Summer Breeze - Dinkelsbühl
11.09.2007 | 23:1915.08.2007, Festivalgelände
Newcomer Stage Winner: STITCH
Die Gewinner des gestrigen Newcomer-Contests, STITCH, stehen heute wieder auf den Brettern und dürfen ihren Fans diesmal im Großformat auf der Painstage ihr Können beweisen. Die Buben spielen die identische Setlist des vorherigen Abends runter und haben wieder sichtlich viel Spaß am Spielen.
Später tut sich nach Aufforderung der Band wieder ein schöner Pit auf, und es kreisen Haare, Schultern und ganze Oberkörper. Hier merkt man den Unterschied zwischen Zelt- und Open-Air-Bühne direkt an der Stimmung. Im Zelt ging es dann gestern doch etwas mehr ab.
[Sebastian Schneider]
SWALLOW THE SUN: Doom zum Frühstück
'Don't Fall Asleep' ist irgendwie ein guter Song zum ersten Kaffee bzw. Bier, und SWALLOW THE SUN sind mit ihren melancholischen Klängen genau das Richtige zum Festivalauftakt auf der Main Stage. Nachdem ich die Finnen mit ihrem doomig-düsteren Sound schon auf diversen Club-Shows bewundern durfte, überraschen die Jungs auch mit einer erstaunlichen Routine und Selbstsicherheit auf der großen Bühne und zu so früher Zeit. Doch zahlreiche Fans, die mit stiller Bewunderung und großer Begeisterung die schönen Klänge der außergwöhnlichen Band aufnehmen, geben SWALLOW THE SUN den richtigen Kick, um noch mehr aus sich herauszugehen. Sänger Mikko Kotamäki wirkt zwar immer noch schüchtern und klammert sich etwas reglos an sein Mikro, doch an seinem Gesang gibt es nichts auszusetzen, und die Show-Elemente kommen dann vor allem von seinen Mitstreitern Juha Raivio an der Gitarre und Matti Honkonen am Bass. Die beiden scheinen sich fast im Headbangen gegenseitig übertreffen zu wollen und bilden den passenden Kontrast zum "Fels in der Brandung", Mikko. Leider haben in einer halben Stunde nicht so viele lange Songs Platz, und so ist nach 'Swallow' auch schon viel zu früh Schluss. Schade, denn die düstere Wolkenkullisse passt gerade so gut dazu, und die schöne Doom-Trance und emotionale Stimmung, in die uns SWALLOW THE SUN versetzen, macht süchtig. Zum Glück touren die Jungs bald wieder durch Europa als Support von AMORPHIS.
[Caroline Traitler]
FEAR MY THOUGHTS: Fröhlicher Metalcore am Morgen
Es scheint ein Trend zu sein bei Metalcore-Bands: Man ist freundlich, gut gelaunt und immer um einen lockeren Spruch um die Lippen reicher als die anderen. Das, was man später auch bei CALIBAN bewundern darf, ist auch bei den Herren von FEAR MY THOUGHTS angesagt, obwohl sich diese, wie der Opener 'Accelerate Or Die' wuchtig beweist, nicht mehr so im Metalcore beheimatet wie manch anderer anwesender Trupp. Dass das aber auch nicht viel hilft, zeigen sowohl Rufe nach einer, zugegebenermaßen versauten, Wall of Death als auch ein beständig hüpfendes Publikum. Die frühen Hüpfer werden dabei mit einem anständigen Mix aus alt und neu angeheizt, sowie der eingangs erwähnten Gute-Laune-Sprücheklopferei von Frontmatthias Benedikt von Ockl, und schlussendlich auch einem Sound, der dem druckvollen FEAR MY THOUGHTS-Kracher genau den Wumms gibt, den er braucht. Ein guter Start in den Tag.
