Wacken Open Air 2013 - Wacken

20.08.2013 | 13:40

01.08.2013, Festivalgelände

Das Festival der Superlative geht in die 24. Runde!

Freitag 02.08.


Ist es wirklich gerade erst 11:00 Uhr? Das mag man bei der großen Menge von Menschen, die sich hier und jetzt das moderne Geballer von NEAERA geben wollen, kaum glauben. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann der Platz zu so früher Zeit (und bei derartiger Hitze) schon einmal so gut gefüllt war. Davon ist die Band selbst auch mehr als angetan, was sich natürlich unmittelbar in einer wunderbar aufgedrehten Performance wiederspiegelt. Der Sound lässt anfangs noch zu Wünschen übrig, pendelt sich dann mit der Zeit aber ein, so dass die ordentliche Knüppel-Beschallung die Lebensgeister wieder weckt. Fronter Benny ärgert sich über die große Distanz zwischen Bühne und Publikum, würde er doch am liebsten in eben jenes hineinspringen. Da dies allerdings olympiaverdächtig wäre, bleibt es beim Ausrasten auf der Bühne. Darüber hinaus sind alle weiteren Ansagen (primär auf Unverständnis darüber basierend, dass die Leute wirklich fünf so hässliche Fratzen sehen wollen) sympathisch unprofessionell. Man merkt der Band noch immer an, dass sie sich wie kleine Kinder über die Gelegenheit, ein buntes Set ihrer Songs abzufeuern, von ganzem Herzen freut. Der Funke springt daher auch absolut über, wenngleich das Publikum zwar mit-, jedoch noch nicht kollektiv steil geht – vermutlich dem Wetter geschuldet. Mir fällt es jedenfalls schwer, mich an einen besseren Tagesopener als NEAERA hier und heute zu erinnern.

[Oliver Paßgang]


Die Goth-Metal Band TRISTANIA hat es nicht ganz leicht. Am heißesten Tag des Festivals müssen sie um 12:15 Uhr raus auf die True Stage und zeigen, dass sie auch bei 40 Grad das Publikum begeistern können. Und überraschenderweise haben die Norweger damit keine Probleme. Trotz der sengenden Sonne haben sich viele vor der Bühne platziert und mit dem Intro - laute Orgelklänge unterlegt mit Vogelgezwitscher - erheben sich die allermeisten der Zuhörer vom staubigen Boden. Den Einstieg in die Setlist macht ein Duett vom aktuellen Album. Bei 'Number' zeigt Mariangela "Mary" Demurtas, dass sie nicht zu Unrecht nach "Rubicon" (2010) bereits das zweite Studioalbum mit der Band eingespielt hat. Kjetil Nordhus, Sänger und immerhin schon seit 2009 fester Bestandteil der Gruppe, bestreitet auch das nächste Duett. 'Beyond The Veil' ist für den heutigen Gig aber eine Ausnahme. Der Titelsong des zweiten Studioalbums kommt deutlich purer und härter daher, als spätere Produktionen. Der Stilwechsel, den die Band seit ihrer Gründung 1996 vollzogen hat, ist bei den beiden letzten Studioalben am deutlichsten zu hören. Vermutlich ein Grund, weshalb sieben der zehn Songs heute von den beiden letzten Alben stammen. 'The Wretched' ("Ashes", 2005) und 'The Shining Path' ("World of Glas", 2001) als vorletzter Song sind da erfrischende Ausnahmen zwischen den sehr epischen Klängen, die den Hauptteil der Show ausmachen. Dass die Jungs und die Dame zum vierten Mal in Wacken auftreten und damit ja schon fast alte Hasen auf dem Festival sind, streut Nordhus bei seinen Ansagen zwischendurch ein. Die sind kurz und knackig, schließlich haben sie nur eine Stunde Zeit und da soll Musik gemacht, nicht geredet werden. Vorbildlich.

