Tuska Open Air - Helsinki (FIN)

26.07.2006 | 23:55

30.06.2006, Kaisaniemi Park

STAM1NA
Mit Weckerklingeln legten die finnischen New-School-Thrash-Metaller STAM1NA los und unterhielten das so nach und nach ins Gelände strömende Publikum mit launigen Ansagen und "vanha paska" (="alte Scheiße"). Im Gegensatz zu so manchem Besucher tobten die Jungs schon quicklebendig in der Nachmittagshitze und machten IMPALED NAZARENE Konkurrenz, was den Gebrauch von Kraftausdrücken angeht. Vom in den lokalen Charts weiterhin kletternden aktuellen Album "Uudet Kymmenen Käskyä" gab es zum Abschluß noch 'Kaksi reittiä yksi suunta'.

APRIL
Im Inferno-Zelt warteten APRIL mit einer Mischung aus Hardcore und Metal auf, die Aggressionspaket Hakim Hietikko mit überraschend melodiösen Vocals garnierte - tolles, klares, samtiges Organ! Die Metal-Ohrwürmer wurden von den leider noch nicht allzu zahlreichen Fans (noch zu müde?) abgefeiert.
[Klaudia Weber]

NORTHER
Heiß war's, als NORTHER auf dem Sue Stage loslegten, und das in jeder Hinsicht. Bei brütenden Temperaturen verausgabten sich die Jungs total. Ich hab NORTHER nun schon oft und auf vielen Festivals gesehen, aber hier, in ihrer Stadt, geben die Finnen immer noch etwas mehr als sonst. Zu den Ansagen kann ich leider nicht viel sagen, da sie logischerweise auf Finnisch waren und meine Finnisch-Kenntnisse doch sehr begrenzt sind, aber wenn ich nach der Reaktion des Publikums gehe, war der eine oder andere Schenkelklopfer dabei. Die Songauswahl war zwar mit fünf Songs vom aktuellen Album "Till Death Unites Us" nicht sehr ausgewogen, aber es waren mit alten Hits wie 'Blackhearted', 'A Fallen Star', 'Released', 'Day Zero' und der Zugabe 'Death Unlimited' genug ältere Songs dabei, um nicht zur reinen Albumwerbung zu mutieren. Äußerlich muss ein Fan recht enttäuscht gewesen sein, denn Petri Lindroos fescher Kuhcowboyhut von dem Auftritten in 2005 war diesmal nur im Publikum zu bewundern. Der Sound vor der Sue Stage war gut und das Publikum, das sich die ersten drei Songs (mit Ausnahme der ersten drei bis vier Reihen) zurückhielt, startete sogar ein paar kleinere Crowdsurfversuche.
[Samira Alinto]

Setlist:
Throwing My Life Away
Norther
Blackhearted
Scream
Omen
A Fallen Star
Released
Everything
Day Zero
Death Unlimited

THE SCOURGER
THE SCOURGER hatte im Inferno-Zelt bereits ein bestens aufgewärmtes Publikum, das bei den Death-Metal-Hochgeschwindigkeitshymnen mitging. Da hätte Muskelmann Fronter Jari gar nicht die Peitsche schwingen müssen - im wahrsten Sinn des Wortes. Er beeindruckte außerdem mit bösartigem Organ und markigen Sprüchen.
[Klaudia Weber]

