Sweden Rock Festival 2006 - Sölvesborg, Schweden

18.07.2006 | 10:45

08.06.2006, SRF-Gelände

Das Gelände in Norje Havsbad, wo das Sweden Rock Festival stattfindet, ist sehr groß. Wer möchte, kann sein Zelt sogar direkt an einem kleinen Fluss aufschlagen, ein großes Camping-Areal gibt es ansonsten auch. Duschen, Dixies und Verpflegungsmöglichkeiten gibt es ebenfalls reichlich. Und da ich heute meinen Konzertmarathon etwas einschränke, bleibt mir noch Zeit endlich meine Fühler in Richtung CDs oder neuen Shirts auszustrecken. Vor dem Haupteingang zum Bühnengelände ist in Kreisform ein kleines Einkaufsparadies angelegt. Jede Menge Buden mit einem vielfältigen Futterangebot und wie oben schon angedeutet, finden sich viele, viele Händler, die das Jäger- und Sammlerherz höher schlagen lassen. Außerdem gibt es ja auch den offiziellen Sweden Rock Shop, bei dem man sich auch noch online auslassen kann sowie ein weiteres, etwas kleineres Einkaufsdorf weiter unterhalb. Wo fange ich bloß an und wer steigt mit in die Finanzierung ein? Shirts für teilweise umgerechnet 8 €, DVD/CD-Bootlegs und auch Normal- sowie Raritätenprogramm en masse lassen schnell die Börse aufspringen. Wer hier nichts findet ist selbst schuld...

MICHAEL SCHENKER GROUP (Festival Stage)
Auch der letzte Tag hält die 28°C-Grenze und die "25 Years MSG Celebration Tour", mit dem deutschen Gitarrenwunder MICHAEL SCHENKER macht in Schweden auf der großen Festival Stage halt. Erwartungsgemäß gibt es ein Best-Of-Programm, welches auch U.F.O.-Hits wie 'Lights Out' oder 'Only You Can Rock Me' hervorbringt. Klasse! SCHENKER selbst steht meist konzentriert und grinsend links vor seinem Marshallturm und zelebriert erstklassige Soli. Der optisch punkige und sehr auffällige James Jones am Bass sorgt bei seiner kleinen Soloeinlage bei 'Into The Arena' für offene Münder. Zu Beginn gibt es 'Assault Attack' und mittendrin 'On And On'. Mein SCHENKER-Fanherz ist begeistert! Der (abermals) neue Sänger Jari Tiura ist bei weitem auch nicht so ein Totalausfall wie David van Landing bei der "Best Of-Tour" 1998. Eine kleine Überraschung wird den Schweden zu Teil, als Leif Sundin (Ex-Sänger auf dem "Written In The Sand"-Album von 1996) die Bühne betritt und vom aktuellen Longplayer 'Tales Of Rock'n'Roll" den Song 'Angel Of Avalon' zum Besten gibt. Ein zweiter Auftritt folgte später noch einmal bei 'Doctor, Doctor'. Gerüchten zu Folge möchte SCHENKER bei seinem Wacken-Auftritt im August alle ehemaligen MSG-Sänger auf die Bühne holen. Coole Sache und bei dem Stelldichein bin ich auf alle Fälle dabei. MSG dehnen ihre zugeteilten 75 Minuten schon auf satte 85 Minuten aus, müssen deswegen leider 'Rock Bottom' nach wenigen Akkorden abbrechen. Das ist so, als wenn eine Frau bei uns Männern...und dann aufhört! Okay, lassen wir das. Das Fazit kann nur lauten, dass MICHAEL SCHENKER über die vergangenen Jahre und seine Behandlung der Fans nachgedacht hat. Denn so grinsend, sich bedankend und wie in der Hamburger Markthalle ein paar Tage zuvor beobachtet, Hände abklatschend habe ich ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sogar seine Merchandising-Preise sind mit 15 bis 18 € pro Shirt doch um einiges fanfreundlicher als bei Herrn NUGENT oder Herrn Coverdale (WHITESNAKE). Zudem unterschreibt der gute Michael inzwischen wieder alles und nicht nur bei ihm persönlich gekaufte CDs. Daumen hoch mit der Hoffnung, dass das nicht wieder nur so eine Phase ist...

