SUMMER BREEZE 2023: For The Glory! - Dinkelsbühl
22.09.2023 | 02:0217.08.2023, Flughafen Sinbronn
Das Breeze ist wieder da, groß, laut und heftig. Diesmal sogar ohne Matsch. Toll!
Das Wetter wird besser. Oder zumindest heißer. Mein Wunsch, bedeckt bei 22 Grad, tritt dieses Jahr nicht ganz in Erfüllung, wobei es gestern schon ganz okay war. Heute muss dagegen die Sonnencreme rausgeholt werden. Wir treffen am frühen Nachmittag ein, nachdem der Tag gestern etwas länger gewesen ist, aber Andre hat bereits einige Bands fotografiert. Lassen wir ihn mal wieder zuerst zu Wort kommen.
Vor der Main Stage herrschen an diesem Freitag bereits mörderische Temperaturen und auf der Bühne schneit es! Hatte ich am Vortag vielleicht etwas zu viel Alkohol konsumiert? Habe ich etwa einen Sonnenstich? Odin sei Dank sind diese Ängste unbegründet. Die Viking-Metal-Band SKÁLMÖLD aus Island hat den Effekt mit auf das Summer Breeze gebracht. Leider sorgt der Kunstschnee nicht für die ersehnte Abkühlung. Dies tut der phantastischen Stimmung vor der Bühne jedoch keinen Abbruch. Scheinbar beherrscht jeder in der Crowd die isländische Sprache, jeder Song wird irgendwie mitgesungen, mitgegrölt und mitgefeiert. Die Gesetzlosen hauen den Fans Songs wie 'Himinhrjóður' und 'Niðavellir' um die Ohren und beweisen, dass Island mit seinen gerade einmal 370.000 Einwohner durchaus mehr zu bieten hat, als Schafe und Nordlichter.
Da die ukrainische Band IGNEA nicht auf dem Summer Breeze auftreten kann, ist WOLFCHANT eingesprungen. Die Pagan-Viking-Metal-Combo aus Niederbayern zieht mich einmal mehr zur Wera Tool Stage. Ich konnte die Band schon des Öfteren sehen, und immer wieder fasziniert mich die Zusammenarbeit der beiden Sänger "Lokhi" Möginger und "Nortwin" Seifert. Die beiden spielen sich auf unnachahmliche Weise die Bälle zu. Der Wechsel zwischen markanten, kräftigen Vocals und den ruhigen Passagen zeichnet WOLFCHANT aus. Doch auch der Rest der Band hat enormen Spaß an dem Set, in dem die Mischung aus deutschen und englischen Songs für große Abwechslung sorgt. Vor der Bühne tobt der Mob und gibt ordentlich Gas an diesem enorm heißen Festival-Freitag.
Als erste Band des Tages will die frische, junge Truppe der POWERMETAL-Crew IMMINENCE sehen und so sind wir dann gerade noch rechtzeitig an der Main-Stage angekommen. Der Sänger Eddie Berg der schwedischen Metalcore-Band trägt ein edles Oberhemd, das ihn schon beim Betreten der Bühne herausstechen lässt. Gekonnt unterhält er das Publikum, während der Gitarrist Harald Barett die Menge zum Mitmachen animiert. Als Außenstehender kann man sich kaum entscheiden, ob man zum Sänger oder Gitarristen schauen soll, denn beide konkurrierten um die Aufmerksamkeit des Publikums, welches es sich nicht nehmen lässt, textsicher mitzusingen oder crowdzusurfen. Auch sehr augenfällig: Berg spielt Violine, wenn er gerade nicht ins Mikrofon brüllt. Wenn man die Texte nicht kennt, hat man auch keine Chance, herauszufinden, worum es in der Lyrik geht. Die Bewegung auf der Bühne ist kurzweilig, die Lieder recht abwechslungsreich, die Fans vor der Bühne wissen, worauf sie sich einlassen und sind deswegen schon so früh auf Betriebstemperatur. Jetzt bin ich wirklich wach.
