WITHIN TEMPTATION, ANNISOKAY und BLIND8 - Frankfurt/Höchst
04.11.2024 | 10:3823.10.2024, Jahrhunderthalle
Ein interessantes Tourpaket begeistert die Besucher der Jahrhunderthalle.
WITHIN TEMPTATION ist aktuell auf Tour mit dem Album "Bleed Out" und hat dazu ein interessantes Paket geschnürt. Die Band wird von ANNISOKAY und BLIND8 unterstützt, zwei Bands, die stilistisch auf den ersten Blick nicht ganz zum Symphonic Metal passen wollen, für den WITHIN TEMPTATION dereinst bekannt wurde. Es ist also dringend notwendig, mit investigativem Journalismus herauszufinden, ob das alles zusammenpasst und was sich die Band um Sängerin Sharon Den Adel und Gitarrist Robert Westerholt bei all dem so gedacht hat.
Die Frankfurter Jahrhunderthalle ist jedenfalls gut gefüllt und die Schlange vor dem Einlass windet sich anfangs um das halbe Gebäude. Das kommt BLIND8 zugute, da die Ukrainer bereits recht früh ran müssen und vermutlich noch nicht allzu vielen Besuchern bekannt sind. So können die Musiker jedoch bereits mit einem vollen Saal und motivierten Publikum arbeiten, das den Modern Metal der Truppe mehr als wohlwollend zur Kenntnis nimmt und bereits willig mitklatscht. Die Musiker danken es mit einer sympathischen und energiegeladenen Performance, die es selbst mir als Modern-Metal-Muffel leicht macht, die recht kurze Show wohlwollend zu beobachten. BLIND8 zeigt einmal mehr, wie sehr die Metal-Landkarte alles andere als einheitlich ist. Ein Genre, dass hierzulande vor zwanzig Jahren seinen Zenit erreichte, ist in Teilen Osteuropas aktuell höchst angesagt, während wir hier gerade erst andere Subgenres entdecken, die anderenorts bereits alte Hüte sind. Sicherlich keine weltbewegende Erkenntnis, aber der gelungene Auftritt von BLIND8 verdeutlicht es mir einmal mehr. Als Ukrainer kommen die Herren natürlich nicht umhin, etwas zum Krieg in ihrer Heimat zu sagen und werben um Spenden für eine "Stop The Drones"-Kampagne. Alles in allem also ein gelungener Anheizer, der die Atmosphäre des gesamten Abends gut einführt.
Dann ist es Zeit für ANNISOKAY, eine weitere Band, die sich außerhalb meines persönlichen Musikgeschmacks bewegt, die mir aber schon ein paar Mal auf Festivals begegnet ist. Metalcore ist selten meine Sache, doch die Herren aus Halle an der Saale bringen ab dem ersten Ton eine Menge Energie auf die Bretter und Sänger Christoph erweist sich zudem als talentierter Moderator. Klar hat er hier den Sprachvorteil, doch auch jenseits dessen führt er mit Humor und offensichtlicher Freude durchs Programm. Und dieses hat bereits recht früh eine erste Überraschung zu bieten, als zu 'Like A Parasite' WITHIN TEMPTATIONs Sharon die Bühne entert um sich mit Christoph zu duettieren. Im Anschluss wird 'One Step Closer' von LINKIN PARK gecovert, um, laut Christoph, "auch mal nen Song zu spielen, den die Leute kennen". Dabei verkauft der gute Mann seine Band natürlich augenzwinkernd unter Wert, denn ANNISOKAY hat offensichtlich viele Fans heute Abend, die die Band ordentlich abfeiern. Christoph berichtet im Laufe des Sets, dass Drummer Nico nach der Tour die Band verlassen wird und er als Frankfurter hier sein letztes Heimspiel bestreitet, was vom Publikum mit lauten "Nico! Nico!"-Sprechchören kommentiert wird, die auch nach dem letzten Song noch eine Weile zu hören sind. Der melodische Metalcore, die sympathische Performance, all das baut perfekt auf der Performance von BLIND8 auf und die Frage ist, wie sich der Headliner in dieses Programm einfügen wird.
Die Antwort: Gut. "Bleed Out" hatte ja bereits gezeigt, dass WITHIN TEMPTATION aktuell gerne mit Elektronik und moderneren Elementen spielt und somit ist der Übergang von den Vorbands zum Headliner nicht so abrupt, wie er zunächst erscheint. Los geht es dann auch direkt mit dem Doppelpack, der das Album eröffnet. 'We Go To War' und 'Bleed Out' setzen den modernen, düsteren und aggressiven Ton des Abends fort und lassen den symphonischen, verspielteren Anteil im Bandsound erst langsam aufwellen. Mit 'Ritual' wird es dann etwas verspielter, man bleibt aber beim aktuellen Album. Das ist zwar auch mit dem nächsten Song der Fall, doch hier revanchiert sich ANNISOKAYs Christoph dann mit einem Gastauftritt bei 'Shed My Skin', welches er auch auf dem Album bereits bereichert.
'Wireless' beendet im Anschluss dann den "Bleed Out"-Block und ab da begibt sich die Band auf eine Reise durch ihr bisheriges Schaffen, wobei der Fokus weiterhin auf eher härteren, moderneren Klängen liegt. Zu 'A Fool's Parade' kommt dann auch noch BLIND8s Alex Yarmak auf die Bühne und ruft nach seinem Duett mit Sharon erneut zu Spenden für die Ukraine auf. Sharon wirbt ebenfalls für Spenden und erwähnt die speziellen Ukarine Solidaritätsshirts, die WITHIN TEMPTATION mitgebracht hat und deren Erlös ebenfalls der Kampagne zugute kommt. Spätestens hier sollte dann wirklich allen klar werden, was nicht nur WITHIN TEMPTATION, sondern eben auch dieses Tourpaket ausmacht: Jenseits der individuellen Musik sind hier drei Bands unterwegs, die moralisch und politisch an einem Strang ziehen, sich gegenseitig unterstützen und eben für eine gemeinsame Sache einstehen. Die Welt mit Musik besser zu machen ist eine Sache, aber dazu auch noch die richtigen Dinge zu sagen und materiell einen Beitrag zu leisten, ist gerade im Heavy Metal leider immer noch nicht überall akzeptiert, geschweige denn Standard. Hier und heute passt es aber komplett und so ist dieser Konzertabend nicht nur eine Reihe von drei Auftritten, sondern ein Gesamterlebnis, mehr als die Summe seiner Einzelteile.
Nach diesem letzten Duett schwenkt WITHIN TEMPTATION auf die Zielgerade ein, alle relevanten Hits werden gespielt und zum Abschluss entlässt uns 'Mother Earth', der Song mit dem die Band dereinst ihren Durchbruch schaffte, in den Abend, gerade noch rechtzeitig für mich, um den letzten Zug in die Heimat zu erreichen. War ich am Anfang noch skeptisch, ob die drei Bands zusammenpassen würden und wenig enthusiastisch ob des hohen Modern-Metal- und Metalcore-Anteils, muss ich abschließend nochmals anerkennen, dass hier alles zusammengepasst hat und ich deutlich zufriedener die Jahrhunderthalle verlasse, als ich sie betreten habe. Seien wir mal ehrlich, mehr kann man von einem Konzertabend nun wirklich nicht verlangen.
Text: Raphael Päbst
Fotocredit: Andre Schnittker
- Redakteur:
- Raphael Päbst