[Vanessa Eick]



Mit einem verwaschenen Sound ist das so eine Sache: Der ein oder anderen Thrash-Band steht das richtig gut zu Gesicht, für einen progressiven Künstler ist es die Hölle auf Erden. Die Franzosen von GOJIRA stehen stilistisch irgendwo in der Mitte, wodurch das, was die Lauscher erreicht, im Prinzip nur den wirklichen Metaller zufriedenstellen kann. Das ist zumindest teilweise schade, da die Musik des Vierers wirklich viel zu bieten hat. So bleibt es aber bei einem ordentlichen Thrash-/Death-Brett (mit hin und wieder vernehmbaren technisch versierten Stellen), das einfach zum Kopfschütteln und Moshen einlädt. Darauf scheint die Band am heutigen Tage auch primär Bock zu haben: Gezaubert wird wann anders, Wacken ist eine Metalparty! Die Zuschauerreaktionen sind richtig gut, die Gruppe verlässt die Bühne (nach einer inszenierten Zugabe) unter großen Applaus. Eine gute Performance einer Band, wobei die (bei anderen Rahmenbedingungen) sicher zu noch mehr in der Lage ist. Und der ein oder andere, der GOJIRA vorher nicht kannte und hier nun für gut befunden hat, wird bei der weiteren Beschäftigung noch einiges entdecken können.

[Oliver Paßgang]

 

Um 13:30 Uhr ist es Zeit für EISBRECHER auf der Party Stage. Eine Abkühlung täte wohl jedem gut, aber den Gefallen tut uns die Band um Alexx Wesselsky nicht. Sofort mit dem ersten Song 'Exzess Express' vom aktuellen Album machen sie deutlich, dass es ganz sicher kein Hitzefrei gibt.  'Willkommen im Nichts' und der Titelsong zu ihrem zweiten Album "Antikörper" aus 2006 werden von einem neuen Song, 'Augen unter Null', eingerahmt. Mit dieser Mischung aus älteren und neuen Stücken fahren die Jungs auf der Bühne sehr gut. Das Publikum lässt sich trotz 40 Grad in der Sonne mit Songs wie 'Prototyp' und 'Heilig' zum mitfeiern animieren. Von meinem Schattenplätzchen aus kann ich die Bühne zwar nicht komplett einsehen, der Sound ist aber so sauber, dass sich ein Großteil der Stücke orginal wie auf Platte anhört. 'Prototyp', ein Titel vom letzten Album "Die Hölle muss warten", macht mit einigen wenigen Textumdichtungen da eine erfrischende Ausnahme. Auf der Bühne selbst passiert nicht viel, was ich verpassen könnte. Schlicht schwarz gekleidet, keine große Show; von Pyro oder Ähnlichem macht EISBRECHER keinen Gebrauch. Uhrzeit und Außentemperatur machen das aber verzeihlich. Stattdessen kommen von Alexx zwischendurch ein paar markige Sprüche, vor allem bezogen auf den kurzen Gastauftritt von Heino am Vorabend. Ganz so wie erwartet kommen auf die Frage "Wollt ihr lieber Heino hören" ein laute Buh-Rufe aus dem Publikum zurück und der Frontmann scheint zufrieden mit dieser Reaktion. Mit 'Verrückt' und 'Miststück', ein Cover aus alten MEGAHERZ-Tagen, verabschiedet sich die Band danach von ihrem Publikum und flüchtet sich vermutlich schnell in den klimatisierten Artist-Bereich hinter den Bühnen.

[Vanessa Eick]


Nach der (für das Festivalpublikum) etwas zu komplexen Mucke von GOJIRA geht es auf der True Metal Stage leichter verdaulich mit den Senkrechtstartern von POWERWOLF weiter. Das neue Album hat ja jüngst sogar die Charts erklommen, Kritiker und Fans sind voll des Lobes und jetzt spielt man auf der Hauptbühne in Wacken. Steile Karriere, woran liegt das wohl? Auf jeden Fall an der Live-Tauglichkeit der Combo, denn die Musik Powerwolfs wurde einfach für die Bühne gemacht. Egal ob 'Sanctified With Dynamite', 'We Drink Your Blood' oder die neue Nummer 'Amen And Attack': Jeder Song ist ein Mitsing-Hit. Das Publikum trotzt der extremen Hitze und belohnt die Wölfe für ihre schweißtreibende Show mit tosendem Applaus. Das neue Album "Preachers of the Night" kommt mit drei Nummern zum Zug und wenn es nach den mitsingenden Zuschauern geht, hat es die Platte längst in die höchsten Sphären des POWERWOLFschen Backkatalogs geschafft. Die vereinzelten Spielfehler und untighten Einsätze zeigen aber, dass wir es immer noch mit Menschen zu tun haben, die trotz der jüngsten Erfolge anscheinend noch Lampenfieber haben. Das macht glatt sympathisch, auch wenn die etwas aufgesetzten Ansagen von Attila Dorn (rollendes "rrrrr") nicht immer zünden. Nichtsdestotrotz: Für diesen Ort und diese Uhrzeit ist POWERWOLF die beste Besetzung. Ganz gleich, was man vom konsequenten Image der Truppe halten mag.

