THE OCEAN, DOWNFALL OF GAIA, HEROD in Leipzig - Leipzig
05.04.2019 | 17:0028.03.2019, Werk 2
Das volle Post-Metal-Brett im Leipziger Werk 2: Pelagic Records lädt ein.
Mildtrüber Endmärz, genau die Zeit für ein musikalisches Apokalypschen. Kollege Stephan und ich treffen uns an der verpunkten Litfasssäule vor dem Werk 2-Gelände. Zunächst müssen wir gemeinsam kurz staunen ob des heutigen Angebots, spielen doch knapp 300 Meter weiter im UT Connewitz die drei Doomgranden von UFOMAMMUT zum Entmutigen auf. Daher ist interessant, wie sich das ankommende Konzertvolk aufspaltet, die einen Metalaffinen biegen auf den Pflastersteinweg ins Innere des Werks ab, die anderen schlurfen dem Soundinferno der Italiener zu.
Schön auch, dass es für das heutige Paket, das vom Berliner Qualitätslabel Pelagic Records initiiert wurde, nicht die Haupthalle geworden ist. Im Nebengelass liegt die Halle 5, die für einen guten Sound bekannt ist. Dieser Konzertraum lädt demnach uns beide freudig ein.
Es wird eröffnet: Die Schweizer HEROD, die da irgendwo im Nebel der Bühne ihren brachialen Sludge-Post-Metal in das Dunkel herunterbellen. Und sowieso... Nebel, Nebel, Darkness, blaues Licht, violettes Licht, Grünlicht, Nebel. Die Inszenierung hier ist allen offensichtlich und auch klar. Warum auch sollen wir Posen bewundern oder belächeln? Die Musik ist hier eindeutig der Hauptdarsteller und die Männer treten für ihre Kunst in den Hintergrund. HEROD wird vorn besucht. Nebel, Nebel, Nebel. Wir machen auf analytisch: Das Quartett da hat ja gar keinen Bass. Die Stücke wirken sehr lange, man muss sich entweder konzentrieren oder Gedanken schweifen lassen. Der Eindruck ist ein guter, aber kein nachhaltiger.
Dann kommt unser Hauptgrund, warum wir da sind. DOWNFALL OF GAIA, wir freuen uns auf ein ausschweifendes Inferno mit Harmoniepassagen und die Parts, die die Rauheit der Band offensichtlich werden lassen. Besonders eindrucksvoll - wahlweise in violettem oder blauen Nebellicht: der Drummer, dessen Oberkörper schweißüberströmt bestätigt, was der da so abpfeffert. Die Umrisse der drei anderen Bandmitglieder bewegen sich ein wenig vor und oder zurück, zur einen Seite und zur anderen Seite. Ansonsten sprechen die Stücke des aktuellen Albums eine eindeutige Sprache, dass hier eine der versiertesten Bands Deutschlands mit der Umklammerung diverser Stile am Start ist. Stephan kann sogar die Stücke auseinanderhalten, hat er doch im Nachmittagszug das gesamte Album noch mal querbehört. Ich lasse es auf mich wirken und empfinde eine seltsame Art von melancholischer Euphorie. Das ist Zufriedenheit, denke ich.
Der Hauptakteur des Abends wird vom Pelagic-Chef höchstselbst angeführt. Robin Stap hat das Kollektiv THE OCEAN gegründet und die diversen Phasen der Band - oder besser des Konstrukts - immer entscheidend begleitet und geprägt. Ich habe die Berliner Musiker in ganz unterschiedlichen Mischungen gesehen: Mal mit vier Gitarristen und drei Sängern, mal mit mehreren Percussionisten, auch mal mit zwei Cellistinnen innerhalb eines Hardcore-Acts oder als besonnene Postrock-Band mit diversen kleineren Ausbrüchen Richtung Metal. Heute hier wirkt das alles homogener und ineinander verwobener. Längere ruhige Passagen gibt es weniger als erwartet, im Grunde spielt THE OCEAN heute einen astreinen Post-Metal-Gig. Im Nebel, Nebel, Nebel. Der Klargesang des Frontmannes muss sich teilweise mühsam durch die brachiale Gitarrenwand nach vorn kämpfen, manchmal wirkt die Stimme etwas erkrankt, hoffentlich nichts Ernstes. Wenn Stap aber zum THE OCEAN-typischen Starkmanngesang anhebt, dann füllt das den Saal aus. Der im übrigen auf den ersten Blick statisch wirkt, bei genauerem Hinsehen aber lassen sich kleinere, unterdrückt wirkende Mitbewegungen erkennen. Passt zur Stimmung im Nebel, Nebel, Nebel. Die Band kracht noch zwei kürzere Zugaben hinterher, nachdem sie bevorzugt Material des aktuellen Albums preisgegeben hat. Leicht bekömmlich ist die Musik von THE OCEAN nicht, aber genau das macht sie ja so interessant. Auf dem Weg zurück lasse ich die Leipziger Dunkelheit an mir vorbeinebeln und habe meine Zufriedenheit mitgenommen. Das sollte ein Konzert geleistet haben.
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben