Summer Breeze 2005 - Abtsgmünd
19.09.2005 | 22:1618.08.2005,
MIDNATTSOL
Am ersten Festivaltag lief zunächst nicht alles so, wie es sollte: Bändchen holen, Zelt aufbauen und das erste Bier aufmachen war zwar kein Problem. Aber der im letzten Jahr äußerst lieb gewonnene Schleichweg irgendwo über den Backstage-Bereich wurde uns dieses Mal leider verwehrt, weshalb wir uns in der allgemeinen Verwirrung brav in die lange Schlange vorm Eingang einreihten. Gute 20 Minuten später hatten wir den neuen Schleichweg zwar erspäht, waren aber auch so bereits auf dem Gelände angekommen. So viele Leute - und alle wollten zu MIDNATTSOL? Unvorstellbar ...
Obwohl die Band um die kleine Schwester von Liv Kristine Espanaes (Ex-THEATER OF TRAGEDY, LEAVE'S EYES) schon einige Besucher angelockt haben dürfte. Die ebenso liebreizende wie blonde Carmen ähnelt ihrer großen Schwester nämlich sowohl optisch als auch stimmlich sehr - und genau da liegt für mich der Hund begraben. Steckt man eine Sängerin mit dem typischen Espanaes-Engelsgesang und -Charme nämlich in ein langes weißes Kleid mit Fransenärmeln, erhält man im Ergebnis eine Kreuzung aus Liv Kristine und WITHIN TEMPTATION, allerdings mit einer deutlich abgespeckten Kleid-Variante. Mal ganz davon abgesehen, dass Carmen das Gewand laut Scheffe Georg obenrum nicht ganz ausgefüllt haben soll, war ihr mit-den-Fransenärmeln-wedeln und sich-brav-die-Haare-aus-dem-Gesicht-streichen (gebangt hat sie vielleicht zehn Sekunden) einfach zu klischeehaft - gerade weil ihre Begleitband dazu die bösen Jungs raushängen ließ. Da fand ich die headbangende Bassistin Birgit schon wesentlich cooler. Und warum waren alle Ansagen dieser deutsch-norwegischen Formation auf Englisch?!?
Musikalisch gab es ausschließlich Songs des Debütalbums "Where Twilight Dwells", das die Band selbst als "Nordic Folk Metal" bezeichnet, wobei man das Folk-Element echt mit der Lupe suchen musste - aber "Melodic Metal mit Frauengesang" klang wohl zu banal.
Wem die Scheibe gefallen hat oder wer sowieso auf alles steht, was irgendwie mit Liv Kristine zu tun hat, der dürfte auch mit der Performance von MIDNATTSOL zufrieden gewesen sein. Sie war nämlich genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
FINAL BREATH
Die sympathischen Thrash-Metaller von FINAL BREATH hatten bereits auf dem diesjährigen Party.San Open Air für gute Laune gesorgt. Im Vergleich dazu war dieser Auftritt allerdings nur halb so gut. Wo waren die Späßchen, die Sänger Jürgen Aumann zuletzt nahezu im Minutentakt mit seinen Bandkumpels gemacht hatte? Immerhin lief er auch hier wieder mit einem Dauergrinsen und hochrotem Kopf über die Bühne und holzte mit seinen Mitstreitern ein ordentliches Brett. Nicht wirklich originell, aber durchaus okay.
BORN FROM PAIN
Die Holländer in eine Schublade zu stecken ist wirklich nicht leicht. Hardcore-Elemente verbinden sich mit Death-/Thrashparts zu allem, aber nicht zu typischem Metalcore. Allerdings kann ich generell mit Basecap-Mucke nicht allzu viel anfangen, denn die schmückten die Häupter der meisten Bandmitglieder. BORN FROM PAIN beschallten aber auch den Zeltplatz, wo wir endlich unsere hessischen Nachzügler Tolga und Carsten in Empfang nehmen konnten, noch äußerst druckvoll und dürften auch den letzten Festival-Besucher aus dem Schlaf gerüttelt haben.