[Nils Macher]



Es ist vier Uhr nachmittags, auf der Bühne steht IHSAHN, einer der Großmeister des Black Metals – und keinen interessiert es. Nun gut, er steht dort nicht mit seiner legendären Band EMPEROR, jedoch ist es trotzdem verwunderlich, dass das Infield wie leergefegt ist. Mögliche Erklärungen: Die sengende Hitze, der verhältnismäßig geringe Bekanntheitsgrad seines Solo-Projekts sowie die stilistische Ausrichtung eben jenes. Zudem wirkt die Platzierung auf der großen Bühne um diese Uhrzeit alles andere als glücklich. So scharen sich nur ein gutes Dutzend hundert Fans vor der Black Stage, um IHSAHN und seiner im Schnitt sicher 10 Jahre jüngeren Mannschaft [bestehend aus LEPROUS-Mitgliedern, JE] zu lauschen. Der Keyboarder übernimmt hier fast den kompletten Klargesang, der absolut punktgenau sitzt, es bleibt aber zu jeder Sekunde klar, wer hier Dirigent des Geschehens ist. Und dass man es hier mit wunderbaren Klängen zu tun hat und der Meister sein Werk versteht, erklärt sich fast von selbst. Der Fokus liegt heute primär auf den neueren Alben, die mit Sicherheit alles andere als „easy listening“ sind. Die wahre Qualität der Musik sowie des Auftretens zeigt sich dann jedoch darin, dass ich trotz aller widrigen Umstände hin und wieder vollkommen abdrifte und mit der Musik reise. Es ist zwar nur ein Kurzurlaub, aber immerhin - die wenigen Anwesenden wissen dies gebührend zu schätzen. Trotz der einwandfreien Darbietung wird mir der W:O:A-Gig aus dem Jahre 2010 in vielfach besserer Erinnerung bleiben. Ein Zelt, die Dunkelheit und die damit verbundene Spielzeit ist eben doch eher das Ambiente für düstere, progressive Musik.

[Oliver Paßgang]

Während IHSAHN und seine Crew auf der Hauptbühne eine ziemlich einsam besuchte Extrem-Zeremonie feiern, tauchen knapp 80 Meter östlich ein paar Gestalten aus dem Nichts wieder auf, die man eigentlich längst in der ewigen Abgeschiedenheit vermutet hatte. Doch der in lässigen Pants und auffällig anstrengenden Tennissocken herumschlendernde Whitfield Crane und seine Kollegen bei UGLY KID JOE haben nach anderthalb Dekaden wieder Blut geleckt und nach ihrem Gig bei der polnischen Woodstock-Variante am Vortag auch den Weg in den beschaulichen Norden Deutschlands gefunden. Schade ist allerdings, dass die starke Setlist (mit genügend Stoff von "America's Least Wanted") mit klar eingesparter Leidenschaft dargeboten wird. Crane schwankt zwischen Begeisterung und Langweile, animiert das Publikum zwar zur ständigen Bewegung, wirkt hierbei aber nur selten überzeugend und auch tatsächlich ambitioniert. Selbst der Megahit 'Cats In The Cradle', der von der respektabel großen Menge mitgeträllert wird, geht in einer relativ lahmen Performance unter und verstimmt so manchen Zuschauer, da grundsätzlich viel mehr bei dieser Show drin gewesen wäre. Auch wenn Crane keine Gelegenheit auslässt, den Kontakt herzustellen - der Funke zu den Fans will an diesem Nachmittag nicht so ganz überspringen. Und dies liegt beileibe nicht daran, dass die potenzielle Zielgruppe von UGLY KID JOE nicht zwingend das Wacken Open Air besucht.

