Saxon - Oberhausen
23.01.2003 | 08:5319.01.2003,
Eine recht ansehnliche Anzahl Leutchen, schätzungsweise 1000 - das Durchschnittsalter dürfte wie schon bei der letzten Tour deutlich über 25 gelegen haben - fanden sich am 19.01. in Oberhausen ein, um die "Dankeschön-Tour" der NWOBHM - Legende SAXON zu genießen.
Und die Briten hatten sich Verstärkung mitgebracht: Bevor man sich auf den Retro-Trip Richtung 80er aufmachte, spielten EVIDENCE ONE, WOLF, NOCTURNAL RITES zum Tanze auf.
Aber der Reihe nach...
"Pünktlich", also eine halbe Stunde eher als auf den Tickets angegeben, stürmten die Jungs von EVIDENCE ONE die Bühne und versuchten, mit ihrem an eine härtere Version von BONFIRE erinnernden Metal / Hardrock das recht verhaltene Publikum aus der Reserve zu locken - ohne großen Erfolg, wie man feststellen musste. Auch ich, eher den härteren Klängen zugeneigt, konnte dem Auftritt der sympathischen vier musikalisch nicht viel abgewinnen. Vielleicht lag es am doch recht miesen Sound. Nach einer knappen halben Stunde wurden EVIDENCE ONE denn auch mit Höflichkeitsapplaus verabschiedet.
Nach einer grade mal zehnminütigen Umbaupause hieß es dann "Feuer Frei" für die vier schwedischen Jungs von WOLF. Völlig lässig und unbekümmert schlurfte man auf die Bühne, kurzer Gruß zum Publikum und ab ging's. Musikalisch bot man eine kompetent angerührte Melange aus 80% IRON MAIDEN und 20% HAMMERFALL, garniert mit einigen Tupfern old METALLICA. Das ganze mit treibenden Doublebass aufgepeppt - ein wahrlich ansprechender Appetithappen. Knallhart, rotzig, metallisch. Mir hat's sehr gut gefallen, einige ältere Zuschauer blickten allerdings eher kopfschüttelnd (nicht headbangend) Richtung Bühne.
Als Gag ließ man einen Fan mit Wolfsmaske auf die Bühne (ein nicht unbekanntes Metal-Mag hatte dieses "Extra" in Zusammenarbeit mit der Band unter seinen Lesern verlost), der jedoch aufgrund seiner Tapsigkeit eher belächelt wurde - anyway, showmäßig ließ man ansonsten nichts anbrennen. Das recht professionelle Stageacting liess die Zeit wie im Fluge vergehen und ruck zuck war die halbe Stunde um und die Wölfe krabbelten zurück in Ihre Körbchen. Klasse Band.
Wieder leisteten die Stagehands und Roadies Schwerstarbeit und wieder war die Bühne innerhalb von zehn Minuten für den Special Guest NOCTURNAL RITES bereitet. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die mir gänzlich unbekannten Landsmänner der HAMMERFALLer wurden ihrem Status nicht gerecht. Wie flötete mir mein Kumpel ins Ohr: "Entweder sind die alle stockbesoffen, oder die Nähe zur niederländischen Grenze (und zu bewusstseinserweiternden Kräutlein) macht ihnen zu schaffen."
Trotz Keyboarder - den ich nur vier- fünfmal zu hören bekam - und auf Platte wohl sehr starken Songs wehte mir ein eher laues Lüftchen am Gehörgang vorbei. Saft- und kraftlos der Gesang, unstrukturiertes, hektisches Gitarrenspiel...grausam. Da hatten WOLF schon mehr Power.
Vielleicht hatten die Jungs auch nur einen schlechten Abend, wer weiss ? Natürlich wurden auch die "Nächtlichen Riten" mit etwas Applaus verabschiedet, aber diesen Auftritt kann man nur mit dem Prädikat "Mittelmäßig" versehen, schade...
Zum dritten mal leisteten die Roadies ihr schweißtreibendes Handwerk und enthüllten zwei kleine Podeste rechts und links vom Schlagzeug - aber wo war der legendäre Adler ? Hinter dem Backdrop mit dem SAXON Schriftzug ? Oder sollte er womöglich gar nicht da sein ?
Das Donnergrollen schnitt solche Überlegungen ab - gemäß dem Tourmotto "Heavy Metal Thunder" begannen die fünf Briten mit eben jenem Track und bescherten den Anwesenenden eine Zeitreise in die 80er. Die Lautstärke war deutlich nach oben geschraubt worden und auch sonst war der Sound um einiges klarer und sauberer als noch bei den Vorbands.
Nach dem Schwermetallgewitter ballerten die Sachsen sogleich den nächsten Klassiker "Motorcycle Man" hinterher. Neben dem unheimlich sympathischen und charismatischen Biff (natürlich wieder mit seinem langen Ledermantel bekleidet) fällt sofort der Bassist Nibbs Carter ins Auge - fast durchgehendes Headbangen, Grimassenschneiden, Rumzappeln...unglaublich, ein Energiebündel par excellence. Außerdem einer der wenigen Bassisten, die ohne Plektrum spielen.