Mein Arbeitstag beginnt auf der T-Stage mit ORBIT CULTURE. Melodischer Death Metal ist mit schwedischem Metal irgendwie verbunden und häufig sehr gut, aber ORBIT CULTURE finde ich sogar noch überdurchschnittlich, weil Sänger Niklas Karlsson äußerst variabel zur Sache geht und die Band mal schnell, mal groovig, aber manchmal auch mit reduziertem Death-Faktor überzeugt. Dass er dabei allerdings wegen des Gitarrenspiels ans Mikro gebunden ist, bedeutet, dass der Rest der Band die Show machen muss, die dann hauptsächlich aus fliegenden Haaren, vor allem von Gitarrist Richard Hansson, besteht. Das Publikum ist noch etwas zurückhaltend, außer ganz vorn im Pit natürlich, aber es ist ja auch noch früh am Festivaltag. Dass ist der Band aber herzlich egal, die Schweden geben alles und spielen ein kurzweiliges 45-minütiges Set, das mir zeigt, dass ich mich doch einmal näher mit ihnen beschäftigen sollte. Die Mischung aus Härte und Melodie braucht sich hinter den Szenegrößen jedenfalls nicht zu verstecken. Und die Grabenschlampen bekommen auch alle Hände voll zu tun.
Mit LIONHEART steht nun ein weiterer Hardcore-Act auf der Main Stage. Das Hardcore-Rezept bleibt gleich: schnelle Riffs, ein schwitzender Schlagzeuger und Rob Watson brüllt seine Nachrichten ins Mikro, wobei er vom Rest der Band tatkräftig unterstützt wird. Der Auftritt startet mit einem lauten "LHHC"-Sprechchor des Publikums, deshalb braucht die Band kein Intro, wie Rob richtig feststellt. Die Band ist hardcoretypisch viel unterwegs auf der Bühne und wirft sich in Posen. Die Musik funktioniert live besser als auf Platte. Kombiniert mit ein paar motivierenden Ansprachen des Frontmanns bringt die Musik die Menge gut in Stimmung und so gibt es einige Crowdsurfer und natürlich auch einen ordentlichen Circle Pit.
Der Rest ist bei LIONHEART, aber für mich ist das die falsche Band dieses Namens, die Briten finde ich besser. Also übernehme ich wieder die Wera Tool Stage und lasse mir mal richtig die Ohren durchpusten. OSIAH startet nämlich heftig, geht heftig weiter und hört einfach nicht auf, wirklich heftig zu sein. Savage Deathcore nennen die Jungs aus Nordengland ihren Stil und das trifft es ganz gut, wobei der Core-Anteil nicht allzu groß ist. Allerdings sind sie technisch auch etwas ganz Feines, das Gitarrenspiel ist beeindruckend. Dass Mikrogrunzer Ricky Lee Roper nicht so ganz mein Fall ist, hilft natürlich nicht, aber die Aggression, mit der OSIAH unterwegs ist, beeindruckt schon. In ruhigeren Parts hämmert Schlagzeuger Danny Yates (ich hoffe, das stimmt, die Band hat kürzlich erst den Schlagzeuger gewechselt, geizt aber mit Informationen) gnadenlos und hält damit den Dezibel-Level genauso hoch wie das Bewegungspotential für die Freunde des gepflegten Abrisses vor der Bühne. Instrumental ziemlich cool, als Gesamtpaket eine Dampfwalze unter Vollgas, auf Dauer aber auch ermüdend. Ich könnte etwas Melodie gebrauchen.
Gibt es aber nicht, die T-Stage ruft mit... Deathcore. Ja, ich gebe es mir grob heute. FIT FOR AN AUTOPSY ist der erneute Hirnpuster, allerdings ziehen die US-Amerikaner im direkten Vergleich den Kürzeren, zumindest über die Kurzstrecke. Das liegt vor allem am Schlagzeugspiel und den atemberaubenden Kapriolen zuvor, denn auch FIT FOR AN AUTOPSY hat es drauf und gewinnt dann in der zweiten Hälfte, denn die Abwechslung ist erheblich größer. Außerdem steht man hörbar im Core-Genre und arbeitet mit Breakdowns und typischem Core-Riffing, wechselt dann aber auch in Blastbeats und wieder zurück. Zwar gehen die Lieder für mich dadurch ineinander über, weil ich mit ihnen nicht vertraut bin und zudem Shouter Joe Badolato sich nicht allzu viel Mühe gibt, die Stücke unterscheidbar zu machen, aber für die Fans ist das sichtbar ein Fest. Dass ich jetzt allerdings den Kanal von Deathcore für eine Weile voll habe, dürfte niemanden überraschen. Ach, eines noch: eine orangefarbene Gitarre? Ist das im Deathcore eigentlich erlaubt? Ich hoffe, die gab es billiger wegen der Lackierung.