[Björn Backes]



Wie unterschiedlich ein prinzipiell vergleichbares Publikum doch auf ein und dieselbe Band reagiert: Vor sechs Wochen konnten die PRETTY MAIDS mit ihrem Danish Dynamite nur eine Handvoll beinharter Fans auf der Graspop-Mainstage mitreißen; in Wacken frisst ihnen die Menge hingegen aus der Hand und feiert die Nordeuropäer von der ersten bis zur letzten Sekunde ab. Störend ist anfangs einzig und alleine der matschige Sound, der Ronnie Atkins und seinen Kollegen den Einstieg grundlegend vermasselt: Viel zu laut, nichts Differenziertes und dazu auch noch ein paar technische Patzer - das wünscht man gerade solch alten Hasen nicht. Doch niemand lässt sich infolge dessen davon abhalten, die Fäuste zu recken und auch die vorwiegend neuen Songs im mittleren Abschnitt des Sets zu feiern. Und auch das schnelle 'Back To Back' wird nicht zuletzt dank der HAMMERFALL geschuldeten Bekanntheit mitgesungen. Dennoch ist es eine überflüssige Angewohnheit, bei einer Spielzeit von einer Stunde noch das Zugabe-Spielchen zu betreiben. Nach dem etatmäßigen Rausschmeißer 'Future World' ´schieben es die Dänen es dennoch ein, entlohnen das jubelnde Publikum aber auch mit einer ziemlich smarten Version von 'Red, Hot & Heavy'. Fazit: Trotz anfangs miesem Klangmatsch erneut eine Referenz-Darbietung.

[Björn Backes]


Nachdem bereits SICK OF IT ALL das Wacken beehrt hat, folgt nun die nächste NYHC-Legende: AGNOSTIC FRONT ist bereit, den anwesenden Metallern eine ordentliche Party zu bescheren. Und das gelingt ihnen deutlich besser als man hätte erwarten könnten: Sehr viele Leute sind erschienen, um mit Vinnie Stigma und Roger Miret zu feiern. An den Gesang von Letzterem muss man sich immer wieder gewöhnen, jedoch ist so eine Einmaligkeit in der Stimme schon faszinierend. Viele hören aber eh nur ihren eigenen Stimmbänder und grölen das Best-Of-Set der New Yorker einfach mit ('For My Family', 'Gotta Go'!), andere packen das erste Mal die Tanzschuhe aus, wieder andere lassen die Haare (oder Glatze) fliegen und zelebrieren diese Musik auf Metallisch. Und dann gibt es da noch die interessierten Metalheads, die sich einfach mal anhören, was da überhaupt gespielt wird und die Band nachher ebenfalls entsprechend honorieren. ANGOSTIC FRONT lässt hier nichts anbrennen und spielt all seine Stärken aus. Nur das zehn Minuten verfrühte Ende finde ich persönlich etwas schade. Fraglos ist so eine Truppe auf anderen Festivals wie dem With Full Force noch besser aufgehoben, jedoch hat dieser Gig gezeigt, dass Hardcore auch auf dem Wacken funktioniert. Roger Miret sprach selbst davon, dass er schon immer auf diesem Festival spielen wollte. Insofern: Daumen steil nach oben!

[Oliver Paßgang]