[Lars Strutz]
IMMOLATION: Technischer Mittagstisch
Wieso Bands wie IMMOLATION oder INCANTATION nicht längst dort stehen, wo MORBID ANGEL trotz ellenlanger kreativer (?) Auszeit sich immer noch befinden, nämlich auf dem US-Death-Metal-Thron, ist mir immer noch ein Rätsel. Gut, die Jungs um Ross Dolan haben zwar keinen Pete Sandoval oder gar einen Trey Azagthoth anzubieten, sind aber an ihren Instrumenten mehr als nur fit und haben es mittlerweile auch gelernt, richtig feine Songs zu schreiben, die einen ausgeglichenen Anteil von Geschrote, Eingängigkeit und Frickeleien zu bieten haben. Nachzuhören am Meilenstein "Close To A World Below", der hier auch im bunt gewürfelten und leider etwas kurz geratenen Set zum Zuge kommt. Die neuen Sachen von der im Mai erschienenen Langrille "Shadows In The Light" tönen ebenfalls ordentlich, doch irgendwie ist der Gig zwar toll und beeindruckend, aber das gewisse Extra fehlt. Die Magie, welche MORBID ANGEL-Evergreens zu solchen macht. So ist das Ganze dann ein schöner Zeitvertreib und ein guter Auftritt, von denen es in diesem Jahr aber recht viele in Dinkelsbühl zu bewundern gab.
[Rouven Dorn]
LACRIMAS PROFUNDERE: Mit neuem Sänger in eine neue Ära
LACRIMAS PROFUNDERE ist so eine Band, die ich auf CD immer sehr zu schätzen weiß, die mir live allerdings noch nie so viel gegeben hat - und so sind meine Erwartungen auch dieses Mal nicht wirklich hoch und die Überraschung umso größer, als die Jungs plötzlich mit neuem Sänger dastehen. Okay, ich wusste, dass Sänger Christopher die Band verlassen hatte, aber dass sich die Jungs mit ihrem neuen Sänger gleich einen so talentierten Ersatz ins Boot geholt haben, haut mich vom Hocker. Der Herr hat zwar eindeutig den Ville Valo in der Stimme, was aber nicht unbedingt negativ ist, und auch seine Rockerattitüde und Selbstsicherheit passt hervorragend zur Show. Immerhin ist das laut Insiderinfos erst sein vierter Auftritt, und dafür muss man ihn fast doppelt loben, denn die Routine, mit der Rob den Frontmann gibt, sticht sogar seinen Vorgänger aus, große Klasse! Auch an der Setliste gibt's nichts zu meckern, und Songs wie 'Amber Girl' oder 'Sweet Caroline' wissen zu gefallen, und das - größtenteils weibliche - Publikum in der ersten Reihe geht begeistert mit. Wenn LACRIMAS PROFUNDERE diesen Herrn am Mikro behalten, dann werde ich mir die Jungs vielleicht doch gerne mal öfters live ansehen, denn der Sängerwechsel hat sichtlich frischen Wind und neue Energie in die Band gebracht und wirkt sich auf den gesamten Auftritt nur postiv aus, sehr gut!
[Caroline Traitler]
AFTER FOREVER: Ach, wir ham noch andere Alben?
Eine energiegeladene, ventilatorgestützte und vom Publikum abgefeierte Show können AFTER FOREVER definitiv vorweisen. Kein Wunder, hat doch die Band aus Holland mit dem selbst betitelten Meisterwerk dieses Jahr ein Album vorgelegt, das sich zu Recht auch live hervorragend abfeiern lässt. Auch die kleinen Ansagen von Floor Jansen tragen ihr übriges zur Stimmung bei, selbst die für dieses Album wichtige Orchesterpassagen kommen gut aus dem Keyboard raus, so dass wir definitiv eine gelungene Vorführung des guten Werks zu Ohren bekommen. Nur, und da liegt das Problem, AFTER FOREVER können in ihrer Karriere doch tatsächlich auf vier andere Albe zurückblicken, und aus der ganzen Auswahl nur einen einzigen Song zu spielen, ist besonders für Altfans der Band doch etwas traurig. Da rüttelt auch der Gänsehauterzeugende Auftritt von Doro Pesch nicht viel, die das Spitzenduett 'Who I Am' gemeinsam mit Floor wie auf dem Album schmettern darf. Wer wie AFTER FOREVER sich eine gute Fangemeinde aufweisen kann, und dann mal plötzlich die gesamte Karriere vergisst, macht sich zumindest bei mir unbeliebt. Das Ganze rüttelt natürlich nichts an einem wunderbar gelungenen Auftritt, hinterlässt aber trotz allem einen faden Beigeschmack.
