TÝR, HEIDEVOLK und DALRIADA - Hamburg

08.05.2019 | 21:48

25.04.2019, Indra Club 64

Ein verschwitzter Abend mit abwechslungsreich zusammengestelltem europäischem Folk Metal in Club-Atmosphäre.

Schon im Vorfeld des heutigen Konzerts in Hamburg waren wir etwas verwundert ob der Größe des für diesen folk-metallischen Abend auserkorenen Clubs. Dieser Eindruck wird vor Ort nicht nur bestätigt, sondern zusätzlich durch den schon beim Betreten der Lokalität unterirdischen Sauerstoffgehalt der Luft passend untermalt. Wir haben jedoch Lust auf diesen Live-Abend und lassen uns die Freude nicht verderben. Pünktlich um 19:30 Uhr entert die erste Band die kleine Bühne.

DALRIADA ist die mir unbekannteste der drei Bands. Ich habe mich nur im Vorfeld des Konzertabends mit den Ungarn befasst und einmal kurz in das Œuvre hineingehört. Das Sextett zeigt sich von Anfang an gut gelaunt, wenngleich die Bewegungsfreiheit auf der Bühne des Indra Club 64 schon recht eingeschränkt ist. Nachdem bei den ersten Songs die Stimmung noch nicht so recht auf das anwesende Publikum überschwappen will, da der Soundcheck offenbar ausgeblieben ist und der Tontechniker alle Mühe hat, Gesang und Lead-Gitarre angemessen in den Vordergrund zu rücken, wird spätestens ab dem vierten Stück mitgeklatscht, -geschunkelt und das meist ausreichend vorhandene Haupthaar geschüttelt. Insgesamt zeigt die Band über 40 Minuten hinweg, wie interessant ungarische Volksmusik sein kann, wenn man sie mit Metal paart, und bekommt dafür vom begeisterten Publikum auch weit mehr als den oftmals den Vorbands vergönnten Höflichkeitsapplaus zurück. Ein gelungener Einstieg in den Abend, der Lust auf die beiden Co-Headliner macht und mich kurzerhand dazu verleitet, das jüngste Werk der Folk-Metaller am Merchandise-Stand in mein Eigentum zu überführen. Lediglich die etwas häufig genutzen Konserven-Instrumente bleiben mir als ganz kleiner Wermutstropfen; eine echte Geige oder Flöte bei wenigstens einem Song hätte der Performance gut getan.

Setliste: Thury György Balladája 2. rész; Napom, fényes napom; Áldás; Kinizsi mulatsága; Ígéret; Komámasszon; Hajdútánc

[Daniel Lindhorst]

 