Zu Final Countdown von EUROPE wartet das Publikum bei noch guten 35 Grad gespannt darauf, das SABATON endlich die True Metal Stage betritt. Beim Intro 'The March To War' werden sie händeklatschend empfangen und hauen mit 'Ghost Divison' auch sofort voll rein - wie es von SABATON auch nicht anders zu erwarten ist. Danach begrüßt Joakim Brodén die Menge, fordert zum feiern auf und bedankt sich mehrmals für das zahlreiche Erscheinen der Fans, die auf dem Platz vor beiden Bühnen in der Sonne brutzeln, denn es übertrifft wohl auch jegliche Erwartungen der Band. Mit 'Gott mit uns' geht es dann weiter. Wie sollte es auch anders sein, war das nächste Gesprächsthema, dass in Deutschland bei SABATON-Auftritten übliche „Noch ein Bier!!!“, denn auch die Wackenbesucher aus dem Ausland mussten ja über dieses Phänomen in Kenntniss gesetzt und aufgeklärt werden: Die Fans aus Deutschland rufen nicht „Sa-ba-ton“, sondern „Noch-ein-Bier“ und dann wird getrunken. Natürlich lassen die „Noch ein Bier!“- Rufe jetzt nicht mehr auf sich warten und begleiten den ganzen Auftritt. Dennoch wird dem Bier nicht immer nachgegangen, denn Fronter Joakim Brodén erklärt nach dem folgenden 'Carolus Rex', wenn er sich nun schon auf der Bühne betrinke, würde er nicht mehr sonderlich gut und nackt weitersingen. Bei 'Into The Fire' entdeckt Brodén einen Fan mit einer exakt gleichen Weste wie er sie bei den SABATON-Auftritten trägt und verspricht ihm einen Westen-Tausch, den sie nachdem der Fan es nach vorne über die Absperrung geschafft hat, auch durchführen. Selbst als Sänger trifft man ja nun nicht alle Tage einen Fan mit einer solchen Weste. Nach 'Cliffs Of Gallipoli' und 'Midway' folgt nun die Frage nach den heimatländischen Fans aus Schweden, denn diese sollten nun den nachfolgenden, auf schwedisch gesungenen Song, 'The Carolean's Prayer' für alle anderen übersetzen. Wie ich finde gibt die schwedische Sprache dem Song einen anderen, besonderen Klang, als die auf Englisch gesungenen Songs haben. Das SABATON einige Songs sowohl auf Englisch, als auch in ihrer Muttersprache veröffentlicht haben, empfinde ich als Spagat zwischen massentauglicher Musik und persönlicher Note. Es folgte 'Swedish Pagans' und 'Sun Tzu Says' - ein Sample von einem Zitat aus einem kriegsstrategischen Buch vom chinesischen General, Militärstratege und Philosoph Sūnzǐ, als Einleitung zu dem gleichnamigen Song 'The Art Of War', wo sowohl die Band als auch das Publikum nochmal alles geben. Mit 'Primo Victoria' geht es weiter und endet mit einem Song zu Ehren der Bands, die SABATON in ihrer Musik inspirieren und die in diesem Song namentlich erwähnt werden - 'Metal Crüe'. Im Großen und Ganzen mal wieder ein sehr gelungenes Konzert von SABATON, bei dem sowohl die Fans als auch die Band gemeinsam so richtig abfeiern und man SABATON die Freude richtig anmerken kann! Abschließend noch eine kleine Zusatzinformation: Da die Fans wohl nicht genug von SABATON bekommen können, stehen sie bis zu sechs Stunden am 'Meet&Greet'-Stand und werden damit belohnt, das Joakim Brodén, Pär Sundström, Chris Rörland, Thobbe Englund und Robban Bäck nicht nur von 21-23 Uhr Autogramme verteilen, sondern sich bis 03:00 Uhr die Finger wundschreiben, damit keiner ihrer treuen Fans mit leeren Händen nach Hause fahren muss. Auch hierbei darf „Noch ein Bier“ nicht fehlen und es wird jede Menge angestoßen und zugeprostet. Während der verlängerten Autogrammstunde verschwindet Joakim Brodén kurz zu einem Gastauftritt bei DORO und kehrt danach sofort zu seinen Fans zurück. Was soll man dazu noch sagen außer, dass SABATON eine sehr sympathische und publikumsnahe Band ist!

[Jeanne Todt]


Lemmy sagte einst in einem Interview, dass Tragik die einzige Konstante der menschlichen Existenz sei. Der heutige Auftritt wird diese These zumindest teilweise untermauern: Trotz Krankheit, Operation, der damit verbundenen langwierigen (und andauernden) Genesung und der Absage von sämtlichen Sommer-Terminen entschließt sich MOTÖRHEAD dazu, den Gig auf dem Wacken nichtsdestotrotz zu spielen. Ein starkes Zeichen, weshalb die omnipräsente Band hier wirklich mit großer Spannung erwartet wird. Und zu Beginn ist auch alles wie immer: Gegrummelte Ansagen, die nur jeder Dritte wirklich versteht, eine ordentliche Portion Dreck in allen Kanälen und die Routiniers startet ihren Siegeszug. Als nach 'Over The Top' jedoch bereits an sechster Stelle ein (starkes!) Gitarrensolo folgt, machen sich auf den Gesichtern einiger Fans schon die ersten Sorgenfalten breit. Nach 'The Chase Is Better Than The Catch' verlässt die Band dann geschlossen und wortlos die Bühne. Viele ahnen bereits, was Sache ist, und wenige Minuten später gibt der Veranstalter bekannt: Lemmy geht es nicht gut, Feierabend. Was folgt, ist dann wirklich großes Kino: Applaus und Sprechchöre für Lemmy und MOTÖRHEAD. Die Metalszene weiß, was sie an der Band und auch an einer solchen Persönlichkeit hat, und würdigt dies entsprechend. Es war vermutlich nicht die klügste Idee, heute die Bühne zu betreten, aber das Zeichen ist ein solch starkes, dass es den Fans lange in Erinnerung bleiben wird. Get well soon, Lemmy.

