WITHIN TEMPTATION, EVANESCENCE, VERIDIA - München

17.11.2022 | 22:57

09.11.2022, Olympiahalle

Makellose Auftakt-Show der "Worlds Collide"-Tour

Foto: Frank JägerDie Nashviller Alt-Rock-Band VERIDIA darf den Opener auf der "Worlds Collide"-Tour spielen. VERIDIA besteht aus Frontfrau Deena Jakoub, Gitarrist Brandon Brown und Kyle Levy am Schlagzeug. Die Drei legen auch direkt nach einem kleinen Intro vom Band los. Beim ersten Song gibt es auch direkt ein kleines Gimmick: Die Sängerin schnappt sich eine mit LEDs linierte Stoffbahn und wedelt sie auf der Bühne herum, das sieht ganz cool aus. Ich kannte die Band vorher nicht, aber zum Einstieg ist das ganz in Ordnung. Es wird hin und wieder ordentlich gesampelt und auch gesprochene oder gerappte Parts finden in den Songs von VERIDIA ihren Platz. Das ist nicht unbedingt mein Ding, aber auch noch nicht so schlimm, dass es stört. Die Parts, in denen Deena Jakoub ihre Stimme auch nutzt und wirklich singt, sind durchschnittlich bis gut. In 'Numb' findet sich leider besonders viel Gerede und so lässt mich der Song tatsächlich recht gefühllos zurück. Um von der tauben Gefühllosigkeit in die Traurigkeit überzugehen, holt sich VERIDIA für 'I'll Never Be Ready' dann noch Amy Lee von EVANESCENCE auf die Bühne. Die beiden Damen liefern ein ganz nettes Duett ab und sorgen für den ersten von vielen Taschenlampen-Songs an diesem Abend. Die Songs danach sollen die Stimmung wieder heben, sind aber auch wieder eher durchschnittlich. Der letzte Song 'I Won't Stay Down' funktioniert meiner Meinung nach am besten, oder ich habe mich inzwischen einfach an die Band gewöhnt. Der Refrain hat auf jeden Fall Mit-Nick-Potential.

Setliste: I Am Nothing Without Love; Blood Diamond, Feed The Animal; Poppies; Numb; I'll Never Be Ready (with Amy Lee); Still Breathing; At The End Of The World; I Won't Stay Down

Foto: Frank JägerNach dem ersten Umbau wird es Zeit für EVANESCENCE, den ersten Headliner. Bereits nach dem ersten Song ist klar, hier tritt ein anderes Kaliber auf. Die Bühne wurde ein wenig umgebaut und jetzt gibt es eine wirklich gute Lightshow. Man hat sich für von Lichttraversen umrahmte, dreieckige Visuals im Hintergrund der Band entschieden. Hier werden mal passende, mal weniger passende, oft abstrakte Videos gezeigt, die für mehr Action auf der Bühne sorgen sollen. Nicht dass EVANESCENCE es nötig hätte, die Fünf aus Arkansas liefern eine tolle Show ab! Amy Lee läuft in guter Frontwoman-Manier im ganzen Auftritt bestimmt 30 Mal vom einen Ende der Bühne zum anderen, aber auch die anderen Mitglieder der Band lassen sich nicht lumpen und schmeißen sich in Posen. Ein Schädeltrauma vom ganzen Kopfschütteln hatten bestimmt auch alle nach dem Auftritt. Nach den ersten beiden Liedern begrüßt Amy Lee das Publikum kurz und endet mit: "More Music - Let's Play!". Kein Gelaber, das ist eine Ansprache nach meinem Geschmack.