(Elke Huber)
ANOREXIA NERVOSA
Das war sie also, die französische Truppe, von der mir Kollege Henri schon so viel vorgeschwärmt hat: Die einzige Black-Metal-Combo, die sich Keyboards erlauben könne. Nun, die Zuschauer erschienen zwar noch nicht so zahlreich vor der Painstage, dafür reckten sich prozentual gesehen umso mehr Teufelshörnchen in die Luft. Nach einem lateinischen Intro hörte man von den besagten Keys bei dem Geknüppel allerdings so gut wie gar nichts, auch wenn der Keyboarder ordentlich darauf rumhackte. Der Sänger erinnerte derweil irgendwie an eine Black-Metal-Version von ALICE COOPER. "I wanna see some chaos!", kündigte er 'Sister September' an. Hinter ihm flackerte das Stroboskop, das bei strahlendem Sonnenschein aber keine sonderlich düstere Stimmung erzeugen konnte. Und Sonne macht bekanntlich albern: Kurz vor mir stand einer mit dem Schriftzug "...troll" auf den Schultern. Na, klingelt's? Sah aber eher nach Edding als nach Tattoo aus. Ansonsten waren im Publikum auf vereinzelt Pandabärchen zu sehen, die eifrig die Haare fliegen ließen. Insgesamt ein mit infernalischen Songs gespickter und sehr ambitionierter Gig, der allerdings recht wenig Beachtung fand.
(Carsten Praeg)
THE BONES
Das sympathische Quartett bot nach den "Magersüchtigen" etwas Erholung für die geschundenen Ohren. Ihre Mischung aus 70er-Punk und PSYCHOPUNCH war der ideale Soundtrack für das sommerliche Wetter. Ein weiterer Pluspunkt war, dass die Band über drei Sänger verfügt hatte, was das ganze etwas abwechslungsreicher gestaltete. Einzig der Frontmann war ein bisschen neben der Spur, denn wie sonst konnte er sich zu Ansagen wie "It's good to be back in Bavaria" hinreißen lassen – und das gleich zwei Mal! Im Posen war die Band echt groß, wobei der Gitarrist von der Optik her gut zu den V8WANKERS passen könnte. Die Songs wurden nur so rausgehauen und neben mir bildetet sich sogar ein kleiner Moshpit. Mir wurde es zwar auf die Dauer zu langweilig, aber die meisten hatten ihren Spaß. Alles in allem ein solider Gig, aber auf der großen Bühne waren die Jungs meiner Meinung nach ein bisschen verloren. Alles in allem ein guter "Rock'n'Roll-Knochen", mit ein bisschen zu zähem Fleisch daran.
(Tolga Karabagli)
IMPIOUS
Auf der Pain Stage ging's dann weiter mit den Schweden von IMPIOUS, deren Death Metal für schwedische Verhältnisse ganz schön ungehobelt daherkommt. Der Sänger hatte im Gegensatz zum Part.San sein peinliches Stirnband zu Hause gelassen. Seine sympathische Erscheinung überzeugte mich allerdings auch dieses Mal. Hinzu kommt, dass IMPIOUS in der Lage sind, astreine Gigs zu fahren - so auch an diesem Tag. Einziger Kritikpunkt an dieser Stelle ist der cleane Gesang während des letzten Songs. Zuvor allerdings schaffte es die Combo, das zahlreich anwesende Publikum mitzureißen und so zum ersten Mal an diesem Tag die typische Festival-Atmosphäre aufkommen zu lassen. Guter Gig.
(Holger Loest)
PINK CREAM 69
Schön war das Wiedersehen mit PINK CREAM 69, denn auf den Gig hab ich mich gefreut, seitdem sie vor einiger Zeit mal in Berlin vor fünfeinhalb Zuschauern einen mitreißenden Auftritt abgeliefert haben. Nicht nur namentlich waren sie ein Farbtupfer im diesjährigen Summer Breeze-Billing, denn auch musikalisch war ihr schöner Melodic Rock ein Kontrapunkt zu der vielen bösen Musik, vor allem auf der Pain Stage. Auffälligster Mann war für mich wieder Sänger David Readman, der stimmlich locker mit den Größen des Melodic Rock mithalten kann. Ich mag ihn vor allem live, sehr professionell! Schön auch, dass die 69er nicht vergessen haben, dass sie schon Ende der 80er hart rockten, und mit 'Talk To The Moon' und 'Hell's Gone Crazy' gleich zwei Tracks vom "One Size Fits All"-Knaller spielten. Ansonsten boten sie bei töftem Sound und gutem Wetter eine Querschnitt durch die Discographie, der nur Knaller enthielt. Am Ende gab's dann noch ein lustiges 'So Lonely'-Cover von THE POLICE, das beim breiten Publikum sehr freudig aufgenommen wurde. Weiter so, Pinkies!