MOLLY HATCHET (Rock Stage)
Schnell umgedreht und ab zur Rock Stage. Die Southern Rocker MOLLY HATCHET versammeln eine große Menge Biker vor sich, welche Fahnen schwenken und sich ein Bier nach dem anderen reinpfeifen. Da ich die ständigen Besetzungswechsel der Mollys nicht mehr nachvollziehen kann und nicht genau weiß, ob überhaupt noch ein Gründungsmitglied dabei ist, kann ich nur sagen: Gitarrist Bobby Ingram hat das Zepter fest in der Hand. Er schreibt die meisten Songs zusammen mit dem bulligen Sänger Phil McCormack. "Hell Yeah" entpuppt sich wie gehabt als beliebteste Füllwörter für alles bei dieser Show. Ein bisschen nervig finde ich das ewig lange Gitarren- und Trommelsolo. Auch das immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Bobby Ingrams Frau 2004 verstorben ist, halte ich für fragwürdige Promotion. Es ist sicherlich richtig, dass sie für die Band ein wichtiger Bestandteil war, aber der "Normalhörer" kannte die Dame nun mal nicht. Die Stimmung ist super und 'Beatin' The Odds' fetzt so richtig gut die Kühe vom Acker, die Synchrongitarrenarbeit klappt blendend und mein Highlight ist der Longtrack 'The Journey' vom "Devil's Canyon"-Album, welches noch länger gespielt wird. MOLLY HATCHET ist immer eine Bank für Top-Stimmung.

ONSLAUGHT (Zeppelin Stage)
Da mich die SENSATIONAL ALEX HARVEY BAND so gar nicht interessiert, entscheide ich mich für die Dampfwalze ONSLAUGHT auf der kleinen Zeppelin Stage. Vor der Bühne steht schon eine erstaunliche Menge – viele mit ONSLAUGHT-Shirts – die sofort wild mitmoshen. Da diese Truppe in der Vergangenheit so ziemlich an mir vorbeiging, bin ich alles andere als vertraut mit der Mucke. Trotzdem machen die 40 Minuten Geknüppel Spaß. Ein Stück hieß 'Metal Forces', welches mich unweigerlich an eine alte Band aus meiner Heimatstadt Kiel erinnert.

THE QUILL (Zeppelin Stage)
Knappe anderthalb Stunden später versorgen die Schweden THE QUILL die Willigen an gleicher Stelle mit ihrem siebziger-geschwängertem Hardrock. Die zum Teil längeren Versionen der Songs vom neusten Output "In Triumph" kommen prima an und ich als Gitarrenfreund wundere mich, warum Christian Carlsson nicht auch auf Scheibe die Seiten so quält. Besonders bei 'Slave/Master' erinnert die Stimme von Magnus Ekwall einmal mehr an Chris Cornell (ex-SOUNDGARDEN, AUDIOSLAVE). Schade, dass solche Herzblutmusiker sicherlich hauptberuflich in anderen Branchen malochen müssen.