Allerdings hätte wohl auch nicht einmal die kleinste Geige noch Platz auf der wirklich schmalen Bühne gefunden. Nun ja, HEIDEVOLK bietet neben dem üblichen Metal-Instrumentarium auch keine Flöte oder Geige. Aber die sind bei den Niederländern ja auch gar nicht vorgesehen. Vorgesehen ist dagegen, dass nun zwei vollwertige Sänger die flache Fläche, die wohl die Bühne sein soll, betreten. Da außerdem noch zwei Gitarristen, ein Bassist und ein Schlagzeuger mit von der Partie sind, bietet sich ein ähnlich enges Bild wie bei DALRIADA. Doch auch die Gelderländer machen das Beste aus der Situation und finden sogar lobende Worte für die intime Atmosphäre. So kann man die unerträgliche Sauna natürlich auch beschreiben. Waren die Shirts schon vor dem ersten Ton DALRIADAs feucht, sind sie spätestens bei HEIDEVOLKs eröffnendem Brecher 'Ontwaakt' völlig nass. Wirkt die Gruppe um die beiden Sänger Lars NachtBraecker und Jacco de Wijs auf ihren Tonträgern immer eher zurückhaltend, live wird hier eine wahre Stimmungskanone abgefeuert. Denn obwohl bis auf Schlagzeuger Joost Vellenknotscher kein Originalmitglied mehr an Bord ist, und eben jener Wellenknutscher wenige Tage vor Tourstart krankheitsbedingt absagen musste (großes Lob an den eingesprungenen Session-Drummer!), wirkt HEIDEVOLK wie ein sehr eingespieltes Team. Zwischen den Songs wird viel gescherzt (so wird beispielsweise das von Scheitern und Depression handelnde 'Winter Woede' mit der Frage, ob das Publikum denn Lust auf Rock 'n' Roll hätte, eingeleitet) und während der Songs sitzt jeder Ton. Auch die beiden Sänger, die mal gleichzeitig, mal abwechselnd begeistern, können sich offenbar blind aufeinander verlassen. Dabei ist Jacco De Wijs erst seit drei Jahren bei HEIDEVOLK dabei. Im gut einstündigen Set wird viel Wert auf Abwechslung gelegt. So findet sich der gänsehäutige Kriegeschor 'Yngwaz' Zonen' genauso wieder wie die poppige Liebeshymne an die Heimat 'Het Gelders Volkslied' und der Bandklassiker 'Saksenland'. Etwas überpräsent (immerhin sechs der vierzehn gespielten Stücke lassen sich diesem zuordnen) sind Songs des neuen Albums "Vuur Van Verzet" vertreten. Doch bei der Klasse des Albums ist das irgendwie auch angebracht. Das darf man durchaus selbstbewusst vorstellen. Und natürlich darf auch das NORMAAL-Cover von 'Vulgaris Magistralis' nicht fehlen, das den kompletten Club in totale Exstase verfallen lässt. Nur noch getoppt wird die Stimmung beim epischen Schlusslicht 'Nehalennia'.

Setliste: Ontwaakt; Ostara, A Wolf In My Heart; Einde Der Zege; Onverzetbaar; Yngwaz' Zonen; Britannia; Winter Woede; Urth; Het Gelders Volkslied; Tiwaz; Saksenland; Vulgaris Magistralis; Nehalennia

[Marius Lühring]

 

Erlaubt mir, bevor wir zum eigentlichen Auftritt des Headliners kommen, einige einleitende Worte. Denn das, was vor und während der Tour passierte, kann ich nicht unkommentiert lassen. Der ursprüngliche Plan war eigentlich, das Konzert im Hannoveraner "Musikzentrum" ein paar Wochen früher zu besuchen. Nach den Erfahrungen der letzten Týr-Tour, bei der fast alle Auftritte abgesagt wurden, hielt ich mir aber direkt auch das Hamburger Datum frei. Zum Glück. Denn in Hannover durften die Färinger wegen "inhaltlicher Differenzen" nicht auftreten. Das Verbot seitens des Musikzentrums fußte (wenngleich dies nie offen kundgetan wurde) auf Protesten des "Wal- und Delfinschutz-Forum" WDSF, das Probleme damit hat, das TÝRs Sänger Heri Joensen, wie auf den Färöer-Inseln üblich, Grindwalfleisch verzehrt und ernsthaft der Meinung ist, dass jemand, der dies tut, nicht auftreten sollte (mehr zu den Hintergründen findet ihr hier). Also wurden sämtliche Veranstalter und Konzertlocations angeschrieben, mit der Bitte, TÝR nicht auf die Bühne zu lassen. Auch die kurzfristige Verlegung in den kleineren "Indra Club 64" (ursprünglich sollte im "Kaiserkeller" aufgespielt werden) hat, so munkelt man, mit diesen Protesten zu tun. Und tatsächlich stehen auch heute in Hamburg etwa ein Dutzend Demonstrant*innen vor dem Eingang, die allerdings unaufdringlich lediglich ihre Schildchen hoch halten und sich etwas Blut ins Gesicht gepinselt haben. Ich vermute übrigens, keiner der dort Harrenden würde TÝR überhaupt kennen, gäbe es nicht diese Diskussionen. Dem Club wird durch diesen Boykott-Aufruf also kein Geld durch die Lappen gehen.

