TUSKA FESTIVAL - Helsinki
20.07.2024 | 12:0328.06.2024, Suvilahti
Eine unvergessliche Reise.
Pünktlich um 14 Uhr öffnen sich die heiligen Tore des Tuska Festivals und der Andrang ist schon zu Beginn enorm. Wie sollte es bei diesem tollen Ereignis bei bestem Wetter auch anders sein? Und schon früh bildet sich eine äußerst lange Schlange vor dem offiziellen Merchandise. Man muss aber auch zugeben, dass nahezu jede Band an dem großen Stand mit einem oder mehreren Shirts vertreten und dies auch die einzige Möglichkeit auf dem Festivalgelände ist, Bandshirts sein Eigen nennen zu können.
Und ja, auch ich stehe für ein sehr schönes ZEAL & ARDOR-Shirt in XL an – das Essen in Finnland ist einfach viel zu gut – und beobachte von der Ferne, wie die erste Band an diesem Festivaltag die Bühne erklimmt. Ob nun beim ESC oder auf dem Wacken Open Air, an LORD OF THE LOST kommt man seit einiger Zeit einfach nicht vorbei und so wird Chris Harms und Co. die große Ehre zu Teil, voller Tatendrang und Adrenalin die Karhu Main Stage zu betreten. Es soll nicht der einzige Auftritt einer deutschen Band auf dieser Tuska-Ausgabe sein. Schon früh ist es angenehm voll vor der Main-Stage und dank 'Full Metal Whore', 'Destruction Manual' und 'Blood & Glitter' lassen die Deutschen wahrlich nichts anbrennen. Mit neuer Bekleidung in der Tasche wandern wir das erste Mal über das Festivalgelände und werden vom Verköstigungsangebot nahezu erschlagen, da es für wahrlich jeden Geschmack hier etwas zu ergattern gibt. Auch die Getränkestände sind reichlich vertreten und an zahlreichen Bierbänken sowie im Biergarten hat man die Gelegenheit, sich sitzend die eine oder andere Band anzuschauen.
Das machen wir mit einem frischen Karhu-Dosenbier, den ersten und definitiv auch nicht letzten Pommes Frittes und beobachten den ANNISOKAY-Auftritt sehr gemütlich und relaxt. Doch auch schon jetzt strömen viele vor die Open Air II-Stage und harren der Hardcore-Dinge, die da kommen. Ähnlich wie ihre Landsleute zuvor legen auch Rudi, Christoph und Co. los wie die Feuerwehr und zeigen dem Tuska mit 'Ultraviolet', 'Human' und 'Calamity' sowie 'STFU' zum Schluss wie Metalcore made in Germany aussieht. Das gefällt dem Publikum und es prostet ihnen, so wie wir, genüsslich zu. Nun, frisch gestärkt, gelüstet es uns aber nach ein wenig Party und müssen hierfür nur ein paar Meter Richtung Main-Stage gehen, wo bereits ein riesiges, gelbes Quietscheentchen aufgebaut wird. Richtig, die Freibeuter von ALESTORM sind zu Gast in Helsinki und haben ein Potpourri ihres feinsten Feiervergnügens mit im Gepäck. Songs wie 'Hangover', 'Mexico' und 'P.A.R.T.Y.' werden lautstark vor der üppig besetzten Main-Stage mitgegrölt, Frontpirat Chris ist gut bei Stimme und die Stimmung könnte bei uns einfach nicht besser sein: Das Wetter ist perfekt, das Bier läuft, wir sind gesättigt und so glücklich, in dieser wunderschönen Stadt, in diesem wunderschönen Land zu sein. Herrlich. Auch wenn ich als "Captain Morgan's Revenge"-Liebhaber in die Röhre gucken muss, machen 'Drink' und final 'Fucked With An Anchor' Spaß. Nach einer kleinen Pause, in denen wir zumindest entfernt mitbekommen, dass INFECTED RAIN im Zelt, der Radio City Stage, ordentlich Dampf macht und dem Tuska einen gewissen Nu-Metal-Flair verpasst, hat sich nun eine absolute Legende auf der Karhu Main Stage angekündigt: KERRY KING.