TED NUGENT (Festival Stage)
Endlich ist es soweit, einer der Hauptgründe für mich zu diesem Festival zu fahren, tritt auf: TED NUGENT. Alleine der Name der Tour ("Marshall Plan II Euro Blitz 06!") zeigt, dass Herr NUGENT aus seinem amerikanischen Dasein und seinen privaten Interessen kein Geheimnis macht. Während der Pressekonferenz zückt der Dorf-Sheriff auch schon mal seine Dienstmarke als Beweis...
Als Hintergrund auf der großen Festival Stage dient dementsprechend auch eine ca. 30 qm große amerikanische Flagge und die Marshalltürme sind eingedeckt mit Tarnnetzen. Also, alles ganz bescheiden. Mit Cowboyhut in grüner Tarnoptik und mit richtigem Fuchsschwanz am Allerwertesten befestigt lässt der Dreier mit 'Stormtroopin'' auch von Beginn an nichts anbrennen. Sehr hart gespielt geht fast das gesamte Programm ohne nennenswerte Pausen ineinander über. TED, mit Headmikrophon ausgestattet, und seine Mannen sind bestens aufeinander eingespielt und rotzen die Hits quasi in die Menge. 'Wango Tango' oder 'Snakeskin Cowboy' sind einfach Kult! Der Meister redet viel und schnell, so dass ich leider nicht alles ganz genau mitbekomme, nur soviel, dass er auf alle Fälle dafür ist, den gefährlichen Terrorismus auf der Welt ruhig aufs Härteste zu bekämpfen. Na, dann mal los... Seine Gitarrenarbeit ist vom Allerfeinsten und 'KLSTRPHK' wird heute Abend allen anderen Bands gewidmet‚"'cause they fuck me!" Durch solche Sprüche schließt man sicherlich neue Freundschaften als Jäger, dass er so etwas allerdings nicht so ernst nimmt, wird schon an seiner schelmisch grinsenden Mimik klar. Nach den Songs salutiert er gerne gen Publikum. Mick Brown (ex-DOKKEN) an den Drums und Barry Sparks (ex-MSG) am Bass lassen sich auf ein vielleicht nicht ganz so spontanes Jamming ein, initiieren JAMES BROWNs 'Soul Man' bis TED wieder alles gibt und das Ganze mit 'Hey Baby' beendet. 'Cat Scratch Fever' darf natürlich ebenso wenig fehlen wie das von ihm selbst betitelte "No. 1 Lick Of The World" in Form vom gut zehnminütigen 'Stranglehold'. Für alle Gitarrenfreunde ein wahres Fest, während zur Zugabe 'Great White Buffalo' der Hut kurzer Hand gegen einen Indianerhäuptlings-Federschmuck getauscht. Ich bin schwer begeistert und viele andere mit mir. Trotz des teuren Preises von gut 32 € (!) sind nach der Show keine Shirts mehr von TED NUGENT zu bekommen. Gut, dass ich in Hamburg schon zugeschlagen hatte. Kurze Wende zur Rock Stage, auf der gleich ALICE COOPER auftritt, den ich aber auf alle Fälle verpassen muss, denn sie sind wieder da!

CELTIC FROST (Sweden Stage)
CELTIC FROST aus der Schweiz sind gemeint. Zugegebenermaßen bin ich nie Fan gewesen, und die Auftritte in den Achtzigern fand ich damals eher befremdlich als überzeugend, trotzdem bin ich gespannt wie TED NUGENTs Flitzebogen, was da wohl kommen mag. Mit langen, schwarzen Vorhängen von der Bühnendecke, zwei Aufstellern, die das Equipment verdecken und einem Hintergrundbanner wird zum einen die Sweden Stage optisch verkleinert und zum anderen bekommt das Ganze einen morbiden Messecharakter. Genial! Ein "Angstkreisch"-Intro kündigt den Beginn an, vier schwarze Gestalten kommen hinter den Vorhängen vor und fangen eher unspektakulär mit einem zeitlupenartigen Doomriff und 'Procreation' an. Mein Körper kann nicht anders, automatisch bewegt sich alles langsam mit dem Riff. Der Sound schlägt alles Bisherige an Lautstärke und vor allem ist er ultrafett! Wie geil ist das denn bitte? Ich bin völlig betäubt, denn das hätte ich nicht erwartet. Tom G. Fischer mit Rundmütze und schwarz geschminkten Augen und Martin E. Ain im schwarzen Gewand lassen nach den Eröffnungsnummern Ruhe walten, beobachten die Fanreaktion und ein knappes "Thank You" von Tom und 'The Usurper' bindet die inzwischen immer größer werdende Fantraube vor der Bühne an den Sound. Im Prinzip fehlen mir hier die Worte um dieses Erlebnis zu beschreiben, es ist einfach der Oberhammer! Frontmann Tom erzählt kurz, noch vor drei Tagen im Krankenhaus gelegen zu haben [Probleme mit den Nieren, Anm. d. Verf.]. Deshalb bleibt das Headbangen heute Martin Ain überlassen. Auch wenn ich diese Musik (noch) nicht im Blut habe, zieht sie mich derart in ihren Bann, unglaublich. 'Mesmerized', 'Return To Eve' und der Hochspannungslöser 'Into The Crypts Of Rays' vom "Morbid Tales"-Album lassen die Fans in den vorderen Reihen geradezu ausrasten. Inzwischen ist der Tag gewichen, so dass Lightshow und Sound eine noch bessere Einheit bilden. Vom neuen Machtwerk "Monotheist", dem ersten seit 1990, gibt es zum Schluss noch 'Synagoga Satanae', bei dem Martin Ain die deutschen Textzeilen zu den Jüngern predigt. Amen! Eine Reunion die Sinn macht! Leute, ich habe schon einige hundert Konzerte erlebt, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich eine Band, mit deren Musik ich nicht vertraut bin, so derart mitgerissen, überzeugt und aufgewühlt hat! Falls sie in Eurer Nähe spielen sollten, geht hin, denn diese 90 Minuten waren schon die Fahrt nach Schweden wert. Hiermit möchte ich auch gleichzeitig beantragen, diesen Gig dringend auf CD zu veröffentlichen, Danke!