[Lars Strutz]
KRYPTERIA: Nur der Hüftschwung zieht
Nach AFTER FOREVER wackelt alles brav vor die kleinere Bühne - aber wahrscheinlich nur, um die koreanische Sängerin zu beäugen. Hände recken sich jedenfalls nur wenige zum Klatschen empor, zu sehr scheinen die Männeraugen von Ji-Ins roter Korsage und Lederhose abgelenkt. Währenddessen spielt der Schlagzeuger mit seinen Sticks und lauscht der Gitarrist vergeblich nach etwas mehr Anfeuerung. Erst als Ji-In die Hüften kreisen lässt, fällt der Applaus etwas größer aus. Die Klänge wandeln sich von anfangs poppig zu recht düster, und mit der klassischen JUDAS PRIEST-Pose zeigen KRYPTERIA dann auch durchaus ihre Berechtigung auf einem Metal-Festival. Ob sie ihre Tsunami-Benefiz-Single spielen, bekomme ich allerdings nicht mit, da langsam doch das erste Bier des Tages ruft.
[Carsten Praeg]
RAGE: Mike wer?
Für reine Festivalgänger ist der heutige RAGE-Auftritt ein besonders wichtiger. Denn nach dem folgenschweren Austritt von Trommlerikone Mike Terrana war die Frage nach der Qualität des neuen Drummers André Hilgers auch nach dem Wacken nicht zu beantworten, da dort ja kein reguläres Set gezockt wurde. Und so richten sich alle Augen aufmerksam auf den kleinen Mann hinter dem Drumkit und der Frage nach der Qualitätsschwankung. Nun, definitiv nicht schlecht, was bei Nummern wie 'Straight To Hell', 'Don't Fear The Winter' oder 'Dies Irae' nun aber auch nicht sonderlich schwer ist. Sowieso bietet die Setlist trotz anfänglicher Belastung auf der neuen Platte genügend Spaß und Überraschungen, um vom Besetzungswechsel abzulenken. Dafür sorgen auch die Saitenakrobaten Peavy Wagner und Victor Smolski, der eine mit netten Sprüchen und Versprechern (im Sinne von erst den einen Song versprechen und dann merken, das man in der Setlist verrutscht ist), der andere mit seiner immer wieder schön zu beobachtenden Saitenspielerei. Das Schönste kommt aber am Schluss: Selbst bis zu den obligatorischen Klängen zu 'Higher Than The Sky' ertönt kein Trommelsolo. Wer schon mal ein Terrana-Solo auf Festivals gehört hat, weiß was ich meine. Nichts gegen die unbestritten beeindruckenden Künste des Trommlers, aber die Songzeit die auf jedem Festival draufgeht, ist einfach traurig. Und so kann ich diesmal nicht nur wegen des Songs eine Träne aus dem Auge drücken.
[Lars Strutz]
THE BLACK DAHLIA MURDER: Blastende Ami-Hardies
Wer zur frühen Abendstunde noch die Knüppel-Dröhnung braucht, dem sei mit THE BLACK DAHLIA MURDER geholfen. Die Sonne scheint noch freundlich auf die Menge hinab, als die Detroiter Jungs ihr deathig-hardcoriges Geholze auf die Zuschauer loslassen. Dabei wird geschrieen und gegrowlt, was das Zeug hält, und bei den entstehenden Moshpits kein Auge trocken gelassen.
Musikalisch kann sich das Ganze auf jeden Fall sehen lassen, denn die Jungs wissen definitiv, wie sie ihre Instrumente zu halten haben und beeindrucken nicht zu geringfügig mit ihrem Können. Fast nebenbei spielen sie währenddessen eine super Mischung aus den geilsten Songs ihres Repertoires runter und begeistern damit die Fans. So muss Geholze klingen!
