SAXON, GIRLSCHOOL und GRAND SLAM - München

07.03.2025 | 12:53

25.02.2025, Muffathalle

Jede Falte erzählt Geschichten.

Mein Weg führt mich mal wieder nach München. Zwar liegt die Muffathalle mitten in der Stadt und ist gerade im Feierabendverkehr schlecht erreichbar, doch für das heutige Lineup nehme ich sehr gerne diese Hürde. Bevor ich jedoch näher auf das Konzert eingehe, möchte ich mich bei meinem Kollegen Frank Jäger bedanken. Seit Tagen habe ich die Überschrift für diesen Bericht im Kopf. Rein rechnerisch stehen mit den beiden Mainacts des heutigen Abends 554 Jahre auf der Bühne. Da bietet es sich doch an, daraus was mit "... und kein bisschen leise" zu machen. Ich schaue mir die Konzertbericht der letzten Tage an. Was erblicken meine müden Augen? "(Beinahe) achtzig Jahre und kein bisschen leise!" Hat der Sack mir doch glatt meine Idee geklaut! Ja, danke Herr Jäger! Okay, ich gönne dir die Überschrift, dein Bericht ist wirklich gut gelungen. Meine Alternative trifft es ebenfalls auf dem Punkt.

Ich bin einfach gerne in der Muffathalle, es geht hier immer sehr entspannt zu. Die Securities sind überaus freundlich und zuvorkommend, die Abwicklung der Formalitäten läuft reibungslos. Okay, über die Bierpreise kann man diskutieren, dennoch gönne ich mir ein helles blondes, bevor ich mich zum Fotograben begebe. Ein paar nette Worte mit dem Grabenwächter, ich erfahre, dass wir heute zu dritt Fotos machen werden. Ich wundere mich ein wenig angesichts des heutigen Lineups, genieße es aber, dass ich anderen Fotografen nicht ständig auf die Füße treten werde. Der Pit ist zwar schmal, doch die Bühne recht breit. Somit kommen heute einige Meter zusammen.

GRAND SLAM macht heute in München den Aufschlag. Mag einigen der Name vielleicht unbekannt sein, klingen beim Namen des Gründers Phil Lynott doch garantiert die Alarmglocken. Lynott hat die Band bereits 1984 gegründet. Der Gründer von THIN LIZZY starb bekanntlich 1986, 2016 wurde GRAND SLAM von den Originalmitgliedern Mark Stanway (Keyboards) und Laurence Archer (Gitarre) erneut ins Leben gerufen. Ich habe mit der Band bisher keinerlei Berührungspunkte, weiß aber, dass die Formation im letzten Jahr mit "Wheel Of Fortune" ein neues Album veröffentlicht hat. Die ausgekoppelte Single 'There Goes My Heart' gefällt mir ausgesprochen gut. Doch leider steht diese heute nicht auf der Setliste. Vielmehr schwelgt die Band in Erinnerungen, wie der erste Song 'Nineteen' von eben Herrn Lynott beweist.

Während  GRAND SLAM mit seinem Hard Rock ein wirklich solides Set abliefert, meint es Baldur als Gott des Lichtes heute nicht gut mit mir. Rotes Licht zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Abend. Viel Licht von hinten und wenig von vorne macht es schwierig, die Musiker gut in Szene zu setzen. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum ich immer noch einsam und alleine im Pit mit meiner Kamera hantiere. Doch dies scheint die Stimmung im Publikum nicht zu schmälern. Seit Wochen ist das Konzert ausverkauft und die drei Generationen im Innenraum fühlen sich schon vom Support gut unterhalten. Sänger Mike Dyer hat eine durchaus angenehme Stimme, der Rest der Band bietet eine solide unaufgeregte Show ohne viel Brimbamborium. Es steht die Musik im Vordergrund und das ist gut so. Zum Klassiker 'Whiskey In The Jar' wird es noch einmal laut in der feiernden Menge bevor sich GRAND SLAM vom Münchener Publikum verabschiedet. Das ist schon mal ein guter Auftakt.

Auch bei der folgenden Band steht die Musik ganz klar im Vordergrund. In der Regel verbietet es sich, sich über Äußerlichkeiten von Damen auszulassen. Doch bei GIRLSCHOOL mache ich eine Ausnahme und betrete bewusst dünnes Eis. Die heute auf der Bühne stehenden Frauen haben teilweise die 60 deutlich überschritten und tragen dem Alter entsprechend Falten. Doch könnnten Falten reden, sie würden Geschichten erzählen. Von den Anfängen der Band im Jahre 1978, über tausende Auftritte, unter anderem mit BLUE ÖYSTER CULT, MOTÖRHEAD, sowie dem heutigen Headliner. Über 15 produzierte Alben, über viele Partys, über viele Höhen und auch Tiefen. Die Mitglieder von GIRLSCHOOL dürfen stolz auf ihre Falten sein.

Das Set beginnt dann auch mit einem der ersten Songs, den das Quartett veröffentlicht hat. Nach einem schüchternen Hallo von Gitarristin Jackie Chambers  geht es mit einem Klassiker los. 'Demolition Boys' stammt vom vor 45 Jahren veröffentlichten Album "Demolition". Im Innenraum feiert der Opa mit Tochter und Enkel und schüttelt sein spärliches Haupthaar. Es geht ein Ruck durch die Masse. Der Auftritt von GIRLSCHOOL wirkt wie eine Verjüngungskur. Die Band hat zehn Songs mit in die Muffatfalle gebracht und zeigt sich in bestechender Form. Sängerin und Gitarristin Kim McAuliffe ist als einziges Gründungsmitglied in München. Eigentlich würde auch Mitbegründerin Denise Dufort aktuell hinterm Schlagzeug sitzen. Die Drummerin hat jedoch derzeit Probleme mit ihren Händen und kann nicht an der laufenden Europatournee teilnehmen. Sie wird durch Larry Paterson ersetzt, welcher unter anderem bei BLAZE BAYLEY und ALCATRAZZ die Stöcke geschwungen hat.

