The Bloodline (Listening Session) - Aichtal

05.02.2002 | 11:06

26.01.2002, Audio Arts Studios

Listening Sessions geben den Künstlern bekanntlich die Gelegenheit, ihr neues Songmaterial vorab der Veröffentlichung an einem kleinen Publikum, meistens bestehend aus Schreiberlingen diverser Magazine, Musikern und Freunden, auszutesten. Dass so eine kleine "Zusammenkunft" zu einem äußerst netten und gemütlichen Ereignis werden kann, zeigte die Listening Session von THE BLOODLINE, Gothic Metal-Projekt von Produzent und Songwriter Roman Schönsee und seiner Lebensgefährtin Kemi Vita: Beide hatten in die hauseigenen Audio Arts Studios zu Aichtal (etwa 20km südlich von Stuttgart) geladen, um einer kleinen Schar an Auserwählten ihr neuestes Werk "Breed" vorzustellen.
Nach einer zwanglosen Kennenlernrunde im heimischen Wohnzimmer mit leckerem Büffet und interessantem Plausch begab man sich schließlich in den im Keller befindlichen Aufnahmeraum, um gespannt der Vorführung des neuen Liedguts entgegenzufiebern.

Neben Roman und Kemi, die die besetzungstechnische Basis von THE BLOODLINE bilden, konnte mittlerweile Sebastian Brauchele als fester Drummer in die Band integriert werden, während Volker Buchele (GATHERING OF OBSCURITY) an der Gitarre und Live-Keyboarder Oliver Zillich (THE BLUE SEASON) das Line-Up schlussendlich komplettieren.

Doch nun genug der Hintergrundinformationen, Schnitt zurück zu den in schummriges Licht getauchten Audio Arts Studios und Fokus auf die aufkeimenden Gedanken, die mir nach Romans Betätigung der Play-Taste durch mein Köpfchen rauschten - time for "Breed":


"At The Waters Of Lethe"
Wow, was für ein Hammer von einem Opener! Hatte ich als Eingangsstück für "The Breed" eher einen ruhigen Introsong erwartet, so überrascht und begeistert mich "At The Waters Of Lethe" umso mehr: Fettes Riffing schraubt sich ohne Rücksicht auf Verluste in den Gehörgang, während Roman seinem aggressiven Grunzgesang freien Lauf lässt. Kontrastierend dazu präsentieren sich Kemis glockenhelle Stimme und erhabene Keyboardsounds, die den harten Metal-Strukturen des Songs eine gewisse Melodik einzuhauchen wissen. Erster Gedanke: Sollte das gesamte Album die Klasse dieses Stücks haben, dann können wir Anwesenden uns auf was gefasst machen...

"Final Journey"
Verglichen mit seinem Vorgänger tempomäßig etwas gedrosselter, so lässt es aber auch "Final Journey" nicht an kraftvollem Ambiente fehlen. Rauher männlicher und engelhafter weiblicher Zwiegesang bilden auf ein Neues den Kernpunkt der Komposition, zu welchem die verzweifelt-melodisch singenden Gitarrenintermezzi ein gutes Bild abgeben.

"Opium Hearts"
Pfeifender Wind, das dumpfe Pulsieren eines Herzens, dazu wie Irrlichter aufblinkende Keyboard- und Soundfragmente und schließlich apokalyptisch anhebende Chorsamples - "Opium Hearts" liefert mit Abstand den mystischsten Flair auf "Breed". Die normalen Instrumente scheinen eher als eine Art nebensächliche Werkzeuge zur Songstabilisierung zu fungieren, da primär die düsteren Klangeffekte und die finstere Grundstimmung allgemein fokussiert werden. Wohlig-schauriges Gänsehautfeeling lässt nicht lange auf sich warten... .

"Of A False And Fallen Faith"
Wieder mehr im Stile des Openers gehalten geht es weiter mit Nummer vier im Bunde: Schwere Gitarrenriffs peitschen aus den Boxen, die jedoch durch entsprechende Keyboarduntermalung einen sanft-geheimnisvollen Unterton erhalten. Schönsees Gesang pendelt hier gekonnt zwischen Death-Grunts und fast beschwörend anmutendem, rauchigen Flüstern hin und her. Druckvoller Auftritt.