WHITESNAKE (Festival Stage)
Ein Kumpel meint, CELTIC FROST war das Highlight des Festivals, er hätte jetzt keinen Bock mehr auf WHITESNAKE. Der Meinung kann ich mich anschließen, trotzdem schaue ich noch einmal bei WHITESNAKE rein. Über 20.000 Nasen stehen erwartungsvoll vor der großen Festival Stage, wie schon im Jahre 2003. Da David Coverdale sich damals stimmlich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, bin ich gespannt auf das, was da kommt. Aber es gibt ja immer wieder Steigerungen. Die Songauswahl ist prima [bis auf mein persönliches Hassstück 'Slide It In', Anm. d. Verf.] und soweit alles im grünen Bereich. Den Anfang machen DEEP PURPLEs 'Burn' und 'Stormbringer', der Drumsound macht einen leichten Kochtopfeindruck, aber gut, das kommt vor. Die Band erledigt ihren Job ansonsten recht gut, Gitarren-Schönling Doug Aldrich gibt den Rockstar par excellence. Sein teils superschnelles Gitarrensolo nach 'Ready And Willing' geht in einen coolen Blues über, bei dem ihn dann auch der Rest der Band begleitet. 'Walking In The Shadows', 'Love Hunter' oder 'Give Me All Your Love' vom Megaseller "1987" folgen. Die vielen Betrunkenen singen brav mit. Tommy Aldrige muss natürlich auch noch sein berühmtes Faust-Drumsolo bei 'Crying In The Rain' einarbeiten. Die erste Zugabe 'Take Me With You' aus dem Jahre 1978 ist für mich schon eine Überraschung, da ich die aktuelle Live-DVD nicht besitze und bisher nicht sehen wollte. Der "neue" WHITESANKE-Übersong 'Still Of The Night', der inzwischen auch schon seine fast 20 Jahre auf dem Buckel hat, kommt als Endkracher. Auch wenn WHITESNAKE danach in kommerzieller Hinsicht weitaus erfolgreicher waren, sind für viele Fans die eigentlichen WHITESNAKE die mit Mickey Moody und Bernie Marsden an den Gitarren. Diese Ära endete allerdings bereits 1982 und Bands verändern sich im Laufe der Zeit - und das ist auch gut so, nur so bleibt man schließlich interessant. Der Bandgründer und Frontmann David Coverdale ist allerdings geblieben und hat das Baby nach famoser Abschiedstour 1997 doch wiederbelebt. Schade, die Erinnerung meinerseits daran war schön. Und nun das, ein Endfünfziger, der optisch mit Gewalt wieder Mitte Zwanzig sein möchte. Ok, so ein Problem haben viele, dagegen möchte ich auch nichts sagen, immerhin würde ich mich freuen, wenn ich in dem Alter noch seinen Body hätte, aber auch nur den. Das was Mr. Coverdale uns an diesem Abend stimmlich bietet, kann mit den mir vorhandenen Worten nicht beschrieben werden. Diese Worte gibt es noch nicht. Es ist noch schlimmer als 2003, eine Legende zerstört sich selbst. Es ist eine reine Katastrophe von Anfang an. "Kreischen" fällt mir hierbei ein und nicht ein Ton wird annähernd so gesungen, wie man es von der guten alten LP her kennt. Selbst bei 'Is This Love' kann man nur mit viel gutem Willen beide Augen zudrücken, aber der Chorus funktioniert auch nur mit den Fans und den Backroundvocals der Band. Ganz gruselig. Ich möchte mich hier nicht weiter auslassen, es war schlimm und enttäuschend. Ich höre WHITESNAKE glaube ich seit 1982 oder so, viele Lieder sind grandios und die Stimme von David Coverdale war immer eine Besondere, aber das hier ist einfach nur traurig und versaut den kompletten Auftritt. Bitte aufhören, Danke!

Gastautor Nico Krogmann

Redakteur:
Martin Stark

Login

Neu registrieren