Von Müdigkeit oder gar Alterserscheinungen keine Spur. Auf und vor der Stage steigt eine wilde Party. Die Damen an den Instrumenten sind permanent in Bewegung und feuern einen Kracher nach dem anderen in die Menge. Und wenn man denkt es geht nicht besser, legt GIRLSCHOOL mit dem MOTÖRHEAD-Cover 'Bomber' noch einen drauf. Nun gibt es endgültig kein Halten mehr, Lahme können gehen, Blinde können sehen. Doch leider hat auch diese Show ein Ende. Mit 'Emergency' endet ein fulminanter Auftritt der Band. Ich suche mir dann mal eben ein Sauerstoffzelt.

Keins gefunden, dafür noch eine Hopfenkaltschale ergattert. Ich bin wieder fit, auf geht's zu SAXON. Meine NWOBHM-Götter haben eine dreigeteilte Setliste mit nach München gebracht. Im ersten Abschnitt gibt es unter anderem vier Tracks vom aktuellen Album "Hell, Fire And Damnation". Schon der gleichnamige Titeltrack macht Spaß auf das, was noch kommt. Die Meute frisst Sänger Biff förmlich aus der Hand. Dieser zeigt sich in bester Verfassung. Nicht nur stimmlich leistet er sich keine Aussetzer, permanent ist der mittlerweile 74-jährige Sänger in Bewegung und hüpft wie ein Flummi vor seinem Mikrofonständer auf und ab. Gehüpft wird auch vor dem Wellenbrecher und ständig werden Fäuste und Pommesgabeln in die Luft gereckt. Ich bin sehr dankbar, dass ich das wilde Treiben nach meinen drei üblichen Fotosongs vom Rande des Grabens aus bewundern darf. Natürlich gibt es auch für mich kein Halten mehr, aber ich stehe niemanden im Weg und kann einfach die Sau rauslassen.

Part zwei ist ein ganz besonderes Schmankerl. Saxon spielt das komplette 1980 veröffentlichte Album "Wheels Of Steel", die Songs haben exakt die gleiche Reihenfolge wie auf der Langrille. Zu dem Album muss man meiner Meinung nach nicht viele Worte verlieren. Hier reiht sich ein Hit an dem anderen. Logisch, dass die feiernde Meute wirklich jede Note mitsingt. Egal, ob 'Motorcycle Man', '747 (Strangers in the Night)' oder  'Suzie Hold On'. Hier geht die Luzie einfach ab. Auch den Musikern ist der Spaß deutlich anzusehen. Während Brian Tatler überwiegend auf der rechten Bühnenseite seine Gitarre schwingt, teilen sich Bassist "Nibbs" Carter und Gitarrist Doug Scarratt die linke Seite. Drummer Nigel Glockler sitzt wie gewohnt eingerahmt von den üblichen "Marshall"-Full Stacks hinter seinem Instrument.

Gefühlt habe ich schon 666 Konzerte von SAXON erlebt und klar, manche Dinge wiederholen sich. Auch heute zeigt Biff, dass er auf Fingern pfeifen kann. Auch heute werden ihm zahlreiche Kutten der anwesenden Metalheads gereicht, welche er entweder kurz anzieht oder über die Bassdrums von Nigel legt. Doch es ist einfach die Musik, die mir auf den Konzerten gute Laune bereitet. Da man leider in dem Alter davon ausgehen muss, dass jede Tour die letzte sein könnte, bin ich natürlich dabei. Die Idole meiner Jugend ziehen sich langsam aber sicher mehr und mehr zurück.

Nun, mit 'Machine Gun' könnte der Abend eigentlich enden. Immerhin haben wir bis zu diesem Zeitpunkt schon 19 Songs hören dürfen. Doch es gibt jetzt noch den dritten Absatz, die Wünsche der Fans. Tatler rifft im Hintergrund 'Crusader' vom 1984 veröffentlichten gleichnamigen Album an und die Luft brennt. Ich bekomme eine Gänsehaut und merke, wie mir die Stimme versagt. Das, was SAXON seit Jahrzehnten abliefert, ist Champions Liga. Die Metalheads haben sich bis jetzt wirklich müde gefeiert, doch die Briten ziehen mit 'Heavy Metal Thunder' noch einmal das Tempo an. Natürlich steht auch noch 'Denim And Leather' auf dem Liederzettel, bevor es mit 'Princess Of The Night' endgültig auf die Zielgerade geht. Meine Herren, was für ein Brett! Aus der Crowd heraus wird Biff noch ein Album gereicht, welches er geduldig signiert. Keine Ahnung, wie es der Besitzer geschafft hat, dieses über Stunden unbeschädigt bei sich zu behalten. Egal, herzlichen Glückwunsch! Vielleich finde ich JETZT das Sauerstoffzelt.

Falls Ihr Euch mit der umfangreichen Diskografie von SAXON beschäfigen möchtet, empfehle ich Euch den ebenfalls umfangreichen dreiteiligen Diskografie-Check von 2021.

Text und Photocredit: Andre Schnittker

Redakteur:
Andre Schnittker

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