Zurück zur Wera, jetzt erhoffe ich mir mehr Melodie und viel Spaß bei DRAIN. Die Kalifornier machen nämlich einen punkbeeinflussten, thrashbesetzten Hardcore. Mit Spaß in den Backen, wie sich sofort zeigt, denn Sänger Sammy Ciaramitaro ist im Dauergrinsemodus und feuert die Meute unermüdlich an, hüpft über die Bühne wie ein Laubfrosch und sieht dabei unglaublich klischeehaft nach Kalifornien, Strand und Surfen aus. Die energiereichen Granaten zünden bei den Fans sofort, aber auch die Gitarrenarbeit kommt nicht zu kurz, auch wenn der Fokus natürlich auf dem Frontmann liegt, weil er einem quasi dauernd durch das Sichtfeld pest.
Ich weiß gar nicht, wie lang die Lieder so sind, aber die drei Minuten werden gefühlt nie erreicht. Ein Highlight ist natürlich die Coverversion von 'Good Good Things', im Original von den DESCENDENTS, bei der es wirklich kein Halten mehr gibt, weil es einen Extraschuss Melodie in den Core injiziert. Zum Abschluss bittet die Band dann das Publikum auf die Bühne, die Sammy einfach zu groß erscheint für ihn allein, und innerhalb kürzester Zeit herrscht absolutes Chaos auf der Wera Tool Stage. Ein sehr unterhaltsamer Auftritt.
Direkt im Anschluss stehen die Gitarren wieder mehr im Mittelpunkt. LEGION OF THE DAMNED aus den Niederlanden thrasht die T-Stage und beginnt den Auftritt gleich mal mit der Bandhymne vor einem gewaltigen Backdrop, das wirklich die gesamte Bühnenbreite einnimmt. Fettes Riffing, Double Bass, darüber rotzt Maurice Swinkels die Lyrik, alles im grünen Bereich also. Das Riffgewitter ist das Pfund, mit dem die Band bei mir wuchern kann, eine Disziplin, in der sie sich auch von Album zu Album weiterentwickelt hat, was der neue Song 'Beheading Of The Godhead' vom in diesem Jahr veröffentlichten Album "The Poison Chalice" beweist. Ich merke mal wieder, dass ich mich im Thrash deutlich mehr heimisch fühle als im Death Metal. Interessanterweise begnügt sich das Publikum weitgehend mit Kopfnicken, man genießt mehr, als dass die Meute abgehen würde. Der neue Gitarrist Fabian Verweij fügt sich übrigens nahtlos ein in die Band, deren klassischen Thrash Metal ich genossen habe, bevor ich wieder in tödlichere Gefilde hinabsteigen muss.
Tödlicher bedeutet in diesem Fall ENDSEEKER aus Hamburg, die gleich rasend schnell mit 'Unholy Rites', dem Opener des aktuellen Rundlings "Mount Carcass", loslegt. Blickfang ist die glänzende Platte von Sänger Lenny, der immer wieder böse in die Menge starrt. Und starren kann er super, dazwischen geht er aber voll mit, ich bin sicher, er hat heute Abend Blutergüsse auf den Oberschenkeln von seinen eigenen Fäusten.
