The Unholy Alliance: Chapter III - Offenbach

14.11.2008 | 12:17

05.11.2008, Stadthalle Offenbach

Die Wikinger-Helden von AMON AMARTH unterstützen die Thrash-Ikonen SLAYER in Offenbach.

Einmal im Jahr ein SLAYER-Konzert zu besuchen, das gehört bei mir schon fast zum Standard. 2008 muss ich lange warten, um diese lieb gewonnene Gewohnheit in die Tat umsetzen zu können, aber dann klappt es doch noch, und ich bin geradezu begeistert, als ich wahrnehme, dass neben MASTODON und TRIVIUM auch AMON AMARTH mit von der Partie sind.

Am ersten Mittwoch im November ist es dann endlich so weit. Die Offenbacher Stadthalle öffnet überraschend früh ihre Tore, nämlich um 18.00 Uhr, so dass der Andrang entsprechend zaghaft ist. Wahrscheinlich müssen sich auch die SLAYER-Fans erst aus den Fängen ihrer Arbeitgeber befreien. Zum Glück gibt es zu Beginn nichts zu verpassen, denn der angekündigte Auftritt von MASTODON muss wegen Krankheit entfallen. Stattdessen spielt eine mir unbekannte Combo als erste Band des Abends auf, über die sich mir nichts Weiteres erschließt, da ich wie so viele andere den Anfang verpasse und irgendwie noch nicht richtig angekommen bin.

Dass sich das bald ändert, dafür sorgen dann aber gegen halb acht bereits die namhaften schwedischen Helden von AMON AMARTH. Zwei große Banner mit Thorshammer rechts und links auf der Bühne deuten bereits in der Umbaupause darauf hin, dass sie die nächsten im Programm sind. Welch ein Glück! Zwar ist es immer noch nicht überzeugend voll in der Halle, aber das ist egal. Johan Hegg und seine Truppe, die heute in schlichten schwarzen T-Shirts die Bühne entern, vermögen es vom ersten Song an, die Fans in Stimmung zu bringen. Da es noch nicht so voll ist, erobere ich mir ein Plätzchen ziemlich dicht an der Bühne. Die besondere Authentizität eines Konzertes bekommt man dort vorne sicher besser mit als auf einem Sitzplätzchen am anderen Ende der Halle, aber ich bedauere doch, dass gleichzeitig der Sound in der Nähe der Boxen schwammig bleibt. Bis ich mich entschieden habe, trotzdem im vorderen Getümmel zu bleiben, haben AMON AMARTH bereits 'Gurdians Of Asgaard' angestimmt. Johan Hegg fragt uns, ob wir Lust auf Heavy Metal haben, um sogleich 'Twilight Of The Thunder God' anzustimmen. Da die Spielzeit heute bei diesem Tourpackage runde vierzig Minuten nicht überschreiten wird, bleibt nicht viel Zeit zum Plaudern. Sogleich wird uns 'Runes Come To My Memory' um die Ohren gehauen, dem mit 'Free Sacrifice' erneut ein Song des aktuellen Albums folgt. Hier wird klar, dass "Twilight Of The Thunder God" qualitativ zweifellos mit den vorangegangenen Werken der Wikinger mithalten kann. Dennoch freut sich die headbanging-freudige Meute vor der Bühne auch, mit 'Cry Of The Black Birds' und 'The Pursuit Of Vikings' Hits der vorangegangenen Alben zu Gehör zu erhalten. Noch ein Prosit von Johans Seite mit dem Trinkhorn, und schon ist die Show vorüber – viel zu schnell. Eigentlich war das nur ein Appetithäppchen, dem besser noch ein paar AMON AMARTH-Songs gefolgt wären, man dafür aber vielleicht eine Band weniger ins Programm hätte schieben sollen. Viel hilft nicht immer viel.
[Erika Becker]

