SLEEP TOKEN und HEALTH - München
20.12.2023 | 23:4705.12.2023, Zenith
Die deutschen Headline-Rituale haben kleine Startschwierigkeiten...
Heute geht es ins Zenith für die Headline-Rituale von SLEEP TOKEN. Deshalb packe ich wohlweislich etwas mehr Zeit ein und bin bereits um 18:20 Uhr in einem Stau in München, denn es geht nur sehr langsam vorwärts, weil offenbar sehr viele Leute zu SLEEP TOKEN wollen. Schnell im Parkhaus parken und ab in die Schlange vor dem Einlass, die sich heute einige hundert Meter über den Parkplatz der "Motorworld" erstreckt. Damit ist die Schlange insgesamt sogar länger als bei ARCTIC MONKEYS, meinem letzten Konzert im Zenith. Bis zum Einlass dauert es ca. 30 Minuten, das können andere große Locations besser. In die Olympiahalle gehen dreimal so viele Menschen und der Einlass geht um ein Wesentliches schneller. Warum also nicht eine Wand rausreißen und noch ein paar Eingänge hinbauen, Zenith? Ihr baut doch eh schon! Die Schlange führt an ein paar Essens-Ständen und einem Merchverkauf-Container vorbei. Hier gibt es SLEEP TOKEN T-Shirts für ganze 45€. Drinnen in der Halle gibt es dasselbe, beide Male ist es mir eindeutig zu teuer.
Um 20:00 startet der Support HEALTH die Show. Inzwischen ist das Zenith voll, gut, dass man dem Einlass genug Zeit ließ. Es folgt ein 40-minütiger Noise-Rock Auftritt, der technisch gut ist, mir jedoch oft zu eintönig bleibt. Jake Duzsik ist Vokalist der Band und spielt außerdem E-Gitarre, somit kann er schonmal keine besondere Bühnenshow machen, sondern steht hinter seinem Mikrofonständer, spielt Gitarre und säuselt monoton ins Mikrofon. John Famiglietti ist da schon aktiver. Er wechselt immer mal wieder vom Drehen von Knöpfen am Synthesizer zum Bassspielen und wieder zurück und er lässt seine langen Haare beim Headbangen fliegen. So bildet er den Blickfang auf der Bühne. Doch auch die im Kreis fliegenden Haare werden nach ein, zwei Songs langweilig und so fängt mein Blick wieder an zu wandern. Schlagzeuger BJ Miller kann meine Aufmerksamkeit kurz gewinnen, als er aus seinen Drumsticks ein X bildet. Dazu kommt eine dunkle Lichtshow und ein recht stilles Publikum. HEALTH bietet einige Lieder vom neuen Album "RAT WARS" sogar das erste Mal live dar. Mein Fall ist diese Band nicht, auch wenn sie technisch alles richtig macht - mir gefällt sogar der Gesang von Jake... Aber auf der Bühne und auch in der Musik fehlt mir die Abwechslung. Die Band wurde wohl gewählt, weil es sich hier um ein weiteres Genre-Unicorn handelt: HEALTH liegt mit seiner Musik irgendwo zwischen Noise, Industrial und Electronic Rock. Beim vorletzten Lied dankt die Band kurz dem Publikum und dem Headliner SLEEP TOKEN fürs Mitnehmen. Die Überredenskünste reichen sogar aus, um das Publikum zum Mitklatschen zu bewegen. Dann endet der Auftritt und es folgt eine gute halbe Stunde Umbaupause vor dem Headliner.
Setliste: Victim; Men Today; Hateful; The Message; Unloved; Crack Metal; Strange Days (1999); Stonefist; Major Crimes; Ashamed; DSM‐V; Feel Nothing; We Are Water
Die ersten Töne von 'Chokehold' erklingen und werden von lautstarkem Kreischen aus dem Publikum begrüßt. Der Hype um SLEEP TOKEN ist groß und die ausverkaufte Halle drückt sich dementsprechend aus. Zentral auf der Bühne befindet sich das Bandlogo von SLEEP TOKEN. Dieses runenartige Gebilde kann in verschiedenen Farben aufleuchten und wird zentral in die Lichtshow integriert, die im Übrigen wirklich großartig ist! Über der Bühne schweben viele LED Säulen, die den Bühnenraum sehr groß wirken lassen und verschiedene Effekte darstellen können. So wird nicht nur musikalisch etwas geboten, sondern es gibt auch etwas zu sehen! Neben der Lichtshow sind ja auch noch einige Leute auf der Bühne: Hinten auf einer Erhöhung links neben dem Logo stehen die drei vermummten Backing-Vokalisten, rechts neben dem Logo ist wieder auf einer Erhöhung Bandmitglied "II" am Schlagzeug am Werk. Im Vordergrund der Bühne spielen Bassist "III" und Gitarrist "IV" ihre Instrumente, laufen auf der Bühne umher, werfen sich in Posen, steigen auf ihre kleinen Podeste und nehmen über Gesten Kontakt zum Publikum auf. Im Zentrum des ganzen Spektakels steht jedoch der Sänger "Vessel", der ebenfalls viel auf der Bühne unterwegs ist und verschiedene Tänze und Verrenkungen darbietet. Manchmal geht Vessel ans Keyboard im Zentrum der Bühne, für den restlichen Auftritt kommt der Keyboardsound vom Band.