Den nächsten Song, diesmal vom Drittwerk, bekommen wir gleich danach vor den Latz geknallt. Lenny ist immer unterwegs und feuert das Publikum an. Für ihn scheint die kleine Wera Tool Stage schon zu klein zu sein. Da der Sound mal wieder top ist, steht den Genuss einer halben Stunde schnörkellosen Death Metals nichts im Weg. Später werde ich gefragt, wie ich die Coverversion fand. Coverversion? Oh je, jetzt kommt wieder durch, dass ich bestimmt kein Experte für Death Metal mehr werde. Allen Fans sei gesagt, dass wohl ENTOMBED gecovert wurde. Hab ich aber nicht gemerkt. Sorry, aber wozu hat man Freunde, nicht wahr?
WHILE SHE SLEEPS, eine Band, die ich bereits schon einmal auf dem Graspop gesehen habe, die jedoch damals sehr früh gespielt hat und deswegen wenige Zuschauer hatte, will ich heute einmal im Pit erleben. Trotz der kleineren Menge ging 2022 in Dessel nämlich bereits der Punk ab und mit der Menge an Zuschauern, die sie nun haben, ist das daher das Mindeste, was man erwarten kann. Ich werde nicht enttäuscht, es wirkt so, als würden fortwährend irgendwo Gruppen eskalieren und die Menge an Crowdsurfern ist kaum zu zählen. Während Sänger Lawrence Taylor in seiner Latexhose, seinem weißen Tanktop und seiner Fischnetz-Strumpfhose, in der er sich nach eigenen Aussagen sehr sexy fühlt, auf der Bühne von links nach rechts spaziert und immer wieder ins Publikum zeigt, geht das Publikum es nicht so langsam an. So hat er es auch nicht nötig, die Meute zu irgendetwas aufzufordern, denn das macht bereits das, was er sich vorstellt. So eine geradezu wilde und energetische Menge habe ich selten gesehen und so bin ich glücklich, als ich es aus der Masse heraus geschafft habe, den Rest des Auftritts aus einiger Entfernung genießen kann und nicht jede halbe Minute einen neuen Crowdsurfer weitergeben darf. Passend zu ihrem berühmtesten Album ziert das Backdrop mit "Sleeps Society" die Bühne und WHILE SHE SLEEPS spielt von diesem auch die meisten Lieder. Manch einer könnte meinen, dass für die Hardcore-Fans eine Stunde Spielzeit zu wenig sei, aber als die Band die Bühne verlässt, gibt es einen starken Strom in Richtung Getränkestände und alle wirken ausgepowert.
Den Auftritt auf der Hauptbühne verpasse ich zwar, dafür darf ich jetzt eine Stunde lang die Band genießen, deretwegen ich heute den Weg auf das Summer Breeze schon allein in jedem Fall auf mich genommen hätte. SOEN schlägt völlig aus der Art und ist die einzige wirkliche Progressive-Metal-Band des Festivals. Die Schweden waren vor ein paar Jahren schon einmal hier, dürfen aber nicht von der T-Stage auf die Hauptbühne springen, was sonst der übliche Evolutionsschritt ist, selbst GUTALAX durfte dieses Jahr rüber, aber ich denke, das ist eventuell auch die richtige Entscheidung gewesen, denn SOEN ist weder hart noch witzig, sondern einfach nur genial. Nach einen Sirenenintro legen die Skandinavier mit 'Monarch' los und zeigen sofort, dass es jetzt nicht um Geschwindigkeit oder Brutalität geht, sondern um Groove, Melodie und Musikgenuss.
Zwar rocken die beiden Saitenstreichler Cody Lee Ford und Oleksii Kobel immer mal wieder in den Solopassagen und posen, aber SOEN bleibt eher Musik zum Zuhören, Wippen, Nicken. Aktuell scheint man eher rockig unterwegs zu sein, zumindest lässt die Songauswahl darauf schließen. Mittlerweile ist uns das ja auch bestätigt worden, denn am 1. September ist das neue Album "Memorial" erschienen, das die Band mit einem neuen gesteigerten Grad an Härte zeigt. Trotzdem bleiben die tollen Gesangslinien von Joel Ekelöf das Herz der Stücke, was man in 'Savia' eindrucksvoll unter Beweis stellt. Joel soll ja immer mal wieder gesanglich etwas unsicher sein, das kann ich aber heute überhaupt nicht bestätigen. Möglicherweise ist SOEN für dieses Festival etwas unspektakulär, aber die Crowd vor der T-Stage ist genauso beachtlich wie bei den schwermetallischeren Acts. Ich würde mich über mehr progressive Klänge auf zukünftigen "Summer Breeze"-Festivals freuen, das hier ist nämlich schön, ein Attribut, das sich an den vier Tagen in Dinkelsbühl nur wenige Bands verdienen.