Mit dem sehr geilen neuen Album "Twilight Of The Thunder God" kann eigentlich nichts schiefgehen, selbst wenn man vor einem kritischen SLAYER-Publikum spielt. Leider ist die Halle noch nicht richtig voll, und somit sind die Reaktionen des Publikums zwar durchweg positiv, aber Begeisterung will nicht wirklich aufkommen. Es ist auch deutlich erkennbar, dass die Schweden heute eher als kleinere Vorband erscheinen, was anhand des derzeitigen Erfolgs der Band schon überrascht. In der Mitte der Bühne thront Lombardos Drumset, darunter das von TRIVIUM. Für Fredrik Anderssons Drums ist auf der linken Bühnenhälfte gerade noch ein Platz gefunden worden. Keine Pyrotechnik, keine große Lightshow und keine Wikingerkämpfe sind zu sehen - heute ist alles etwas weniger aufwendig gestaltet. AMON AMARTH präsentieren hauptsächlich Songs der letzten beiden Alben und üben sich im Synchron-Headbanging bei 'Guardians Of Asgaard' und 'Runes To My Memory'. Mit den aktuellen Songs 'Free Will Sacrifice' und dem sehr geilen Titeltrack 'Twilight Of The Thunder God' zeigen AMON AMARTH, was wir wohl von der nächsten Headliner-Tour erwarten dürfen.

Es wird dunkel, und durch das "Gekrächzte einer Krähe" wird 'Cry Of The Blackbirds' eingeleitet, bevor der Gig mit dem obligatorischen 'Pursuit Of Vikings' beendet wird. Zum ersten Mal stehen einige Leute auf der Tribüne auf, und vor der Bühne wird der Refrain mitgegrölt. Wenigstens zum Schluss ahnt man, welche Begeisterung AMON AMARTH entfesseln können.

Übrigens muss ich hier mal bemerken, dass Sänger Johan Hegg einer der wenigen Künstler ist, die zugleich mit dem Bart und den Haaren bangen können. Ein herrlicher Anblick! (Hast du nicht als Erster bemerkt – augenzwinkernd, d. Red.)
[Chris Gaum]

Eigentlich bin ich ja wegen SLAYER gekommen. Aber zuvor sind noch TRIVIUM zu überwinden, mit deren Sound ich bisher nicht vertraut bin und es auch heute Abend nicht werde. Spürbar ist, dass diese Band aus Florida in Offenbach beim stetig anwachsenden Publikum eine Menge Fans zu haben scheint. Mir jedenfalls ist der Stil zu wenig rund und melodisch. Da schalte ich mal ab.
[Erika Becker]

Zunächst wundere ich mich etwas über die fünf Mikros, die auf der Bühne stehen. Hat die Band Zuwachs bekommen, oder wer singt da jetzt alles? Doch TRIVIUM fegen dermaßen euphorisch über die Bühne, dass mir klar wird, warum überall ein Mikro stehen muss. Kaum länger als dreißig Sekunden steht hier einer auf seinem Platz, und somit singt Matt Heafy mal links und grunzt mal rechts auf der Bühne. Der Bewegungsradius der Band ist echt unglaublich. Der Trupp strotzt vor Spielfreude und reißt das Publikum mit dem brutalen Opener 'Kirisute Gomen' gleich mit. Viel unberechtigte Kritik haben TRIVIUM einstecken müssen - vor allem von Leuten, die einfach zu "true" sind. Rein musikalisch gesehen ist das der Wahnsinn. Die melodischen Doppel-Leads der Gitarristen und die dynamische Rhythmusarbeit lassen ältere Stücke wie 'Gunshot To The Head Of Trepidation' und neuere Songs wie 'Into The Mouth Of Hell We March' bzw. 'Down From The Sky' mit einer solchen Wucht durch die Boxen krachen, dass sich sogar der erste SLAYER-würdige Moshpit bildet. Doch nicht nur die musikalischen Fähigkeiten der Band beeindrucken. Heafys Ansagen feuern das Publikum zusätzlich an, und die Jungs aus Florida lassen die Matten kreisen. Irgendwie nimmt man der Band ab, dass sie tatsächlich Spaß hat und dem Publikum eine geile Metalshow präsentieren will. Hier wirkt nichts aufgesetzt oder schleimig, wie nur allzu oft bei den zahlreichen gepushten Nachwuchsbands irgendwo zwischen Metal, Core und sonst was.