Das Erfolgsrezept funktioniert! Zuletzt konnte ich in den Genuss von SLEEP TOKEN auf dem "Summer Breeze" kommen. Bereits dort war an dem Auftritt technisch nichts auszusetzen, sowohl die Instrumente als auch der Gesang von Vessel und seinem Backing waren grandios. Einziges Problem: Die Backing-Vokalisten waren zu laut und Vessels Gesang ging unter. Heute ist die Band besser abgemischt und Vessel ist gut zu hören, während das Backing im Hintergrund bleibt. Es ist wirklich der absolute Wahnsinn, was Vessel live stimmlich leisten kann. Innerhalb weniger Sekunden vom Klargesang zu Screams und anderen Krächz-Geräuschen zu wechseln können nur sehr wenige Sänger so gut.
Im Laufe des Auftritts bedient sich die Band aus ihrer ganzen Diskographie. Im Fokus stehen die neuesten Alben "Take Me Back To Eden" und "This Place Will Become Your Tomb", doch auch von der 2017 erschienenen zweiten EP "Two" wird ein Lied gespielt. Außerdem gibt es immer nach ca. 3-5 Liedern ein instrumentales Interlude. Das wird schön dosiert eingesetzt und verschafft der Band eine kurze Pause ohne den Auftritt allzu sehr zu strecken oder die Stimmung zu knicken.
Leider entstehen während 'The Summoning' technische Probleme und die Musik wird von einem unangenehmen Rauschen oder Pfeifen überlagert. Deshalb bleibt die Bühne nach dem Lied einige Minuten schwarz, während sich das Technikteam des Problems - vermutlich am Schlagzeug - mit Taschenlampen bewaffnet annimmt. Das Publikum ist ohne weitere Info verständlicherweise verunsichert und bricht nach einer Weile in "Zugabe!"-Rufe aus. Endlich verschwindet das Rauschen und der Auftritt geht mit 'Granite' und 'The Love You Want' weiter. Leider zeigt sich das Rauschen als hartnäckig und ist bereits während 'Granite' wieder zu hören. Also gibt es wieder eine kurze Pause mit schwarzer Bühne, verunsichertem Publikum und natürlich "Zugabe! Zugabe! Zugabe!"-Rufen. Das sorgt für einen ordentlichen Stimmungsknick in der Mitte des Auftritts, gerade weil überhaupt nicht mit dem Publikum kommuniziert wird.
Als es weitergeht, wird das ruhigere 'Atlantic' von Vessel am Klavier gespielt und vom Publikum mit vielen gereckten Smartphone-Taschenlampen begleitet. So kommt langsam wieder Stimmung auf und das letzte Drittel des Auftritts gelingt doch noch. Der Erfolg ist zum Teil auch dem Fan-Favorit 'Take Me Back To Eden' zuzuschreiben, der in München sein langersehntes Livedebüt feiert. Das Publikum wippt mit, schwenkt hin und wieder die Arme und auch die Taschenlampen werden gerne gezückt. Die von der Security befürchteten Crowdsurfer bleiben jedoch aus, dafür wird leidenschaftlich mitgesungen und applaudiert.
Setliste: Chokehold; Hypnosis; Vore; Dark Signs; Like That; Aqua Regia; Rain; The Summoning; Granite; The Love You Want; Atlantic; Nazareth; Alkaline; Ascensionism; Higher; Take Me Back to Eden; The Offering
Insgesamt machen die beiden Bands heute eine gute Figur und liefern sehenswerte Konzerte ab. Die technischen Probleme waren das einzige Manko eines sonst hervorragenden Konzertabends. Gerade die Lichtshow in der großen Halle befördert SLEEP TOKENs Auftritt auf ein völlig neues Level, im Gegensatz zu ihrem Auftritt auf dem Summer Breeze.
- Redakteur:
- Noah-Manuel Heim