"Remember"
Gut rockig und trotzdem mit Gefühl schließt sich "Remember" an, bei dem auch Kemi wieder gesanglich zum Zuge kommt, die in den beiden vorangegangenen Songs Sendepause hatte. Grooviger Rhythmus, "spacig" zirkulierende Loops und ein ins Ohr gehender Refrain zeichnen das Stück aus und machen, obwohl bereits in der Mitte des Albums angelangt, weiterhin Lust auf mehr.

"Abandon All Hope"
Melancholisch und schwermütig gefärbte Melodiefolgen bestimmen hier, passend zum Titel, das Bild. Umstrickt wird das Ganze mit dem nun schon fast gewohnten ansprechenenden Gesang- und Gitarrengewand - überraschend die in Black Metal-Gefilde driftenden Kreischattacken, die hier zusätzlich mitmischen.

"I Think We Simply Fall"
Sehr cybermäßig und maschinell gehalten verbreitet "I Think We Simply Fall" ein Gefühl von hoffnungsloser Kälte und Resignation. Elektronisch verzerrte Stimmen, industriell-kühle Sounds und Loops machen die beklemmende Stimmung perfekt. Zwar kommt dieser Umschwung in sterile Synthetik etwas unerwartet, passt sich jedoch trotzdem gut in die Songabfolge ein.

"Forsaken"
Nächtliches Grillenzirpen und fernes Hundegebell, dazu bedrohliche Celloklänge, wie man sie aus nervenanspannenden Szenen in Filmen kennt - so umrahmt beginnt "Forsaken" mit einer düsteren Geschichtenerzählung und mausert sich mit dem Einsetzen von Kemis leicht orientalisch anmutendem Gesang zu einem exotischen, feenartigen Stück Musik, das anmutige Magie versprüht. Gitarren, Drums und anderes hartes Beiwerk: Fehlanzeige, ein reiner Synthesizer-Auftritt.

"Ocean Of Flames"
Ein gebührender, fulminanter Abschluss mit hymnenhaftem Gesang - die drückende Anspannung der letzten Songs scheint sich mit einem jubilierenden Ausruf der Erleichterung geradezu aufzulösen, die Seele freizugeben. Und während diese in verklärten Höhen entschwindet, schickt sich auch "Breed" an, mit geheimnisvollen, exorbitanten Keyboardmelodien auszuklingen... .


Schluss. Aus. Fertig. Es dauerte einige Momente, bis mein Gehirn das Ende der Vorführung gänzlich realisiert hatte. Ein Blick in die Runde bewies jedoch, dass nicht nur ich mich in den Tiefen von "Breed" verloren hatte - reihum langsam wieder "zu-sich-kommende" und tief beeindruckte Gesichter. Selbst der ebenfalls anwesende Felix Flaucher (SILKE BISCHOFF) konnte nicht umhin, seiner Begeisterung ob des neuen Outputs von THE BLOODLINE anerkennend Ausdruck zu verleihen.
Und wirklich: Was für ein Album! "Breed" beweist genau die Tiefe, Abwechslung und Vielschichtigkeit, die dem im Vergleich fast zaghaft ausgefallenen 2000er-Debüt "Opium Hearts" zur Vollendung fehlte. THE BLOODLINE haben wahrlich einen großen, selbstbewußten Reifeschritt nach vorne gemacht - das ist moderner Gothic Metal, wie er klingen sollte.

Nach der Session wurde sich, zurück in der guten Stube, auf ein Neues über das leckere Essen hergemacht, und die lockeren Plaudereien dauerten weiter an bis in die frühen Morgenstunden, bis es an der Zeit war, sich von den charmanten Gastgebern zu verabschieden.
Ein ausgesprochen netter Abend, dem ich nicht zuletzt verdanke, eine für mich geile neue Band entdeckt zu haben. Danke Roman, danke Kemi :-).

Voraussichtliche Veröffentlichung von "Breed": April 2002

Redakteur:
Kathy Schütte

Login

Neu registrieren