TESTAMENT / ANNIHILATOR - Speyer

31.07.2003 | 04:46

25.07.2003, Halle 101

Endlich mal wieder ein Metalfestival in unserer Region und dazu noch mit größeren amerikanischen Bands. Zu verdanken hatten wir dieses Metal Power 2003-Festival dem Kulturverein in Speyer (RMV), der sehr bemüht ist, ein abwechslungsreiches Programm seinen Besuchern in der Halle 101 zu präsentieren. Dies ist ihm mit diesem sehr gut besuchten (schätzungsweise 400 Leute) Event auch hervorragend gelungen, so dass wir im nächsten Jahr wohl das Metal Power 2004-Festival erwarten dürfen.

Den Auftakt an diesem Abend konnten die lokalen Thrashmatadoren von AWRY AXLE - für die erste von vier Bands verhältnismäßig spät - um 20.15 Uhr übernehmen. Mit ihrem Schwermetall, wie sie ihre Musik auch auf den Plakaten bezeichnen, lieferten sie eine wirklich passable Leistung ab. Großen Anteil daran hatte der Sänger “Erdbeer“, der immer agil auf der Bühne die Leute bei Stimmung hielt und speziell bei diesem Auftritt für Überraschungen sorgte. So schleuderte er gleich zu Beginn ein Bündel Spielgeld oder bei ihrem späteren Song ‘Candyman‘ Bonbons ins Publikum. Sein hartes Outfit (mit “Evil“-Kontaktlinsen), welches etwas an Gus Chambers (GRIP INC.) erinnerte, passte gut zur Mucke, welche grob gesagt, irgendwo zwischen SODOM und GRIP INC. liegt. Allerdings war das Zusammenspiel an wenigen Stellen ausbaufähig und man merkte den Musikern noch etwas die fehlende Liveroutine an.
Der thrashige Gesangsstil wurde auf die Dauer etwas monoton und so gab es zum Abschluss ein eigenes Stück mit deutschem Text, damit auch die Sprache für Abwechslung sorgen konnte. Die Publikumsreaktionen waren zurecht positiv, so dass AWRY AXLE auch nicht um eine Zugabe herumkamen.

Nach 15 Minuten Umbaupause legten um 21: 15 Uhr die schon etwas bekannteren und routinierteren EVOLUTION aus Ludwigshafen los. Ihre Musik wird zurecht mit den älteren METALLICA verglichen, wie wohl die meisten im Publikum auch grinsend bemerkten. Die Gitarrenpower von den beiden Riffern kam soundmäßig in die Nähe der Vorbilder. Der Sänger Maik Nirmaier klingt nicht nur von seiner Klangfarbe sondern auch von seinem Gesangsstil nach James Hetfield. Die powervollen groovigen Songs tun dann noch ihr übriges dazu. Natürlich wird nicht ganz die Klasse der legendären METALLICA-Alben erreicht, aber gerade für den Live-Einsatz kommen die eigenen Stücke sehr gut rüber. Das Zusammenspiel und das Bühnenacting sind schon eine ganze Spur professioneller als bei der Vorband, was natürlich nicht heißt, dass nicht viele Freunde der härteren Gangart mehr Gefallen an AWRY AXLE hatten. In Zeiten, in denen nicht mehr jede Band wie METALLICA klingen will, finden Bands wie EVOLUTION durchaus ihre Berechtigung. Zum Abschluss bewiesen sie mit ‘Sad But True‘, dass sie nicht nur im Stile von, sondern auch das Original perfekt spielen können. Nicht wenige an den EVOLUTION-Shirts erkennbaren Anhänger zeigten, dass EVOLUTION auf eine treue Fanbasis bauen kann, die an diesem Abend allen Grund hatte, mit der Band zufrieden zu sein.