Denn die Reihen sind verdammt gut gefüllt, als TÝR auf die Bühne tritt. Sogleich erklingt mit 'The Lay Of Thrym' auch direkt der erste Kracher, der für einige Begeisterung im Eck sorgt. Alles oben beschriebene, das mir zuvor im Hirn spukte, tritt sofort zurück. Es tritt unbändige Freude an die vordere Stelle, endlich eine der mir wichtigsten Bands wieder live sehen zu können. Da mag die Luft noch so schwer und feucht sein, ich bin direkt hin und weg. Was das Erlebnis zunächst allerdings ziemlich schwächt, ist der extrem verwaschene Sound. Der Bass bleibt bis zum Ende des Konzerts viel zu leise und zu undifferenziert für Gunnar Thomsens abwechslungsreiches Spiel. Der anfangs kaum zu vernehmende Gesang wird nach einer Viertelstunde lauter, ähnlich verhält es sich mit der Gitarre von Neuzugang Attila Vörös. Als kleines Statement zu oben genannter Geschichte spielt die halb färingische, halb ungarische Band heute 'Grindavísan', das sich mit der Tradition des Grindwalfangs beschäftigt. Ansonsten verliert Heri kein weiteres Wort dazu. Sehr professionell und der Show unbedingt dienlich. Denn die Laune ist bestens, was auch an Gunnar Thomsens ansteckendem Lachen und seinem Spiel mit dem Publikum liegt. Auch der Frontmann ist trotz der winzigen Bühne bestens aufgelegt und spricht auch einige deutsche Worte (Heri hat eine Zeit lang in Hamburg gelebt). Die Setliste legt deutlichen Wert auf die neuere Schaffensphase. So wird vom genialen "Ragnarök" kein Song gespielt, "Eric The Red" ist lediglich mit 'Ramund Hin Unge' vertreten und vom Debüt gibt's nur den Bandklassiker (und das wohl beste Lied der Diskographie) 'Hail To The Hammer'. Mein heiß und innig geliebtes "Land" wird ebenfalls außen vor gelassen. Doch da TÝR bisher kein schlechtes Album veröffentlicht hat, ganz im Gegenteil, stehen natürlich trotzdem nur erstklassige Lieder auf der Liste. Wer könnte schon Auswechslungen verlangen, wenn das geniale 'Shadow Of The Swastika', das mitreißende 'Blood Of Heroes', das gänsehäutige 'By The Sword In My Hand' gespielt wird? Dazu eine gelungene Auswahl vom neuen und direkt innig geliebten Album "Hel" ('Sunset Shore' hat live noch einmal etwas dazu gewonnen) und alle Zuschauer*innen sind glückselig. Und natürlich dürfen sich die beiden ungarischen Neuzugänge (na ja, so neu ist Drummer Tadeusz Rieckmann (ex-DALRIADA) nach drei Jahren eigentlich gar nicht mehr) mit einem kleinen Solo vorstellen. Das Basssolo kommt wegen des matschigen Sounds leider nicht wirklich in meinen Ohren an. TÝR präsentiert sich im neuen Line-Up extrem stark. Man darf hoffen, dass sie nun wieder häufiger deutsche Bühnen heimsuchen werden. Wenn sie denn auftreten dürfen...

Setliste: The Lay Of Thrym; Hall Of Freedom; Mare Of My Night; Grindavísan; Sunset Shore, Shadow Of The Swastika; Ramund Hin Unge; Gates Of Hel; Northern Gate; Fire And Flame; Blood Of Heroes; Ragnars Kvæði; By The Sword In My Hand; Hail To The Hammer; Hold The Heathen Hammer High

[Marius Lühring]

Fotos: Hauke Sperling

Redakteur:
Daniel Lindhorst

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