Nachdem BEYOND THE BLACK meine absolute Lieblingsband ist, stehe ich selbstverständlich ganz vorne an der Absperrung zum Fotograben mit meiner Gruppe von Fans, die ich durch verschiedene Konzerte und Festivals kennengelernt habe, auch wenn ich einige davon erst bekehren musste. Die Band läuft zu 'Is There Anybody Out There' unter Jubel ein und startet zuerst einmal mit den Titelliedern ihrer ersten beiden Alben, 'Lost In Forever' und 'Songs Of Love And Death'. Bereits jetzt animiert Sängerin Jenny das Publikum immer wieder und erntet große Resonanz. Als dann zwei neue Lieder gespielt werden, wird die Masse im Minutentakt zum Mitmachen aufgefordert, was ich mittlerweile ein bisschen missmutig zur Kenntnis nehme. Da fühlt man sich teilweise mehr wie eine Marionette, als dass man ein Konzert sieht. An sich ist die Bühnenshow aber super und von vielen Pyros und Explosionen begleitet. Passende Outfitwechsel dürfen natürlich nicht fehlen und bei dem Lied 'Free Me' werden sogar schwarze Flügel angelegt und Jenny taucht ein in einen Funkenregen von oben. Ich habe auf mehr Klassiker gehofft, mir persönlich sind es zu viele neue Lieder für ein Festival, nämlich fünf an der Zahl vom aktuellen Album "Beyond The Black". Ich hätte mich über 'Misery' von dem "Horizon" Album oder ein Lied mehr von "Heart Of The Hurrican" gefreut, aber das ist jammern auf hohem Niveau, denn meine Must-Haves sind trotzdem alle drin.
Nach SOEN wollte ich eigentlich auch ein bisschen BTB schauen, schaue aber erstmal wieder auf der Wera vorbei, wo FUMING MOUTH jetzt die Bühne betritt. Es ist mal wieder Death Metal und die Band hat ein paar sehr enthusiastische Fans am Start, die einen kleinen Circle Pit starten und eine Wall of Death initiieren, ein paar nutzen den Platz vor der Bühne auch, um echt abzugehen. Denn wie es scheint, machen auch die härtesten Banger mal eine kleine Pause, die Reihen sind jedenfalls etwas lichter als zuvor bei ENDSEEKER an gleicher Stelle. Vielleicht ein Beispiel dafür, dass der Prophet im eigenen Lande weniger gilt, ihr kennt ja das Sprichwort, denn sonst hätte man die beiden Auftritte eventuell besser getauscht und FUMING MOUTH zuerst spielen lassen. Andererseits scheinen die US-Amerikaner vollends zufrieden zu sein und spielen einen guten Auftritt, bei dem einige sehr intensive, schleppende Passagen bei mir am meisten Eindruck schinden. Scheinen wohl auch große ENTOMBED-Freunde zu sein, da sie ihren Vorbildern gleich mit zwei T-Shirts huldigen.
Ich kriege heute eine ziemliche Death-Metal-Vollbedienung, denn mit DYING FETUS wird es jetzt noch ein bisschen härter. Ja, ich weiß, was mir bevorsteht, da hilft auch das THIN LIZZY-Intro nicht, denn ich habe die Jungs 2018 schon einmal an gleicher Stelle gesehen. Der extrem tiefe Gesang von John Gallagher, gepaart mit Blastbeats und Flitzefingergitarren ist natürlich gar nicht meine Baustelle. Gelegentlich klingt das Riffing durchaus gut, aber mitreißende Songs kann ich nicht erkennen, auch wenn das technisch sicher gut und auch der Klang wieder okay ist.