AMORPHIS
Sehr gespannt war ich auf den Gig der finnischen Kalevala-Band AMORPHIS, die auf ihrem aktuellen, von Neu-Sänger Tomi Joutsen eingesungenen Werk "Eclipse" erfrischend back to the roots geht. Ich hatte eigentlich keine Zweifel daran, dass der erklärte "Tales From The Thousand Lakes"-Fan Tomi Nummer zwei auch an den alten Klassikern nicht scheitern würde, aber dass der Junge gleich so gut ist, hätte ich nicht gedacht. Vergessen sind die Zeiten, in denen Ex-Fronter Pasi Koskinen sein Gesicht hinter seinem schwarzen halblangen Haar verbarg und den Bewegungsradius einer Postkarte an den Tag legte. Tomi Joutsen scheint sein Leben lang nichts anderes gemacht zu haben, als auf der Bühne zu stehen, schüttelte zu den schnelleren Passagen (von denen es eine Menge gab) seine meterlangen Dreadlocks und interpretierte die gefühlvollen Momenten mit einer Hingabe in sein stylisches Nostalgie-Mikro, dass es eine wahre Freude war. Selbst die eigentlich ziemlich growl-freien Songs der "Tuonela"- und "Am Universum"-Phase versah er stets mit einem gelegentlichen Grunzer. Während bei den "alten" AMORPHIS meist 'Black Winter Day' (das auf dem TUSKA allerdings nicht gespielt wurde) den einzigen Track mit härterer Stimmlage darstellte, wurde hier mit Ausnahme der Single-Auskopplung 'House Of Sleep' überall ein wenig gerülpst, und natürlich gab's 'My Kantele' demzufolge auch in der Metal-Version. AMORPHIS waren für mich die beste Band des Festivals, und ich hoffe sehr, dass Tomi Joutsen uns noch viele wundervolle Alben bescheren wird. Klasse!

Setlist:
Leaves Scar
Alone
Against Widows
In The Beginning
Divinity
Under A Soil And Black Stone
Perkele
The Smoke
My Kantele
House Of Sleep

METSATÖLL
Helsinki und Tallinn sind bekanntlich nur einen Katzensprung voneinander entfernt (die Fähre braucht ca. 90 Minuten, noch schneller geht es mit einem der zahlreichen Helikopter, welche den Weg über die Ostsee regelmäßig in einer guten Viertelstunde meistern), und so war es keine allzu große Überraschung, dass mit METSATÖLL auch eine estnische Band auf dem Billing stand. Ihr Folk-Metal unterscheidet sich dabei gar nicht mal so sehr von ihren finnischen Konkurrenten, nur dass sie den Schwerpunkt eher auf "Folk" als auf "Metal" zu legen scheinen. Tiefe und wohlklingende mehrstimmige Männerchöre, kombiniert mit traditionellen Instrumenten wie der Torupill (der estnischen Version eines Dudelsacks), bilden das Grundgerüst, Gitarre, Schlagzeug und Bass liefern das epische Metal-Element dazu, und gesungen wird ausschließlich in der Landessprache. Die angeblich erfolgreichste estnische Metal-Band, deren Name auf Deutsche "Waldkreatur" bedeutet und eine Umschreibung für das Wort "Wolf" darstellt (dessen wahrer Name nach einem alten Aberglauben nicht ausgesprochen werden darf, weil er dann sofort erscheinen würde), wurde auf dem TUSKA sehr herzlich aufgenommen; bei uns gilt sie hingegen noch als Geheimtipp für alle Pagan-Folk-Metal-Fans. Neugierige finden auf estonianmetal.com etliche Songs zum reinhören. Unterhaltsam!

OPETH
Auch wenn ich schon ein paar gute Festival-Auftritte gesehen habe, so sind OPETH eindeutig eine Hallen-Band - vor allem seitdem Band-Chef Mikael Åkerfeldt erkannt hat, dass ein wenig Kommunikation mit dem Publikum durchaus stimmungszuträglich sein kann. Und auch die Tatsache, dass leichte Variationen in der Setlist für Die-Hard-Fans die Spannung erhöhen, ist mittlerweile in dessen Bewusstsein durchgesickert. 'The Grand Conjuration' vom aktuellen Werk kennt der erfahrene Konzert-Besucher inzwischen, aber 'The Amen Corner' vom "My Arms, Your Hearse"-Album war eine der Überraschungen, welche die Schweden durchaus auf Lager haben. Überraschend auch die erste Ansage: In Erwartung des obligatorischen "We are Opeth from Stockholm, Sweden"-Zitats irritierter der sympathische Fronter mit einem kleinen Frage-Antwort-Spielchen. "You probably know who we are?" Publikum: "OPETH!" "And do you know where we are from?" Publikum: "Sweden!" "And which country is better, Sweden or Finland?" Publikum: "Finland!" War ja klar...
Trotzdem gab es im Laufe der Show regelmäßige "Kiitos a lot!"-Artigkeiten zu hören. Im Laufe des 75-minütigen Auftritts hatte Mikael einige weitere Witzchen auf Lager. So ließ er die Fans ein paar eher unanständige Worte wiederholen und lieferte schließlich die legendäre Wacken-BLOODBATH-Aktion "And now say that in a death metal style." 'Deliverance' wurde als vermutlich vorletzter Song angekündigt, "but please don't kill us if it turns out to be the last one". Wenn mir vor gar nicht allzu langer Zeit jemand gesagt hätte, dass ich einmal die Hälfte einer OPETH-Liverezension mit Zitaten des Sängers spicken könnte, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt.
Musikalisch gesehen erwies sich vor allem Per Wiberg wieder als echte Bereicherung, nicht nur wegen seines Keyboardspiels, sondern auch, weil er zu den klaren Gesangspassagen schöne Backing-Vocals beisteuerte und sie dadurch noch wärmer und voller klingen ließ. Insgesamt ein gewohnt guter Auftritt, der jedoch nicht mit dem Konzert in Berlin im Rahmen der "Ghost Reveries"-Tour mithalten konnte.
[Elke Huber]