Schließlich kommt EVANESCENCE zum ersten großen Hit: 'Going Under' wird gespielt und ist ein entsprechend großer Erfolg beim Publikum. Da bleibt keiner stehen. Mit 'Wasted On You' kommt dann jedoch direkt ein Stimmungs-Dip, der die gerade aufgebaute Tanzlaune wieder völlig zerstört. Dafür freut sich die Taschenlampen-Schwenk-Fraktion und zum dritten Mal an diesem Abend erleuchten hunderte Smartphone-Lampen die Arena. Das zweite Mal war übrigens während des Umbaus, für einen Klassiker vom Band. Wir sehen also, dass die Taschenlampen-Hemmschwelle nicht besonders hoch ist. Der Song steigert sich und die Menge macht die Taschenlampen wieder aus, um dafür dann doch wieder mitzuwippen. Es folgt das lange nicht mehr aufgeführte 'Lacrymosa', sowie 'Lose Control' vom 2006er Album "The Open Door". Diese bieten mit ihren episch-choralen Parts eine interessante Auflockerung. 'Far From Heaven' ist dann wieder ruhiger. Diesem Auf-und-Ab-Muster scheint der ganze Auftritt zu folgen. Damit vermeidet man zwar, dass die einzelnen Songs zu Einheitsbrei verschwimmen, mir reicht ein Lied jedoch meist nicht aus, um voll in Stimmung zu kommen.

Foto: Frank JägerFür 'Your Star' fährt ein Flügel aus dem Boden der Bühne, an dem Amy Lee prompt Platz nimmt. Doch halt: Wer jetzt einen ruhigen Taschenlampen-Song erwartet, liegt falsch… der ist erst beim nächsten Ab wieder dran. Gerade sind wir bei einem Auf-Song.
Der Stern von 'Your Star' geht beim nächsten Lied direkt hinter der Sängerin auf dem Display auf, von der man dann nur noch die Silhouette erkennt, während der Rest der Bühne dunkel bleibt. Erst beim Refrain wird diese Spannung gelöst und es gibt wieder Licht. Hab ich schon erwähnt, dass es auf dieser Tour eine sehr gute Lightshow gibt?

Das Auf-und-Ab-Muster setzt sich fort, das nächste erwähnenswerte Lied ist 'Use My Voice', bei dem eindeutig ein Zeichen für die BLM-Bewegung durch die Visuals im Hintergrund, die erhobene Fäuste zeigen, gesetzt wird. 'My Immortal' ist ein Taschenlampen-Song, bei dem Amy Lee das Publikum sogar nochmal extra dazu auffordert und entsprechend viele Lichter erntet. Mit dem Riesen-Hit 'Bring Me To Life' beendet EVANESCENCE den Auftritt und verschießt lange Konfetti-Papierstreifen ins Publikum.

Setliste: Artifact/The Turn; Broken Pieces Shine; Made Of Stone; Take Cover; Going Under; Wasted On You, Lacrymosa; Lose Control; Far From Heaven; Your Star; End Of The Dream; Better Without You; Call Me When You're Sober; Imaginary; Use My Voice; Blind Belief; My Immortal; Bring Me To Life

Der Umbau für WITHIN TEMPTATION ist umfangreicher, hier wird die Bühne völlig neu hergerichtet. Wer den Artikel vom Summer Breeze gelesen hat, dem mögen einige Aspekte bereits bekannt vorkommen. Unter anderem der riesige metallische Roboterkopf im Zentrum der Foto: Frank JägerBühne. Der war wohl einfach zu schade, um ihn wegzuwerfen und der darf jetzt einfach auf die nächste Tour auch noch mit - was ich auch gar nicht kritisieren will, denn klar sind riesige Roboterköpfe mit Lichtern cool. Auch die futuristischen kleinen, beleuchteten Podeste sind wieder da. Neu sind drei kreisförmige bewegliche Displays seitlich und in der Mitte der Bühne.

Auch hier beginnt der Auftritt mit einem Intro vom Band. Bei WITHIN TEMPTATION kommt das vom 2004er "The Silent Force"-Album, was ich übrigens sehr empfehlen kann. Dann kommt tatsächlich eine andere Setlist als auf dem Summer Breeze, die großen Titel bleiben aber natürlich identisch und es gibt nur ein paar Lieder, die ich auf dem Summer Breeze noch nicht gehört habe.