Mit DEATH ANGEL-Shouter Mark hätte die Wahl des Sängers nicht besser ausfallen können und gespannt warten wir auf eine ordentliche Portion Classic Thrash. Den bekommen wir auch lautstark, druckvoll und vehement vor den Latz geknallt, folgt ein "From Hell I Rise"-Brecher nach dem nächsten, 'Toxic' oder 'Idle Hands' bringen Bewegung ins Spiel und werden, sehr zur Freude der großen Menschenmenge vor der Bühne, mit einigen SLAYER-Klassikern wie 'Chemical Warfare' aufgemotzt. Bei 'Raining Blood' und 'Black Magic' geht gut die Post ab, das Feuer wird hochgeschossen und Helsinki headbangt um die Wette. Ein geiler Auftritt, ein Highlight schon so früh im Festivalverlauf. Danach brauchen wir auf jeden Fall ein paar Kaltgetränke und nehmen diese genüsslich und relaxt vor der Open Air II Bühne ein, auf der die Italiener von ELVENKING einen zum Besten geben. Zugegeben, der Sound will nicht richtig drücken, doch die Power-Metaller machen das Beste aus der Situation und heizen den Fans ordentlich ein. Danach ist es wieder Legendenzeit auf der Hauptbühne, denn DIMMU BORGIR sorgt, zumindest musikalisch, für ein paar düstere Minuten. Auch wenn der Funke bei prallem Sonnenschein nicht gänzlich überspringen mag, ist der Auftritt eine Wucht und bringt das Publikum ordentlich ins Schwitzen. Shagrath gibt den Ton an und Brocken wie 'Stormblast', 'The Chosen Legacy' und 'Council Of Wolves And Snakes' verdienen einige erhobene Pommesgabeln. Leider bekomme ich von den abschließenden 'Progenies Of The Great Apocalypse' und 'Mourning Palace'-Klassikern wenig mit, da ich mich bereits zum Zelt aufmache, wartet dort doch ZEAL & ARDOR – und Mensch, was habe ich mich auf Manuel und seine Jungs gefreut.
Und was soll ich sagen? Ich bin überwältigt. Die Atmosphäre kann man mit einem Messer schneiden, die Lichteffekte sorgen für ein enormes Flair und der Sound, den diese besondere Band mitbringt, ist schier unglaublich. Selten habe ich solch einen intensiven, in Gänze mich einnehmenden Auftritt gesehen und Manuel selbst scheint von dem aus allen Nähten platzenden Zelt und den frenetischen Reaktionen etwas überrascht. Bisweilen demonstriert er sein Können der finnischen Sprache – er kann zwei Worte – und kredenzt uns mit einer mitreißenden Performance der gesamten Band 'Götterdämmerung', 'Blood In The River', 'Golden Liar' sowie 'Death To The Holy', die vor Aura nur so strotzen. Ich bin hin und weg und bekomme eine meterdicke Gänsehaut, als abschließend das Zelt bei 'Devil Is Fine' lautstark mitsingt. Wahnsinn! Mein persönlicher Headliner steht also schon fest, der offizielle jedoch heißt PENDULUM, eine Band, mit der ich mich zuvor kaum beschäftigt habe und die zumindest in Finnland eine sehr große Nummer zu sein scheint. Anders kann ich mir die Menschenmasse, die sich nun vor der Main Stage versammelt, kaum erklären. Musikalisch ist das Elektro-Rock-Gemisch kaum in der Lage, mich wirklich zu packen oder, wie ZEAL & ARDOR, in den Bann zu ziehen. Klar, die Geschmäcker sind unterschiedlich, aber dafür geht das Publikum auch mächtig ab. Mich jedoch lassen Songs wie 'Granite', 'Halo' und das zweiteilige 'The Island' recht kalt, auch wenn ich zugeben muss, es durchaus interessant zu finden, sich das einmal angeschaut zu haben. Doch eventuell wären DIMMU BORGIR oder KERRY KING auf der Headliner-Position etwas besser besetzt.
Trotzdem haben wir eine Menge Eindrücke bereits am ersten Tag mitnehmen können, haben auch den Platz der Kvlt Stage By Inferno, auf der eher kleinere, einheimische Black-Metal-Bands zum Besten gegeben werden, sowie die – ich nenne sie einmal – schwarze Halle bereits gefunden, in der zahlreiche Aussteller den Gothic-Herzen nahezu jeden Wunsch von den Augen ablesen. Eine sehenswerte Ausstellung. Auf dem Heimweg Richtung Hotel sind wir noch mit einigen Karhu eingedeckt, erfreuen uns bei noch immer herrlichsten Temperaturen an der dezente Dämmerung und genießen die Momente in vollen Zügen. Hiervon werden noch viele kommen, sind wir doch erst am Ende des ersten Tages. Glücklich und zufrieden landen wir schließlich im Hotel und zelebrieren den Schlaf der Gerechten. Gute Nacht.
- Redakteur:
- Marcel Rapp