Nachdem wir also erst mal eingestimmt waren, kündigte Biff denn auch die erste Überraschung des Abends an: Man spielte tatsächlich "Still fit to Boogie" vom Debüt. Wann hatte man das zum letzten mal live gehört ? Biff meinte, 1981...
Weiter ging's mit dem King Crimson Cover "Court of the Crimson King", gefolgt von "This Town rocks" und "The Preacher". Aus den ersten Reihen konnte die vehemente Forderung nach dem wohl größten SAXON-Hit "Crusader" vernommen werden, die jedoch von einem lachenden Biff mit den Worten "It's not Crusader-Time yet" erst einmal abgelehnt wurde. Erst bekamen wir noch "Broken Heroes" und, als eines der langsamsten SAXON Stücke angekündigt, "20.000 Feet" in die Gehörgänge gemeißelt. Wir hüpften mal eben ins "Hier und Jetzt" und erlebten "Deeds of Glory" vom "Killing Ground" Album. Das war's aber auch (fast) schon mit Songs aus den 90ern.
Nach meinem absoluten SAXON Lieblingssong "747 Strangers in the Night" wurden wir befragt, ob wir lieber was von "Metalhead" hören wollten, oder "Dallas 1 PM"...die Story aus Dallas sollte es selbstverständlich sein. Und, Überraschung, auch die ungeliebte "Rock the Nations" Scheibe wurde mit "Battle Cry" gewürdigt.
Nibbs Carter wurde immer noch nicht müde und schüttelte sein Haupthaar weiter ohne Unterlass - von Müdigkeitserscheinungen keine Spur. Man hatten ja auch noch einiges vor mit dem Oberhausener Publikum...
Fritz Randow durfte kurz seine Fähigkeiten an den Drums demonstrieren - gottseidank nur fünf Minuten, denn solche Einlagen sind meiner Meinung nach überflüssig. Aber dann : "The Eagle has Landed" wurde angekündigt und unter lauten Jubelrufen fiel das Backdrop und der ruhmreiche Adler konnte auf die Jagd gehen. Einziger Nachteil von "Biff's Budgie": Als er seine Lichtlein leuchten liess, wurden wir blind - so hell fräßten sich die Lichtstrahlen in die Augen. Dass die abgestrahlte Wärme die Temperatur in der Halle locker um 30° C erhöhte, wurde von Band und Zuhörerschaft ohne Murren hingenommen...
Das nachfolgende "Requiem - We will remember" wurde allen verstorbenen großen (Rock-)Musikern gewidmet...ehe Urgestein Paul Quinn mit stoischer Ruhe und einem Riff für die Ewigkeit das gefeierte "Princess of the Night" einleitete - welch ein Track, dessen Refrain durch das begeisterte Mitgröhlen (warum war ich bloß zwei Tage später noch heiser ?) noch geiler rüberkam.
Dann war Schluss. Schluss ? Nein, wer SAXON kennt, weiß, dass noch lange nicht Schluss war.
Es fehlten noch einige Hits und "Strong Arm of the Law" war denn auch die erste Zugabe, einmal mehr übte sich die Halle im Chorgesang. Die Metalhymne "Denim & Leather" darf bei keinem Gig der Briten fehlen und wurde, wie eigentlich jedes Lied, frenetisch aufgenommen.
Das war's denn auch.
Nein, natürlich nicht, Doug Scarrat enterte die Bühne und fiedelte uns auf seiner Klampfe was vor, bevor man gemeinsam die "Wheels of Steel" rollen ließ und mit dem üblichen Mitsingspielchen nochmals das Publikum einbezog. Biff wünschte sich dabei, dass wir uns unsere Gedärme aus dem Hals singen sollten, was zwar nicht ganz geschafft wurde, aber immerhin, wir waren nahe dran.
Nach gut zwei Stunden geiler SAXON-Show gingen dann aber die Lichter in der Halle wieder an und ich sah allerorts nur strahlende Gesichter. Ein geniales Konzert war es gewesen, die kleinen Ausfälle EVIDENCE ONE und NOCTURNAL RITES konnten leicht verschmerzt werden. Ansonsten gilt:
"The Eagle flies again."
Empfehlung: Hingehen.
Setlist SAXON:
HeavyMetal THunder
Motorcycle Man
Still Fit To Boogie
Court Of The Crimson King
This Town Rocks
The Preacher
Broken Heroes
20.000 Feet
Crusader
Deeds Of Glory
747 Stranger In The Night
Dallas 1 PM
Battle Cry
Drum-Solo
The Eagle Has Landed
Requiem (We Will Remenber)
Princess Of The Night
--------
Strong Arm Of The Law
Denim & Leather
---------
Guitar-Solo
Wheels Of Steel
Gastautor Martin Simon
- Redakteur:
- Gastautor