[Sebastian Schneider]
DORO: Lecker-altbekanntes
Eigentlich könnte man sich die Show von Frau Pesch auch vom Zeltplatz aus anhören. Denn der Sound ist laut und gut, und die Show der guten besteht aus denselben Teilen, die man mehrere Jahre schon von DORO gewohnt ist. 'Earthshaker Rock', 'I Rule The Ruins', 'Für Immer' oder 'All We Are', sonderlich viel Neues bietet sie damit sicherlich nicht. Dabei auch wie immer mit dabei: der inflationäre Gebrauch der Anfeuerungsrufe, die nach einer bestimmten Zeit mit teilweiser Verweigerung quittiert werden. Doch bitte, bitte diesen Bericht nicht schlecht verstehen, denn trotz allem war der Auftritt ein sehr gelungener. Zum einen, weil es natürlich immer noch eine Freude ist, mit der ganzen Meute 'All We Are' zu grölen, weil Frau Pesch immer noch beweist, was für eine fraglos geniale Stimme sie hat und weil das putzige Fräulein auch nach all den Jahren immer noch gut aussieht. Und, wer das alles noch nicht kennt, hat erst recht Spaß. Zum anderen, weil die gesamte Show überaus gut funktioniert und auch bei der Meute recht gut ankommt. Und vor allem, weil sie es schafft, ihre Schmachtnummer 'In Liebe und Freundschaft' für sich zu behalten. Danke, DORO!
[Lars Strutz]
SUFFOCATION: Multikulti-Blast-Attacke
Nachdem mir die Jungs von TANZWUT "hingebungsvollst" meinen Biermuskelt signiert haben, mache ich mich nun auf den Weg zu den Ami-Deathern und Urgesteinen des Death-Grind: SUFFOCATION. Wie erwartet bietet sich mir ein traumhafter Anblick an musikalischem Können und viel Leidenschaft und Spaß an der Musik. Die New Yorker legen sich für ihre Fans sichtlich ins Zeug. Aber leider schmälern einige Defizite die Stimmung: Zum Beispiel schafft es der Sänger einfach nicht, seine typische, markante Growl-Stimme an den Tag zu legen und grölt eher vor sich hin. Ein anderer Makel ist der nicht ganz ausgereifte Sound, der mir hier entgegenschallt. Das Schlagzeug ist beispielsweise etwas zu leise und auch insgesammt könnte mehr Bumms hinter dem Gig stecken.
Den Fans scheint es jedenfalls zu gefallen. Allen anderen ist wohl der heftige Umschwung DORO zu SUFFOCATION doch zu krass.
[Sebastian Schneider]
NEVERMORE: Überraschend und unschlagbar
Die Seattleianer machen mir nicht langsam, sondern ganz sicher Angst. Seitdem JAG PANZERs Chris Broderick mit auf den Brettern herumturnt, ist man es ja schon gewohnt, dass NEVERMORE ein unvergessliches, bis auf Kleinigkeiten makelloses (Hallooo Sound!) Konzert abliefern. Die Band ist perfekt Eingespielt, versprüht 'nen Arsch voll Spielfreude und hat auch endlich Spaß daran gefunden, den gesamten Backkatalog zu präsentieren. Nein, nicht SANCTUARY, leider. Aber immerhin den kompletten von NEVERMORE. So kam bereits auf der Tour zum aktuellen Album überraschend viel von "Dreaming Neon Black" zum Zuge, ein Trend, der auf dem Summer Breeze noch ausgebaut werden sollte: Wenn man nicht gerade zu den Glücklichen zählt, die auf der damaligen Tour präsent waren, so dürfte man mittlerweile mal nach 'Deconstruction' gelechzt haben, besonders dann, wenn einem auch 'Beyond Within' um die Ohren geblasen wird. Und so ist die zelebrierte Dekonstruktion auch eines der ganz großen Highlight des Auftritts, bei dem selbst 'Posion Godmachine' zum Zuge kommt. Huch!