Setlist:
The Grand Conjuration
The Amen Corner
White Cluster
Closure
Leper Affinity
Deliverance
Ghost Of Perdition

EPICA
Die Sängerinnenquote des TUSKA-Festivals liess sich schon als erbärmlich bezeichnen, denn ganze 50% standen in Form von Sängerin Simone Simons am Samstag Abend mit EPICA auf der Bühne. Die restlichen 50% wurden übrigens von ARCH ENEMY Frontfrau Angela Gossow repräsentiert. Die Holländer waren sichtlich aufgeregt, war es doch ihr allererster Auftritt im Land des Weihnachtsmannes. Das finnische Publikum jedoch schien nur darauf gewartet zu haben, das Sextett endlich empfangen zu dürfen und brach in wahre Begeisterungsstürme aus, als Simone mit den Jungs die Bühne enterte. Die ausgebildete, aber dennoch zarte Stimme der Frau Simons hatte zu Anfang etwas Probleme, gegen einige Soundprobleme anzukommen, doch nachdem diese relativ schnell behoben waren, erdröhnten die bombastischen Kompositionen mit voller Kraft. Das überwiegend junge Publikum schien jede Textzeile zu kennen und feierte Songs wie 'Solitary Ground' oder den Titeltrack des Debutalbums "The Phantom Agony" mit fast religiöser Hingabe ab. Der erste Auftritt in Finnland entpupte sich also als ein wahrer Erfolg für EPICA und man darf gespannt sein, ob so der Boden für weitere Konzerte geebnet wurde.
[Ricarda Schwoebel]

VENOM
From the very depths of hell... Im Gegensatz zu den SISTERS am Vortag enttäuschten meine Teenage-Heroes VENOM weder mich noch die TUSKA-Fangemeinde. Vor massiven Marshall-Türmen lieferte ein optisch kaum veränderter Cronos sein klassisch asoziales Stageacting inklusive Gitarrenzertrümmerung, der neue Drummer Antton ließ im Gegensatz zu Abaddon sein Set hinterher aber heil. Mantas-Lookalike Mykus hatte mit ebenso kranken Soli aufzuwarten. Das neue Material des britischen Trios schließt relativ nahtlos an die Klassiker an, und die Großväter des Black Metals können mit ihrem rohen unbekümmerten Sound in der Tat noch mit ihren Nachfahren mithalten. Leider gab es gerade beim Opener 'Black Metal' Mikroprobleme, unfallfrei und routiniert hingegen Klassiker wie 'Bloodlust', 'In nomine Satanas', '10000 Days in Sodom', 'Countess Bathory', 'Warhead', 'Don't Burn The Witch' und zum krönenden Abschluss 'Witching Hour'. Leider fehlte mein persönlicher Fave 'Buried Alive', aber VENOM drohten schon an, bald wiederzukommen. Fazit: Ein glücklicher Alt- und Erneut-VENOM-Fan jubelte mit Gleichgesinnten, die bei Erscheinen des ersten VENOM-Albums gerade mal geboren waren. Übrigens, die Venom-Shirts waren noch vor Konzertbeginn ausverkauft.
[Klaudia Weber]

Redakteur:
Elke Huber

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