Ab 22:30 Uhr heizten ANNIHILATOR gut 90 Minuten derart musikalisch tight, powervoll und auf den Punkt gespielt ein, dass es eine wahre Freude war. Jeff Waters rannte herum und spielte seine komplexen Gitarrenlinien als ob es nichts wäre. Mit seinem Gitarrenkollegen Curran Murphy holte er einen klaren druckvollen Gitarrensound aus den Line 6-Verstärkern, die ja auf Grund ihrer Variabilität dafür bekannt sind, dass man sich auch einen Grottensound basteln kann – wie ja bereits bei ANNIHILATOR auf der letzten Studioplatte zu hören war. Randy Black powerte teils groovig, teils vertrackt und teils knüppelnd auf seinem Drumkit, dass Jeff Waters ihn wohl nicht so schnell ersetzen wird. Die komplette Mannschaft um Jeff besteht aus hervorragenden Musikern, die zu alledem noch hervorragend zusammenspielen. Nur auf die Vielseitigkeit im Gesang, der bei dieser Musik einfach nur powervoll klingen muss, legt er nicht ganz so viel Wert. So machte Sänger Nr. 2183 Dave Padden seine Sache mit einer tiefen starken Thrash-Stimme ganz gut und ließ nur an sehr wenigen Stellen Gedanken an seine Vorgänger aufkommen. Bei dem abgedrehten Melopart in ‘Alice In Hell‘ traf er nicht gleich die richtigen Töne und die ersten drei Worte des Refrains überließ er fast immer dem Publikum. Als manchmal das Mikro ausfiel, sang er trotzdem etwas verwirrt schauend in sein Sendermikro weiter statt sich ein verkabeltes Backingmikro zu schnappen. Diese Kleinigkeiten werden wohl aber spätestens bei der nächsten Tour behoben sein. Jeff Waters kündigte einen alten Song damit an, dass sie schon damals von TESTAMENT freundlicherweise mit auf Tour genommen wurden, obwohl sie noch kaum bekannt waren. Die fast ausschließlich anwesenden Metaller nahmen das Riffgewitter, das nur einmal kurz mit dem clean gespielten ‘Crystal Ann‘ unterbrochen wurde, dankend auf. Da hauptsächlich die Pflichtstücke der ersten Scheiben gespielt wurden, blieben in Anbetracht der Co-Headlinerfunktion nur wenige Wünsche offen (‘Braindance‘, ‘In The Blood‘ oder ‘Phoenix Rising‘ z.B. hätte ich mir noch gewünscht).

ANNHILATOR-Setlist
1-The Box
2-Ultramotion
3-The Blackest Day
4-King Of The Kill
5-Torn
6-Denied
7-Set The World On Fire
8-W.T.Y.D.
9-Never Neverland
10-Refresh The Demon
11-Imperiled Eyes
12-I Am In Command
13-Crystal Ann
14-Alison Hell
15-Shallow Grave
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16-Phantasmagoria


Nach einer sehr langen Umbaupause hatten TESTAMENT die ehrenvolle Aufgabe, das Publikum zu später Stunde noch einmal zu mobilisieren. Um 0:40 Uhr legten sie los und sie schafften es tatsächlich mit ihrer Musik einen ähnlichen Pogo- bzw. Moshpit wie bei ANNIHILATOR zu erzeugen. Die beiden Hauptacts des Abends sprechen so ziemlich dieselben Zuhörer an, so dass in etwa genau so viel wegen ANNHILATOR wie wegen TESTAMENT gekommen waren. Da die Umbaupause jedoch sehr lange war und die Vorbands verhältnismäßig spät angefangen hatten, spielten TESTAMENT lediglich eine Stunde inkl. der Zugabe. Der sympathische Rasta-Riese Chuck Billy war in sehr guter Verfassung, so dass er von wenigen melodischen Parts abgesehen thrashig und teils deathig losröhrte. Der Basser Steve DiGiorgio zog sich zeitweilig einen Fretless um. Leider konnte man die Nuancen seines Spiels wie auch das der sehr guten Gitarristen nicht sehr gut erkennen, da der Sound noch mal eine Ecke lauter und gerade in den Bassfrequenzen undifferenzierter war. So kamen die geilen Riffs hauptsächlich dann zur Geltung wenn sie an wenigen Stellen alleine standen. Aber diese Spitzfindigkeiten waren dem mit letzten Kräften abfahrenden Publikum egal, auch wenn schon wenige aufgrund der späten Zeit den Nachhauseweg angetreten hatten. Selbst wenn mir die von manchen verhasste Phase mit “Souls Of Black“ zusammen mit “Practice What You Preach“ und “The Ritual“ am besten gefiel, so konnte man bei der Setlist mit einigen alten Klassikern mehr als zufrieden sein. Da auf die langsameren Stücke verzichtet wurde, war das Gesamtprogramm sehr hart und mancher fühlte sich an beste Bay Area-Thrash-Konzerte der Achtziger erinnert. Nach der Zugabe ‘Disciples Of The Watch‘ wurden zwar noch weitere Songs von den Die Hard-Fans gefordert, aber der Konzertmarathon an diesem Abend zollte seinen Tribut, so dass wohl nur wenige TESTAMENT böse waren, dass sie nicht noch länger gespielt haben.
Müde vom Beine in den Bauchstehen und Abwehren von im Pogokreis rumspringenden Fans traten wir dann um kurz vor 2 Uhr den Nachhauseweg an.

TESTAMENT-Setlist
1-Eerie Inhabitants
2-Practice What You Preach
3-Sins of Omission
4-DNR
5-Low
6-True Believer
7-Burnt Offerings
8-Into the Pit
9-Alone in the Dark
10-The Haunting
11-Trial by Fire
12-Over the Wall
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13-Disciples of the Watch

(Dank an Can für die Hilfe bei der Setlist!)

Redakteur:
Tilmann Ruby

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