Foto: Frank JägerDie Show der einzelnen Musiker von WITHIN TEMPTATION ist etwas schlechter als die von EVANESCENCE vorher, aber auch hier sind die Standard-Show-Elemente dabei. Auf der Bühne umherwandern, Posen, etc. Ihr kennt das ja. Dafür gibt es für WITHIN TEMPTATION mehr technische Unterstützung. Erstens scheint es noch mehr Lichter für eine wirklich tolle Lightshow zu geben. Zweitens ist natürlich der Roboterkopf, der bei 'Supernova' auseinander fährt, zu erwähnen. Drittens gibt es Pyros. Viele Pyros. Letztens hat Sharon Janny den Adel extra für die "Worlds Collide"-Tour trotz ihrer Höhenangst wohl das Fliegen gelernt. Bei 'Angels' schwebt sie über dem Roboterkopf, während sich hinter ihr digitale Engelsflügel ausbreiten, das sieht wirklich grandios aus! Für 'All I Need' schwebt sie vor einem der drei runden Displays, was auch ein toller Effekt ist.

Foto: Frank JägerAuch WITHIN TEMPTATION gibt im Auftritt zwei Statements ab. 'Raise Your Banner' ist der Ukraine gewidmet. Hierfür leitet Sharon Janny den Adel kurz ein, indem sie betont, dass die Ukraine einen gerechtfertigten Verteidigungskrieg führt, den sie unterstützen und schwenkt dann während dem Anfang des Liedes eine große Ukraine-Flagge. Das zweite Statement ist der Song 'Don't Pray For Me', der auf eine merkwürdige "Wir-wollen-hiermit-keinen-triggern"-Ansage folgt. In dieser stellt sie klar, dass es ihr lediglich darum geht, dass Kinder genug Freiraum bekommen, um sich selbst für einen bestimmten Glauben oder gar völlig dagegen zu entscheiden.

Foto: Frank JägerDer WITHIN TEMPTATION-Auftritt ist insgesamt homogener als der von EVANESCENCE, hier wird Stimmung aufgebaut und gehalten, was mir persönlich besser gefällt. Es kommt Kracher auf Kracher aus der Diskographie und der Auftritt wird auf einem erstklassigen Niveau von der Band und Sharon Janny den Adels tollem Gesang getragen. Natürlich fehlen auch hier Taschenlampen-Lieder nicht. Sharon Janny den Adel entschuldigt sich gegen Ende des Auftritts kurz für "kleine Fehler hier und dort", die vom Premieren-Status des Auftritts in München herrühren, das wäre jedoch absolut nicht nötig gewesen, die Show in der Olympiahalle war ab dem Moment der Ticketlösung hervorragend organisiert und durchgetaktet. Sound und Lichter waren sehr gut, maximal bemängeln könnte man ein klein wenig Hall, gegen den man in einem Stadion wie der Olympiahalle aber wenig tun kann. Außerdem zu loben ist die Sicherheit der Olympiahalle. Frank Jäger hat mich begleitet, um Fotos zu machen, und war hiervon überaus begeistert.

Setliste: Intro (The Silent Force); See Who I Am; In The Middle Of The Night; Paradise (What About Us?); Angels; Entertain You; Raise Your Banner; And We Run; Don't Pray For Me; All I Need; The Reckoning; Supernova; Stairway To The Skies; Our Solemn Hour; Faster; Mother Earth

Für mich ist die "Worlds Collide"-Tour ein voller Erfolg. Wer sich für einen der beiden Headliner begeistern kann, sollte sie nicht missen! Am 23.11. sind sie wieder in Frankfurt, am 25.11. in Düsseldorf, am 3.12. in Leipzig, am 7.12. in Hamburg und am 8.12. in Berlin.

Redakteur:
Noah-Manuel Heim

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