[Oliver Paßgang]


Es gibt wohl kaum eine Künstlerin, über deren Wacken- Auftritte so häufig geschrieben wird. Kein Wunder, denn DORO Pesch ist eine sichere Bank, wenn es um die Running Order des jährlichen Festivals geht. Da liegt es nahe, dass auch das 30jährige Bühnenjubiläum in diesem würdigen Rahmen "über die Bühne geht". Ihr Auftritt am Freitagabend beginnt entsprechend pathetisch. Ein Einspieler mit Bildern ihres Werdeganges unterlegt mit emotionaler Musik - die Queen of Metal perfekt inszeniert- Das Motto des Abends "30 Years strong and proud" dürfte jetzt bei jedem Zuschauer angekommen sein.  'Burning The Witches', aus der früheren WARLOCK-Zeit macht den Anfang an diesem Abend. Mit Flammen im Hintergrund fegt Doro in ihrem wie immer körperbetonten glitzer- und fransenlastigen Outfit von einer Bühnenseite zur anderen und gibt sich größte Mühe das Publikum mitzureißen. Wer so wie ich weit hinten steht, lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen; die Meute vor der Bühne tut der Düssedorferin aber weitestgehend den Gefallen und lässt sich ausreichend animieren. Bevor es mit 'Rock Till Death' weitergehen kann, sagt Doro das, was alle hören wollen: "Lemmy is fine". Der Frontmann von MOTÖRHEAD, die unmittelbar vor DORO an diesem Freitagabend auf der Bühne standen, musste seinen Auftritt vorzeitig beenden. Nachdem die Zuhörerschaft damit also beruhigt ist, kann auch Chris Boltendahl (GRAVE DIGGER) sein Stelldichein auf der Bühne geben. 'East Meets West', der nächste Titel, ist nur die Vorbereitung auf die große Hymne 'We are the Metalheads'. Ein Gitarrensolo vorweg sorgt vermeintlich für mehr Spannung. Wer jetzt im Publikum noch nicht mitsingen kann, hat sich definitiv vor die falsche Bühne gestellt. Damit die Stimmung auch erstmal in diesen Sphären bleibt, stimmt DORO im Anschluss 'Raise Your Fist In The Air' an. Johnny Dee gibt bei dem sehr, sehr ausführlichen Schlagzeugsolo alles. Ob solche künstlichen Verlängerungen bei allen Zuschauern so gut ankommen, darüber kann ich nur mutmaßen. Doch beim nächsten Lied kommt die Stimmung wieder nur sehr schleppend in Fahrt. Für 'Denim and Leather' gibt sich Biff Byford (SAXON) selbst die Ehre und sollte ein Garant für ordentliches Headbanging sein. Leider ist im Publikum von Action nicht viel zu sehen. Da es eh schon so gesittet zugeht, passen die nächsten zehn Minuten gut in das Konzept. Zusammen mit Uli Jon Roth stimmt DORO ihre deutsche Single 'Für Immer' an, ein Song für ihren langjährigen Freund und Kollegen Ronnie James DIO. Es wird sentimental und DORO zelebriert das Andenken an den verstorbenen Künstler ausgiebig und mit viel Herzblut. Dass das Lied und der Auftritt mich mehr an einen netten Schlager-Abend als an Wacken erinnnern, ist vielleicht meiner fehlenden Nähe zu DIO geschuldet. Als nächstes geben sich Eric Fish, "Frau Schmitt" Silke Volland (SUBWAY TO SALLY) und Phil Campbell (MOTÖRHEAD) die Klinke in die Hand. 'Breaking The Law' schafft es dann tatsächlich noch einmal, die Metaller aufzuwecken und das Finale mit 'All We Are' vorzubereiten, bei dem alle zusammen auf und vor der Bühne nocheinmal ihr Bestes geben. Alles in allem liefert DORO wie immer einen soliden Auftritt ab. Nach 30 Jahren auf der Bühne ist das aber für niemanden eine Überraschung. Wer sich von ihrem Auftritt aber eine fulminante Show versprochen hat, der musste merken, dass auch diverse Größen aus dem Metal-Business nicht zwangsläufig die Mengen zum Kochen bringen können.