Ich befürchte, mit den Drei werde ich nicht warm, aus Maryland bevorzuge ich weiterhin Doom. Sorry Jungs, wenn ihr die einzige Death-Band des Tages wärt, würde ich bleiben, aber ich habe schon einige andere gehört und die gefielen mir alle im Gesamtbild besser, trotz einiger eindrucksvoller Instrumentalpassagen bei DYING FETUS.
So finde ich mich etwas später vor der Main Stage ein, wo eine heilige Heavy-Metal-Messe gelesen werden soll. Die Karpatenwölfe aus Saarbrücken starten mit einem symphonischen Intro und werden von Mönchen mit Fackeln zu den Instrumenten geleitet. Die Rede ist natürlich von den Herren von POWERWOLF, die heute auf der Hauptbühne alle Register ziehen dürfen, was die Lightshow angeht, aber auch die Pyros, die in diesem Jahr bei zahlreichen Bands Anwendung finden, feuern aus allen Rohren. Den Anfang macht 'Faster Than The Flame', gefolgt von 'Incense And Iron' und dem alten Kracher 'Army Of The Night'. Hinter den Musikern werden die Stücke von großartigen Projektionen unterstützt und nach kurzer Aufwärmphase tobt das Infield.
Ich mache eine kleine Pause, um wenigstens ein paar Bilder von SIGNS OF THE SWARM zu machen. Was für Musik die machen? Na, Deathcore, was sonst. Ich kriege es heute wirklich derbe, aber wir sollten auch über die Headliner hinaus die kleinen Bands nicht vergessen, deswegen mein kleiner Abstecher. Mir ist die Band unbekannt, ich lasse mich daher überraschen. Der übliche Grunzgesang kann mich nicht beeindrucken, aber die Drums sind wirklich knallhart, fetzen wie Maschinengewehrsalven über die Köpfe. Ungewöhnlich ist auch die Farbgebung, denn das Backdrop ist weiß und Bassist und Gitarrist tragen weiße Shirts. Dazu gibt es ein Lichtinferno, das der wilden, unnachgiebigen Musik angepasst ist, aber auch irgendwie völlig zappelig macht. Wie es scheint, gilt das auch für den hyperaktiven Gitarristen. Die Musik ist etwas für Kenner, nach den drei Liedern, in denen ich Fotos machen darf, habe ich genug, überlasse das Feld den Liebhabern gepflegten Todesstahls und gehe zurück.
POWERWOLF ist mittlerweile kurz vor Ende von 'Amen And Attack' und hangelt sich im Folgenden von einer Mitsing-Hymne zur nächsten, auch die neuen Stücke wie 'Blood For Blood' und 'Beast Of Gévaudan' fügen sich gut in die Phalanx der Hits ein, die Sänger Attila Dorn immer mit Spaß in den Backen ansagt und dabei Blödsinn mit dem Publikum veranstaltet. Ich bin immer wieder beeindruckt von den riesigen Animationen im Bühnenhintergrund, bei 'Sainted By The Storm' fährt ein gewaltiges Schiff hinter der Band, dass man meint, das Wasser würde tatsächlich spritzen.
Zu 'Where the Wild Wolves Have Gone' leuchten dann tausende Lichter, bevor es langsam auf die Zielgerade geht, 'Fire And Forgive' ist die Hymne der letzten Kurve und mit dem Tripplet 'Sanctified With Dynamite', 'We Drink Your Blood' und 'Werewolves of Armenia' geht eine echt große Headlinershow zu Ende. Natürlich stellt sich die Frage, ob das Ganze sich nicht irgendwann abnutzt, aber momentan ist POWERWOLF einer der beeindruckendsten Headliner im Mainstream-Metal, die man für ein Festival verpflichten kann. Wie würde Attila sagen? Vielen Dankeschön.
Jetzt bin ich auch gewappnet für eine neue Vollbedienung der härteren Sorte. Auf der T-Stage spielt KNOCKED LOOSE. Zwar ist es zu spät für Fotos, aber eine Erwähnung sollen die Metalcore-Burschen wenigstens bekommen. Allerdings kann ich keine wohlwollende Erwähnung daraus machen, dass ist nämlich musikalisch eher hackendes Stückwerk. Das könnte man noch durchgehen lassen, wenn der Sänger nicht klingen würde wie ein kläffender Köter.
