach fast drei Dekaden wieder ausgekramt, bei 'Mozart And Madness' spielt sich die Band in einen echten Rausch, und dann wird mit dem Titelsong von "Dead Winter Dead" der Deckel auf das bis dato drittletzte SAVATAGE-Werk gemacht. Zwei Drittel der Show sind ins Land gezogen, man sieht eine Mischung aus Schweiß und Tränen, so weit man blickt, doch diese Band weiß ganz genau, wie man den Spannungsbogen so weit wie möglich dehnt, bevor er sich dann so richtig entladen kann. 

Was bei 'Edge Of Thorns' und 'Gutter Ballet' geschieht, ist nicht mehr von dieser Welt, das monumentale 'The Hourglass' darf tatsächlich auch noch ran, und dann kommt exakt dieser spezielle Moment, auf den so viele, ja eigentlich alle gewartet haben. Ein Video-Einspieler zeigt Jon Oliva am Piano, er grüßt die Fans und setzt zur ersten Strophe von 'Believe' an. Noch während ich das hier schreibe, bekomme ich wieder eine Gänsehaut,  weil es einfach so wunderschön war. Als die Band schließlich einsteigt und Jon sich schleichend zurückzieht, werden im Hintergrund unzählige Fotos aus den ersten Tagen der SAVATAGE-Historie eingeblendet und wecken unbeschreibliche Emotionen. 

Die Verbindung zu diesem Song kann man nicht erklären, und was er so vielen Menschen bedeutet, kann man an den gerührten Blicken im Auditorium wahrnehmen, denn zwischen Freudentränen und dem lautesten Gesang des heutigen Abends, ist eine solche Erleichterung wahrzunehmen, dass man das alles noch einmal erleben durfte. Das furiose Finale endet schließlich mit einer relativ deftigen version von 'Taunting Cobras' und dem obligatorischen 'Hall Of The Mountain King', doch bevor der Vorhang endgültig fällt, lässt sich die Band noch einmal bitten und haut eine grandiose Version von 'Power Of The Night' raus.

Im Anschluss beginnt das große Taumeln. Ein solches Event direkt zu verarbeiten scheint unmöglich, also bin ich glücklich unserem Chefredakteur Marcel in die Arme zu laufen und auch gleich noch seinen Vorgänger Peter zu treffen. War der Gig heute ein Klassentreffen der ganz großen Sorte, hat die Powermetal.de-Familie hier eine Reunion im kleinen Rahmen gefeiert, über die ich im Nachhinein sehr glücklich bin.

Nicht ganz so glücklich bin ich nach meinem Besuch beim Merchandise-Stand. Hatte ich mich vor dem Konzert noch zurückgehalten, weil die eigenen Prinzipien sich mächtig dagegen stellen, 40€ für ein Shirt auszugeben, werde ich nachher bestraft, weil die gängigen Größen allesamt ausverkauft sind. Doch der Ärger verraucht auch sofort wieder, denn mit dem Wissen, die beste Show seit dem grandiosen Auftritt in Wacken anno 2015 gesehen zu haben, lasse ich auf der Heimfahrt das Erlebte noch mal Revue passieren und falle mit großer Euphorie ins Bett. Diskussionen zur Setliste, zum Fehlen von Jon, zu all dem anderen Quatsch, über den man sich vorher noch ausgelassen hat, gibt es übrigens auch keine mehr. Wer heute nicht überglücklich die Turbinenhalle verlassen hat, kann unmöglich dagewesen sein!

Setliste: The Ocean (Intro); City Beneath The Surface (Intro); Welcome; Jesus Saves; Sirens; Another Way; The Wake Of Magellan; This Is The Time (1990); Strange Wings; The Storm; Morning Sun; Handful of Rain; Chance; Starlight; I Am; Mozart And Madnes; Dead Winter Dead; The Hourglass; Gutter Ballet; Edge Of Thorns; Believe; Taunting Cobras; Hall Of The Mountain King; Zugabe: Power Of The Night

Text und Fotocredit: Björn Backes

Redakteur:
Björn Backes

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