[Vanessa Eick]

 

ASP auf der Black Stage und AMORPHIS auf der Party Stage? Nun gut. Den Gothic-/Dark Metal von ASP fand ich schon immer etwas ambivalent. Gute Ideen und schöne Melodien für eine laue Sommernacht wie heute sind vorhanden, aber richtig packend ist das Ganze irgendwie nicht. Und gerade wo einen Tag zuvor RAMMSTEIN gespielt hat, ist die Musik etwas aussagelos. Der Zulauf spricht jedoch eindeutig für ASP, auch geben sie sich viel Mühe und inszenieren eine gute Show und werden zu Songs wie 'Satan' (melodisch erstaunlich nah an 'Haifisch' von RAMMSTEIN) und dem Hit 'Ich will brennen' ordentlich abgefeiert.

[Jakob Ehmke]

Anspruchsvoller und tiefgründiger geht es bei AMORPHIS zu. Die Finnen haben sich was Besonderes ausgedacht und spielen die erste Showhälfte ein schönes Akustik-Set. Der Dread-Head Tomi Joutsen ist bei bester Stimme, Unterstützung bekommt er von einem Saxophon und einer Hintergrundsängerin. So toll die Idee mit dem Akustikset ist, für das WOA finde ich es etwas zu sanft und unpersönlich. Sowas gehört in eine gemütliche Atmosphäre, in einen kleinen Club. Auf einem 75.000-Metal-Festival, zudem mit den dröhnenden ASP im Hintergrund, empfinde ich es leider als fehl am Platz. Aber: Nun erscheint das Album-Cover von "Circle" auf der Leinwand und damit kehrt der Metal zurück. Viele im Publikum scheinen dankbar darüber zu sein, dass AMORPHIS nicht gänzlich den Metal abschreiben. 'Nightbird's Song', 'Silver Bride', 'Hopeless Days', das tolle 'House Of Sleep', zu dem alle mitsingen können, lassen den Auftritt doch noch rund werden.

[Jakob Ehmke]


Knapp zwei Stunden zuvor konnte Chris Boltendahl noch an vorderster Front begutachten, mit welcher Begeisterung in Wacken ein ambitioniertes Konzert zur besten Abendzeit aufgenommen wird. Und Ähnliches haben der Frontmann und seine Jungs bei GRAVE DIGGER in den vergangenen Jahren ja auch schon des öfteren erleben dürfen. Heute jedoch muss das Quartett die Fans in die Nacht entlassen, was sich mit wachsender Spieldauer als enorm nachteilig erweist. Denn obwohl Boltendahl den Kern der Menge klar im Griff hat und sich ein weiteres Mal auf den Support der Sänger von VAN CANTO verlassen darf, wird die Situation im Zuschauerraum immer überschaubarer. Dass ist insofern schade, dass die Band eine ihrer bis dato stärksten Festival-Performances abliefert, der Ripper himself immer wieder für einen lockeren Spruch zu haben ist (O-Ton: "Da singt meine Oma ja noch lauter") und die Songauswahl auch nicht gänzlich vorhersehbar ist. Bedauerlich ist ebenso, dass der Chor für den "Tunes Of War"-Klassiker 'Rebellion (The Clans Are Marching)' nicht mehr die gewohnte Lautstärke aufbringt und ein wirklich perfektes 'Heavy Metal Breakdown' mit feinem Solo von Axel Ritt lediglich von einem Drittel der potenziellen Interessenten wahrgenommen wird. Die Band muss sich sicher nichts vorwerfen, ihr Auftritt hat keine einzige Spur von Routine oder Abnutzung - aber die späte Spielzeit fordert ihren Tribut, der nun einmal leider auf ihre Kosten geht.

[Björn Backes]



Und im Zelt?


Die Sonne brennt unerbittlich, zum Glück gibt es auch zwei Bühnen im riesigen Zelt. Das deutsche Dark-Metal-Kommando NACHTBLUT spielt heute in voller Hütte und bei den ersten Songs ('Ich trinke Blut', 'Kreuzigung') wird auch schnell klar, dass hier viele Fans vor der Bühne stehen. Regelrecht abgefeiert wird der Osnabrücker Fünfer bei seinem 45-minütigen Set, vor allem aber bei der Bandhymne 'Antik'. Was das ganze mit Black Metal, wie vom Ansager suggeriert wird, zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Die Partystimmung mit morbidem Anstrich ist aber ein schöner Start in den Freitag, live ist die Truppe ein richtiger Abräumer.