Ich wende mich ab und gehe zurück in die VIP-Area, von wo man die Band auch hören kann. Als ich eintreffe, sehe ich schon manch gerunzelte Stirn und immer, wenn der Mann am Mikro Geräusche macht, grinsende Münder. "Ich glaube, der hat Rücken", lacht ein Kollege. KNOCKED LOOSE findet zumindest unter den Pressevertretern heute Abend keine Freunde mehr. Es liegt also nicht an mir, zumindest nicht ausschließlich.
Glücklicherweise ist das noch nicht der Rausschmeißer des Festivaltages, denn es folgt ELUVEITIE. Diese Art von keltisch angehauchtem Folk Metal wartet mit fetten Melodien auf und passt gut hinter POWERWOLF. Die Schweizer nehmen die gute Stimmung direkt auf und spielen süße Melodien, gepaart mit Growls und Feuersäulen. Leider klingt Sängerin Fabienne Erni im Opener 'Exile Of The Gods' ziemlich angestrengt, vielleicht ist sie nicht komplett fit, und zudem ist ihr Gesang auch viel zu laut über die Instrumente gemischt. Anschließend gibt es eine Mischung aus Alt und Neu, gefällig und heftig, immer schön dynamisch und spannend. Ja, die neun Helvetierinnen und Helvetier wissen genau, wie sie das Publikum warm spielen und bei der Stange halten. Zwischendurch werde ich aus unserer Gruppe gefragt, was das für eine Sprache sei, denn einige Lieder sind auf Gallisch gesungen, eine Sprache, die ausgestorben ist. Ja, das klingt wahrlich ungewöhnlich, noch dazu in der Paarung mit Flöten, Harfen, Drehleier und was die Damen und Herren sonst noch an altem Tongerät entstaubt haben. Im Verlauf des Auftritts wird auch Sängerin Fabienne etwas zurückgenommen, sodass die siebzig Minuten in der weiteren Spielzeit immer besser munden. Allerdings ist es dann auch genug, denn so langsam kann ich wirklich nicht mehr stehen.
Meine letzte Band des Tages ist GAEREA auf der Wera Stage. Musikalisch wird hier sehr guter Post-Black-Metal geboten. Zum Glück ist der Sound auf der Wera Stage dieses Jahr gut abgemischt, so machen auch die experimentelleren Bands etwas her und sorgen nicht für Ohrenkrebs-Gefahr. Es wechseln sich atmosphärische ruhige Instrumental-Phasen mit schnelleren schlagzeuglastigen Phasen und Gebrülle von Ruben Freitas ab. Dazu noch ein paar interessante und auch ein paar generische Gitarren-Melodien und ein solides Gesamtpaket steht. Mir gefallen gerade die ruhigen Phasen, denn Gebrülle mag ich lieber dosierter als Stilmittel und hier ist es mir noch etwas zu viel. Zur Musik gehört jedoch auch ein obskurer Auftritt mit voll maskierter Band, die statt Gesichtern nur ein aus Runen bestehendes Band-Logo hat. Es fliegen die Haare und Ruben verbiegt seinen Körper merkwürdig. Dazu kommt noch das prominente runde Ornament, das auf einem Ständer im Zentrum der Bühne steht und häufig in Rubens Tanzen und Verbiegen mit einbezogen wird. Ein sehenswerter Auftritt, aber sehr, sehr merkwürdig.
ABBATH spielt noch auf der T-Stage, aber die drei Tage fordern langsam ihren Tribut. Ich höre noch ein wenig des progressiven Black Metals des ehemaligen IMMORTAL-Frontmanns, aber ich kann mich nicht mehr aufraffen, den Weg zur T-Stage anzutreten. Den Rest des Abends schenke ich mir, Andre wird noch Fotos von LONG DISTANCE CALLING machen, aber die Jungs sind regelmäßig auf Tour, da werde ich sie nächstes Mal begutachten. Schluss für heute.
- Redakteur:
- Frank Jaeger