Natürlich leiden darunter die anderen NEVERMORE-Hits, aber zwei Stunden Spielzeit sind nunmal nicht vorgesehen. Und ganz ehrlich: Dafür, dass vom Gefühl her fast der komplette Neonschwarze Traum am geistigen Auge vorbeizieht, kann man auch mal auf den einen oder anderen Song verzichten, der beim nächsten Konzert mit Sicherheit wieder in der Setlist auftauchen wird.
Fronter Warrel scheint indes wirklich ein komplett neues Leben begonnen zu haben, er wirkt nicht nur stimmlich imposanter, gefestigter und noch facettenreicher und lebt deutlich gesünder, sondern kann wohl auch endlich auf das dunkle Kapitel seiner eigenen Geschichte zurückschauen, welches er mit "Dreaming Neon Black" vor bald einem Jahrzehnt vertonte. So gesehen wage ich zu behaupten: Wie gut NEVERMORE noch sein können, werden wir erst in ein paar Jahren sehen. Bis dahin bitte weiter solche Göttergaben der Marke 'This Godless Endeavor' live spielen. Und den JAG PANZER ganz lassen. Danke.
[Rouven Dorn]
TANZWUT: Spaßiges Cyber-Gedudel
Die Jungs von CORVUS CORAX sind dieses Jahr schon wieder auf'm Breeze. Nur diesmal etwas abstruser gekleidet, auch super gelaunt und unter dem Namen TANZWUT unterwegs. Gegen zehn Uhr abends machen die Buben die Painstage unsicher und stehen dabei vor einem prall gefüllten Gelände voller tanzwütiger Fans, die ihren Helden entgegenjubeln und den amüsanten Ansagen des Teufels kräftig Folge leisten.
Die Bandmitglieder selbst haben sichtlich Spaß an der Sache und hampeln und tauschen Instrumente, was das Zeug hält. Ich muss sagen, dass es echt selten ist, dass ich auf einem Konzert eines Metal-Festivals mal keine Menschenseele bangen sehe. Mag ja eigentlich bei solch einer Musik wie jetzt klar sein, aber es gibt ja bekanntlich Idioten, die es schaffen, zu jedem Takt, egal von welchem Instrument, ihr Haar zu schwingen. Auch Moshpits gibt es keine. Sehr angenehm, muss ich sagen. Trotzdem geht die Menge auf ihre Art und Weise ab und hat eine super Stimmung, die von TANZWUT auf einem permanent hohen Level gehalten wird.
[Sebastian Schneider]
AMON AMARTH: Geschichtsstunde
Für den Bericht des unbestrittenen Headliners muss ich ein bisschen weiter ausholen, als einfach nur zu erzählen, dass es sich um eine der derzeit am meisten auf Festivals zu findenden als auch besten Death-Metal-Truppe aus Schweden handelt, an deren gelungenen Auftritte ihre unsagbar geilen Melodien einen großen Anteil tragen. Nein, ich erzähl lieber etwas mehr: Kurz vor Beginn des Auftritts finden meine Kollegen Carsten, Sebastian und ich heraus, wie herrlich einfach es ist, auf dem Breeze hinter die Bühne zu kommen. Nachdem dieser Spaß bei TANZWUT schön ausgekostet wird, kommt die Idee, das auch beim Headliner zu versuchen, großartig an. Nachdem man einfach über eine Absperrung gehüpft ist, steht man bereits hinter der riesigen Mauer, die dem Publikum die Sicht auf Band und Schiff verdeckt, und hört lautstark dem Ruf "Die Mauer muss weg" zu. Und während meine Kollegen von der etwas säuerlichen Security aus dem Weg und aus dem Backstagegelände geworfen werden, halte ich mich gut versteckt an den Verstärkern fest und beobachte eine einfach atemberaubende Performance.