Zum Abschluss gibt's noch mal den Überhit 'Pull Harder On The Strings Of Your Martyr' vom "Ascendancy"-Album, bevor sich die Band mit den Worten "We are TRIVIUM and we will return!" verabschiedet. Das wollen wir auch hoffen!
[Chris Gaum]

Wie TRIVIUM sind SLAYER auch nicht gerade melodisch, aber trotzdem bin ich froh, als der Höhepunkt des Abends endlich erreicht ist. Jetzt ist es auch kuschelig voll geworden in der Stadthalle, und auf der Bühne ist das vertraute Bild der Marshalltürme zu sehen, die stets SLAYERs Bühnendeko darstellen. So auch heute. Die Herren kommen daher wie eh und je. Tom Araya hat sich allerdings von seinem großväterlichen Vollbart, den er noch im vergangenen Jahr getragen hat, wieder verabschiedet und lächelt uns mit freundlichem Grinsen spitzbärtig an.

Das Programm ist natürlich gar nicht freundlich, sondern knüppelt erwartet finster über uns hinweg. Im vorderen Teil der Setlist überwiegen Songs der letzten beiden Alben. Auch hier bleibt nicht viel Zeit für Gequatsche, stattdessen schleudert Tom Araya uns Songs wie 'Disciple' und 'Cult' um die Ohren, um dann mit 'Dead Skin Mask' die Ära der Vergangenheit einzuläuten.

Tatsächlich verfärben die Scheinwerfer die Bühne bald rot, und wir dürfen uns bei 'Raining Blood' austoben und dann auch noch bei 'South Of Heaven'. Hatte man das zu hoffen gewagt? Sehr geil! Was Anderes wollen die Fans ja doch nicht hören. Das heißt: doch! 'Angel Of Death' darf natürlich nicht fehlen, um auch heute Abend hier zu einem orgiastischen Höhepunkt zu gelangen. Und dann ist wie immer Schluss. Ein kurzer heftiger Rausch. Wir haben, was wir wollten.
[Erika Becker]

Noch bevor der Umbau richtig angefangen hatte, verschleierte ein heruntergelassener weißer Vorhang das Treiben auf der Bühne. Na so was, haben SLAYER nach fast dreißig Jahren plötzlich Geheimnisse? Erwartet uns gar etwas Revolutionäres, eine völlig andere SLAYER-Show? Nach dem kultigen Intro aus 'Show No Mercy'-Riffs ist dann aber doch alles beim Alten. Man erkennt die Silhouetten von Tom Araya und Kerry King, und nachdem einige Pentagramme auf den Vorhang geworfen worden sind, dürfen wir endlich die vier Thrash-Ikonen zu dem Opener 'Flesh Storm' bewundern.

Die Bühnendeko erschreckt mich allerdings ein wenig! Was sollen die komischen glitzernden Leuchtdiodenwände! Das ist doch nicht IN FLAMES. Also ganz ehrlich: Das ist für SLAYER einfach zu poppig. Da gefiel mir die in blutigem Rot oder kaltem Blau gehaltene Bühne der letzten Touren doch deutlich besser. Trotzdem bildet sich sofort der erste Moshpit, und SLAYER schlagen mit dem erbarmungslosen 'War Ensemble' zu. Spätestens jetzt habe ich das Gefühl, dass hier ein bisschen die Power fehlt. Werden die Herren langsam alt, oder kommt es mir nur so vor, dass alles ein paar BPM langsamer ist als sonst?