Setlist:
Thunderdome
Do You Like It Like That
Hell's Gone Crazy
Lost In Illusion
Talk To The Moon
She's Abandoned
Shame
Keep Your Eye On The Twisted
So lonely (POLICE-Cover)
(Thomas Becker)
MACABRE
Das Chicagoer Trio von MACABRE war dann als nächstes dran, um die anwesenden Anhänger der heftigeren Fraktionen zu beglücken. So recht was anfangen konnte ich mit den Ami-Sickos noch nie. Und so auch dieses Mal. Dass die Typen einen etwas kranken Humor haben und eigentlich so ziemlich jedem Massenmörder der Vergangenheit einen eigenen Song gewidmet haben, ist nicht neu. Was mich viel mehr stört, ist der aus meiner Sicht einfach vollkommen miese Gesang. Das ist kein echtes Gegrunze, das sind keine echten Screams, das ist einfach nur schlecht. Vielleicht kommt der Sänger und Gitarrist ja nicht mit der Doppelbelastung klar, ehrlich gesagt keine Ahnung, aber die Sangesleistung auf dem Summer Breeze war jedenfalls unter aller Kanone. Auch instrumental war da nicht viel, was hängen blieb. Solide, okay. Mehr aber auch nicht.
(Holger Loest)
SCHANDMAUL
Den Münchnern schien es vergangenen Sommer in Abtsgemünd ja gut gefallen zu haben. Zum zweiten Mal in Folge betraten sie die Hauptbühne, um souverän wie immer einen ihrer stimmungsvollen Gigs zu liefern, zugleich aber nicht immer das Gleiche zu bieten. Los ging's mit 'Teufelsweib', und von der ersten Minute an sang und klatschte das Publikum mit. Nach 'Vogelfrei' und 'Dein Anblick' war Sänger Thomas bemüht, seinem langsam langweilig werdenden "erst-singen-die-Frauen-und-dann-die-Männer-den-Refrain-von-'Gebt-8'-mit" etwas neue Würze zu verleihen: "Zuerst das Mundtier-Geschlecht!" Er selbst quiekte dann den Refrain. 'Herren der Winde', 'Tyrann', 'Der letzte Tanz' – was soll man sagen? SCHANDMAUL haben's einfach locker drauf und können sich höchstens noch selbst übertreffen, um nicht auf der Stelle zu treten. "Seid ihr festgewachsen?" rief Thomas bei 'Walpurgisnacht'. Natürlich hüpfte das Publikum mit und machte auch diesen SCHANDMAUL-Gig zu einem stimmungsvollen Ereignis. Da war dann nur noch die Sache mit dem Interview...
GOD DETHRONED
Man sollte nie ein Interview auf einem Festival anstreben, ohne sich die Nummer des Promoters zu merken. Auf der Suche nach SCHANDMAUL und mir "Du Vollidiot!"-Sprüche anhören müssend, schliff ich einen ziemlich angedüdelten Chefredakteur durch's VIP-Gelände. Endlich besagte Münchner entdeckt und eine neue Uhrzeit fürs Inti festgelegt, schwätzte man sich etwas fest, ehe die Aufmerksamkeit auf das herbei schallende Geknüppel fiel. Ein Blick auf die Uhr, ein Blick auf die Runnig Order – "Shit, do wei jo wat!" GOD DETHRONED, um genau zu sein. Also husch vor die Painstage und schnell noch 'Salt In Your Wounds' um die Ohren geblasen bekommen. Die Holländer brettern wie immer gut vorwärts, den rot angestrahlte und düster drein guckenden Sänger und Gitarristen Henri im Mittelpunkt stehend: "Soul Sweeper!" und weiter geht's im Takt. Bang!
(Carsten Praeg)
THERION
THERION sind eines dieser perfekten Beispiele, wie man Metal und Klassik vermischt, ohne im Kitsch zu versinken, und damit das live genauso gut rüberkommt wie auf Platte, hatte man (wie schon auf der letzten Tour) einen kleinen Chor mitsamt Frontwalküre mitgebracht. Mastermind Christofer Johnsson und sein zappeliger Sänger mit der wunderschönen Stimme, Mats Leven, legten gleich mal voller Energie los und bretterten Hits wie 'Blood Of Kingu' und 'Invocation Of Naamah' ins Publikum. Christofer machte zwar weniger Ansagen, als auf den letzten Live-Auftritten, doch dafür bemühte er sich, seine Fans auf Deutsch anzuheizen, oder ließ seiner Begeisterung freien Lauf, indem er den Song 'Riders Of Theli' ganz spontan in 'Riders Of Fucking Theli' umtaufte. Wir wurden auf eine Reise nach Ägypten eingeladen mit 'Seven Secrets Of The Sphinx', tauchten in mystische Welten ein mit 'Asgard', sündigten mit 'The Rise Of Sodom And Gomorrah' und feierten den wohl bekanntesten THERION Song 'To Mega Therion'. Und als es in der THERION-Welt still wurde, dann realisierte man erst, was für ein Genie Christofer sein muss, dass er uns bei jedem Auftritt aufs Neue so verzaubern kann!