Denn allein der Start der Wikinger mit dem Opener des neuen Opus "With Oden On Our Side" zieht die Menge sofort in ihren Bann, und nicht nur das. Beackert werden zwar mit einer Ausnahme nur die letzten drei Alben "Versus The World", "Fate Of The Norns" und das erwähnte "With Oden On Our Side", aber eben wegen der überragenden Qualität ersten und letzteren Albums reicht auch das schon aus, um die Menge in schiere Raserei zu bringen. Überhaupt ist diese Idee schon Garant für eine Übershow, denn Songs wie 'Death In Fire', 'Victorius March' mit der ersten Strophe in Deutsch, sowie langsamere Hämmer wie 'Where Silent Gods Stand Guard' oder 'Runes To My Memory' reichen wirklich für viele Headbanger heute Abend, auch die letzte Chance auf ein einfaches Kämmen am nächsten morgen zu versauen. Aber die Show erst: Da schießen alle Nase lang Flammen aus dem Boden empor, Wikinger kloppen sich, dass die Funken nur so fliegen und die Jungs um Growlmeister Johann Hegg posen auf dem eigens fürs Breeze gebauten Wikingerschiff, dass sich dessen Balken biegen. Haare werden in Rotation versetzt, das Publikum mit Ansagen aufgepeitscht und ein Bandklassiker der neueren Episoden nach dem anderen in die Masse reingepfeffert. Einfach wunderbar.
Gegen Ende marschiert Hüne Johann Hegg noch mal schnell an den Bühnenrand, um dankbar die Hände der kräftigen Wikinger abzuklatschen, um sich zu bedanken. Zum Glück bemerkt er nicht die schüchterne, kleine Tatze meinerseits, die ihm auf dieser Weise zu einer wirklich gelungenen Show auf dem Breeze gratuliert. Spitzenleistung!
[Lars Strutz]
DORNENREICH: Emotionen pur
Das letzte Mal DORNENREICH war für mich Neuland, ein reiner Akustik-Gig, der zwar verzaubern konnte, aber auf Dauer auch etwas monoton war. Dieses Mal soll alles anders werden: Zwar mit Verstärkung und richtigen Gitarren, aber nicht spartanisch ohne Violine und Bass. Großmeister Eviga hat nicht nur Tausendsassa Mo Neuner an den Drums dabei, sondern auch seinen musikalischen Gegenpart Inve an der Geige dabei. Obendrauf gibt's noch Klampfen satt, Keyboards und einen Viersaiter. Das klingt doch gleich ganz anders, voluminös, erhaben und mitreißend, nicht spartanisch und zerbrechlich. 'Ich bin aus mir' klingt dermaßen heftig und fies, dass das Stück kaum zu erkennen ist, wenn man in den letzten Jahren nur von Arrangements gewohnt ist, die weniger Punch als auf Platte besitzen.
'Wer hat Angst vor Einsamkeit?' wird so zu einem Monument aus düsterer Verzweiflung, gelebten Emotionen und einer großen Portion Angst und Unsicherheit. Gänsehaut statt Gänsemarsch? Aber hallo. Eviga ist hervorragend bei Stimme, meistert jede Klangfarbe, jede Emotion, die er rüberbringen möchte. Ich glaube, DORNENREICH hätte nichts, aber absolut nichts besseres passieren können, als dass sie mal wieder als vollwertige Band spielen. Da zeigt sich erst, wie verdammt gut, mitreißend und beeindruckend diese Band ist, wenn sie nicht nur so heftig, sondern noch eine Spur tiefgängiger, livehaftiger als auf Platte klingt. Das Stageacting spricht Bände, die Tiroler fühlen sich sichtlich wohl auf der Bühne, auch wenn Eviga hin und wieder noch ein wenig schüchtern wirkt - was man dann ob der dargebotenen Action von ihm, der ganzen verzweifelten Grimassen und der Inbrunst, mit der er seine wunderschönen, nachdenklich machenden lyrischen Ergüsse intoniert, fast gar nicht abkaufen kann.
Die 'Trauerbrandung' vom heute Abend glücklicherweise viel beachteten Werk "Her von welken Nächten" beschließt dann einen Auftritt, der mir aufgrund seiner unglaublichen Intensität als der beste, schönste und mitreißendste Auftritt beim diesjährigen Summer Breeze im Gedächtnis haften bleibt. Und zwar noch lange, lange, nachdem DORNENREICH von der Bühne verschwunden sind ...