Bei 'Chemical Warfare' passiert dann das Unglaubliche: SLAYER sind sich mit dem Rhythmus nicht ganz einig, und eine (vom Publikum kaum bemerkte) unbeabsichtigte Pause wird in das Stück eingebaut. Tom kann sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. Auch die perfekte Liveband SLAYER macht also mal einen Fehler. Aber sie nehmen das wohl zum Anlass, um jetzt richtig Gas zu geben und den lahmen Anfang vergessen zu machen. Mit 'Ghosts Of War' (geil! Seit fast zwanzig Jahren nicht mehr live gespielt!) und 'Cult' zeigen SLAYER dann, wer die höllischen Gewalten wie sonst kaum jemand entfesseln kann.

Als Tom dann den ganz neuen Song 'Psychopathy Red' ankündigt, wird mir klar: Fuckin' SLAYER, das ist halt doch das Geilste überhaupt! Der sehr Old-School-lastige Song scheint der vergessene elfte Track der "Reign In Blood"-Scheibe zu sein. Hoffentlich klingt das ganze Album so, dass uns die Herren King und Co. angeblich schon Mitte 2009 um die Ohren hauen wollen.

Auch die Thrash-Keulen 'Dittohead' und 'Payback' sind überraschend im Set vertreten, aber räumen vor der Bühne richtig auf. Vergessen sind mittlerweile die anfänglichen Zweifel, denn die Band gönnt dem Moshpit kaum eine Atempause. Nach 'Raining Blood' und 'South Of Heaven', bei dem sich sogar ein großer Teil der Sitztribünengäste zum Aufstehen bequemt, geht's dann mit 'Angel Of Death' in die letzte Runde. Ganze siebzehn Songs spielen die Thrasher heute. Das sind immerhin drei Songs mehr, als bei den beiden Vorgängern der "Unholy Alliance"-Tour zu hören waren. Von mir aus hätten es noch ein paar mehr sein können.

Am Schluss bleibt noch zu sagen: SLAYER sind immer noch eine Macht. Zwar gibt's von Tom Araya nichts Neues mehr zu hören (der spult schon seit zehn Jahren die gleichen Ansagen ab), aber die Songs sind einmalig. SLAYER sind zum Glück doch nicht alt geworden! Vor der Halle sind die bekannten "SLAAAYYYEEEER!"-Rufe zu hören, während eine Gruppe von fünf Metalheads die Werbeplakate der Stadt Offenbach quer über die Strasse kickt. SLAYER-Fans werden zum Glück auch nicht alt.
[Chris Gaum]

Setlist:

1. Flesh Storm
2. War Ensemble
3. Chemical Warfare
4. Ghosts Of War
5. Jihad
6. Cult
7. Disciple
8. Pychopathy Red
9. Seasons In The Abyss
10. Dittohead
11. Live Undead
12. Eyes Of The Insane
13. Payback
14. Dead Skin Mask
15. Raining Blood
16. South Of Heaven
17. Angel Of Death

Insgesamt war dieser Abend also mal wieder ein erquickliches Konzertevent. Was zunächst aufgrund der frühen Uhrzeit etwas müde begann, hat sich noch prächtig entwickelt. Und dass die Stadthalle Offenbach nicht zum Bersten voll war, hat den im Durchschnitt inzwischen nicht mehr ganz so blutjungen SLAYER-Fans sicher nicht geschadet. Man muss sich ja vor der Bühne nicht immer ölen wie eine Sardine. Wenn SLAYER auch nicht unbedingt Überraschendes geboten haben – das wird wohl auch niemand mehr erwarten –, so haben ihre Shows doch etwas von einer ritualisierten Katharsis. Mitten in einer hässlichen Arbeitswoche kann man das ganz gut gebrauchen. Bis zum nächsten Mal!

Redakteur:
Erika Becker

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