Setliste:
Blood Of Kingu
Uthark Runa
Invocation Of Naamah
Typhon
Riders Of Theli
Seven Secrets Of The Spinx
Asgard
The Rise Of Sodom And Gomorrah
The Khlysti Evangelist
Wine Of Aluqah
Cults Of The Shadow
To Mega Therion
(Caroline Traitler)
EKTOMORF
Heidewitzka, war so ein gut gefüllter Kühlschrank im eigenen Stand was Schönes. Da dauerte der Weg zur Painstage bloß doppelt so lang. Aus der Ferne sah man schon die gesamte Bühne im Stroboskop-Licht flackern. "I know them, I know them, I know them, I know them!" krachte passend aus den Boxen, während die Saitenfraktion wie wild bangte. "Let me see your middlefingers!" rief der Sänger und das Publikum folgte seiner Aufforderung begierig. Belohnt wurden sie mit Songs, die vor allem wie jene vom aktuellen "Instinct" gut abgingen. Bei einem langen Instrumental folgte jedoch mein Griff in die Hosentasche und die Feststellung, dass die Kippen alle sind. Aber mit Neothrash à la EKTOMORF im Ohr lässt sich der lange Gang zum Stand des Dänischen Prinzen viel einfacher angehen. Auf dem Rückweg muss ich wohl wieder an unserem Stand hängen geblieben sein, denn irgendwas hat mich von AMON AMARTH abgehalten. Also weiter zu Thomas, der beim nachmittäglichen Grillen im brüchigen Camping-Hocker übrigens einen sehenswerten Salto Mortale hingelegt hat. ;-)
(Carsten Praeg)
AMON AMARTH
Ich erinnere mich noch gut an das Bang Your Head-Festival vor drei Jahren, als AMON AMARTH wie eine Death-Metal-Dampfwalze über das Festival rollten und vielen Metalfans langanhaltende Nackenschmerzen durch Dauerbangen verursachte. Seitdem zogen sie fast permanent durch die Lande, waren quasi omnipräsent, und heute sind sie einer der leading acts im Metalsektor. Und irgendwie hat sich seit diesen drei Jahren auch, jedenfalls musikalisch und optisch, nix verändert. Der Sound ist der selbe, ist auch immer noch geil. Die neuen Songs sind in Rhythmik und Harmonik keinen Tupfer anders als die alten und die noch älteren, gehen gut ab und kommen gut an. Tja und all das find ich sowohl gut als auch schlecht. Gut, weil man immer genau weiß, was auf einen zukommt und die Chose qualitativ nicht minderwertig ist; schlecht, weil die Überraschungsmomente komplett fehlen und sich AMON AMARTH nicht nur bei mir mit der Zeit abnutzen. Tja, und die Optik - für die einen sind die fünf Schweden mit ihren fünf Metern Haaren, drei Metern Bart und zwei Metern Schweinefett (Gruß hier an das "Maskottchen" von ENDSTILLE, Nordlicht, you fucking ruled!) die Inkarnation von Metal schlechthin, für andere sehen sie eher aus wie Quatschbären!
(Thomas Becker)
HAGGARD
Seien wir mal ehrlich: AMON AMARTH zu toppen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das mussten auch HAGGARD einsehen, deren Stil ich grob Richtung THE VISION BLEAK unterordnen würde, nur mit dem Unterschied, dass der Gesang eher blackmetallisch rüberkam und darüber hinaus zwei Sopranistinnen dem Gesamtsound eine imposante Note verpassten. Des Weiteren wurde nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt! Die "Pain Stage" war schon fast proppenvoll, was bei zusätzlich einem Kontrabass und drei GeigerInnen auch kein Wunder war - die "normale" Bandbesetzung exklusive. Technisch ging's zwar schon in Ordnung und das Publikum ging auch gut mit, doch so richtig wollte der Funken nicht überspringen. Auch der glasklare Sound, wo wirklich jedes Instrument zu hören war, konnte daran nichts ändern. Obwohl die Band fünf Minuten vor dem offiziellen Beginn anfing, wurde ihr am Ende der Saft abgedreht. Dabei waren nur noch dreißig Sekunden zu spielen, doch die Polizei hatte dafür kein Verständnis, und dementsprechend war die Breeze-Crew gezwungen, Punkt zwölf den Stecker raus zu ziehen. Eigentlich schade. Zwar war es für meine Begriffe zu kopflastig, doch alles in allem ein guter Einstand.
(Tolga Karabagli)
- Redakteur:
- Elke Huber