[Rouven Dorn]
Partyzelt
DEADLOCK - Metalcore für eine bessere Welt
Pünktlich um ein Uhr betreten DEADLOCK die Bühne und eröffnen die Sause in einem fast vollständig gefüllten Partytent. Fronter Johannes Prems' "Come On Motherfuckers!" zu Beginn des Openers 'We Shall All Bleed' wird für einen Quasi-Newcomer überraschend bereitwillig vom Publikum aufgenommen, dementsprechend aufgelockert schmettern die Schwarzenfelder ihre Metalcore-Brecher unter die Leute, wenn auch im Großen und Ganzen etwas mehr Bewegung die Stimmung sicherlich noch mehr anheizen könnte. Songtechnisch konzentriert man sich vor allem auf das aktuelle Album "Wolves" und beweist, dass das Zusammenspiel aus Johannes' Growls und den cleanen Parts der mittlerweile fest eingestiegenen Sabine Weniger live ebenso gut wie auf Konserve funktioniert. Gelungener Auftakt für die feierwilligen Massen.
[Imperium - metal.de]
NIGHTRAGE - Schweden trifft Griechenland trifft Monotonie
Zweiter Teil der gelungen Nachtsession im Party-Zelt. Leider nicht so gelungen: NIGHTRAGE. Langweilten mich die Schweden-Griechen schon auf den letzten Hallentouren, würde es in dieser Nacht leider nicht besser werden. Sänger Jimmie Strimmell zeigt sich zwar sehr motiviert und agil, leider ist der junge Mann stimmlich doch etwas limitiert. Peinlich sind die von ihm angestimmten, selbstbeweihräuchernden NIGHTRAGE-Sprechchöre. Die Musik an sich tut nicht weh, ist handwerklich zum Teil gut umgesetzter Melo-Death-Core, reißt mich aber mal überhaupt nicht vom Hocker. Zu vorhersehbar, zu konstruiert, da hilft auch das kompetente und agile Auftreten des Fünfers nicht. Songs wie 'Scars Of The Past' oder 'Be Nothing' haben ihre starken Momente, gehen aber im totgenudelten Metalcore-Wust leider etwas unter. Langweilig!
[Raphi - metal.de]
FALL OF SERENITY: Letzte Kräfte sammeln
Spät war's, aber die Stimmung deshalb kaum schlechter, obwohl sich erste Ermüdungserscheinungen beim Publikum einschleichen und sich die Reihen doch zusehends lichten. Für die Band scheint das aber gerade Ansporn zu sein, das Feuer der verbliebenen Fanschaft mit einer hochenergetischen Show neu zu entfachen. So flitzt Sänger John wie gestochen über die Bretter und verdient sich redlich den Applaus aus dem Rund, der mit der Dauer des Auftritts immer heftiger wird und die Jungs zur handfesten Überraschung werden lässt. Trotz der späten Stunde gefallen die monströsen Metalcore-Salven der Band aus Ostdeutschland und hinterlassen einen bleibenden Eindruck, der die Jungs durchaus für einen Platz auf einer der beiden Hauptbühnen empfiehlt.
[Norman - metal.de]
WAR FROM A HARLOTS MOUTH: Komplexes zum Abschluss
Es ist beinahe schon vier Uhr, als die Berliner von WAR FROM A HARLOTS MOUTH, die einen eigenen Fanclub aus der Hauptstadt mitgebracht haben, die Bühne des Partyzelts entern und mit ihrem eigenartigen, enorm verspielten Hardcore (auch Mathcore genannt) für offene Münder sorgen. Da bleibt dir - wie auch bei der neuen, Anfang September erscheinenden Scheiblette "Transmetropolitan" - die Spucke weg. Und das vollkommen zu Recht! Die Jungs um den tollwütig die Bühne beackernden Frontmann Steffen geben selbst zu später Stunde vor einem sich allmählich nach dem eigenen Zelt sehnenden Publikum alles, als würden sie vor mehreren tausend Menschen auf der Main Stage spielen. Ich liebe dieses in Chemnitz sitzende Label, auch wenn ich zu denen gehöre, die bereits kurz vor Schluss ihr Zelt aufsuchen müssen.
[Christian Falk]
- Redakteur:
- Caroline Traitler