[Nils Macher]


Nach der schweißtreibenden Show NACHTBLUTs gibt es dann aber tatsächlich Black Metal auf die Ohren, und zwar auf der anderen Zeltbühne vor ebenfalls vollem Haus. Zu Beginn gleich ein kleiner Schock: Sänger Kristoffer Olivius berichtet, dass es das Equipment nicht nicht über die Grenze geschafft hat, die Kollegen von TRISTANIA haben wohl ausgeholfen. An der Spielfreude des Trios ändert das aber nichts. Der schwedische Black Metal NAGLFARs knallt ordentlich vor den Latz, Verschnaufpausen gibt es in der nächsten Stunde keine. Die Setlist konzentriert sich vornehmlich auf die letzten Alben ("Pariah", "Harvest" und "Téras") und zeigt, dass man auf Festivals nicht immer die ganz alten Kamellen auspacken muss. Und eigentlich gehört die Band zu späterer Stunde auf die Party Stage, aber man will ja nicht meckern.

[Nils Macher]

Genau! Auf ins Zelt, genauer gesagt zur W.E.T.-Stage, wo es zum Glück nicht ganz derartig kocht, wie das Wetter vermuten lässt. HEAVENS BASEMENT macht mächtig Alarm, immer mehr bleiben stehen, um sich den energiegeladenen Rock der Briten anzugucken. Sänger Aaron Buchanan dankt, dass so viele Leute gekommen sind, obwohl sie erst wenig in Deutschland getourt haben. 'Heartbreaking Son Of A Bitch' und vor allem das elektrisierende 'I am Electric' vom letzten Output "Filthy Empire" drücken auf jeden Fall ordentlich.

[Jakob Ehmke]

Der Andrang vor LEGION OF THE DAMNED ist riesig. Kein Wunder, sind die holländischen Thrasher doch mit ihren letzten Alben stets auf großes Feedback gestoßen. Die Party Stage hätte ihnen sicherlich auch gut gestanden, aber gut, bleiben wir im Zelt, diesmal bei der Headbanger Stage. Der Sound ist die ersten Songs leider unerträglich laut und verzerrt, das stört die meisten aber nicht und schrauben sich dermaßen die Rübe ab, als ob eine neue nachwachsen würde. 'Son Of The Jackal' prügelt alles aus den überhitzten Körpern raus, mit 'Summon All Hate' wird vom bevorstehendem Album (Anfang 2014) ein neuer Song präsentiert. 'Legion Of The Damned' kennen fast alle und recken die Fäuste oder schreien mit Maurice um die Wette.

[Jakob Ehmke]

Das ich nun noch im Zelt bin und auf der W.E.T.-Stage nun WHITECHAPEL spielt, stellte sich als absoluter Glücksfall heraus. Die Death Metal-/Deathcore-Walze aus Tennesse zeigt definitiv Wirkung. Die Shouts von Phil Bozeman sind beängstigend präsent, Drummer Ben Harclerode zerhackt in feinster Manier sein Set und lässt die schnellsten Blasts kinderleicht aussehen. Songs wie 'I Dementia' und 'Breeding Violence' sprechen eine eindeutige Sprache.

[Jakob Ehmke]

Kontrastprogramm gibt es nun mit superben Prog von LEPROUS. Die Menge hat sich etwas gelichtet, doch wer vorbeigeht, bleibt auch hier stehen und genießt auf seine Art die Musik der Norweger. 'Foe' vom neuen Album "Coal" macht den Anfang und verzaubert das Zelt sofort mit seiner Magie und vor allem Einar Solbergs fantastischer Stimme. Die geht nämlich tief unter die Haut. Weiter geht es mit dem vertrackten 'Forced Entry', 'Restless' und 'Thorn' von "Bilateral". LEPROUS steigert sich wirklich mit jedem Song, auch das harte 'Waste Of Air' steht ihnen ausgezeichnet. Das war große Kunst, doch nun aus dem Zelt, denn mittlerweile ist es dunkel und damit erträglich geworden.

[Jakob Ehmke]

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Redakteur:
Nils Macher
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