Wacken Open Air 2013 - Wacken
20.08.2013 | 13:4001.08.2013, Festivalgelände
Das Festival der Superlative geht in die 24. Runde!
Ein Dorf in Norddeutschland, über 80.000 Metalfans und weit mehr als 100 Bands. Das WACKEN OPEN AIR ist eine Veranstaltung der Superlative und aus den Festivalkalendern nicht mehr wegzudenken. Für uns stellt sich die Frage, ob man dieses Festival wirklich braucht nicht, denn Wacken ist, was man draus macht. Wir von Powermetal.de lassen uns den Spaß natürlich auch 2013 nicht entgehen und reisen in den Norden, um die unterschiedlichsten Bands auf sechs Bühnen abzufeiern. Bei dieser Auswahl ist für jede Sparte etwas dabei, wenngleich auch Extreme Metal nicht die Spezialität ist. Doch Headliner wie DEEP PURPLE, RAMMSTEIN, MOTÖRHEAD, NIGHTWISH oder ALICE COOPER stehen meist für tolle Auftritt und gute Stimmung. Auch Metaller mit anderen Vorlieben finden mit CANDLEMASS, NAGLFAR, KRYPTOS und den zahlreichen Bands des "Metal Battle" jede Menge Unterhaltung, es müssen nicht immer die größten Bühnen sein. Nach dem Schlammchaos des letzten Jahres sind die Vorzeichen für ein entspanntes Festivals bestens und die anwesenden Redaktionsmitglieder sind voller Vorfreude auf drei Tage "Faster, Harder, Louder!". Es tummeln sich für euch in den Menschenmengen: Björn Backes, Jakob Ehmke, Nils Macher, Oliver Paßgang und Vanessa Eick. Im Foto-Pit schwitzt mit Equipment beladen Wolfgang Kühnle, Toni B. Gunner hilft uns ebenfalls mit ein paar scharfen Bildern aus.
Donnerstag, 01.08.
Das Festival wird traditionell von SKYLINE eröffnet, bei denen auch Wacken-Chef Thomas Jensen zum Eröffnungsauftritt den Bass zupft. Sonnenstrahlen, blauer Himmel und Metalheads soweit das Auge reicht: Der heilige Acker macht sich bereit für das größte Metal-Festival der Welt. Mit einer wie üblich aus Coverhits bestehenden Setlist wird die P.A. zum ersten Mal einem Härtetest unterzogen, den Anfang machen u.a. 'Strong Arm Of the Law' (SAXON) und 'Still Of the Night' (WHITESNAKE). Da bei diesem Wetter auch die Kehlen nicht lange trocken bleiben wollen, herrscht von Anfang an beste Stimmung, die hier schon besser ist als auf manchem Festival beim Headliner. Nummern wie 'Paranoid' (BLACK SABBATH), 'T.N.T' (AC/DC) oder 'Paradise City' (GUNS 'N' ROSES) kann eh jeder der Anwesenden mitsingen, das Aufwärmprogramm ist gut überstanden. Übrigens: In den letzten Jahren gab es von SKYLINE immer ein paar Songs der Headliner für das jeweils darauffolgende Jahr zu hören. Ob hier jemand etwas dagegen hätte, LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH oder gar AC/DC in Wacken zu sehen?
Direkt weiter geht es auf der Black Stage mit den Thrash-Recken von ANNIHILATOR. Die Amis starten gleich selbstbewusst mit einem Song des kommenden Albums "Feast". 'Smear Campaign' wird vom Publikum jedenfalls genau so euphorisch bejubelt wie die Bandklassiker 'Alison Hell' oder 'Set the World on Fire'. Na wenn das nicht mal ein toller Einstand ist, mühelos animieren Mastermind Jeff Waters und Sänger/Gitarrist Dave Padden die Fans, die sich nicht lange bitten lassen und den ersten Aufschlag des Festivals würdig beklatschen. Genau so amtlich wie die Performance der Band ist übrigens auch der Sound, auszusetzen gibt es an diesem Gig rein gar nichts. Man mag sich zwar fragen, ob eine Band wie ANNIHILATOR nicht lieber am Abend spielen sollte, aber letztendlich muss ja auch tagsüber richtig eingeheizt werden. Aufgeheizt sind die paar Zehntausend vor der Bühne bei kühlen 35° Celsius, für 60 Minuten Vollgas reicht es nur bei den Musikern auf der Bühne. Aber die haben ja heute auch keine drei Bands mehr vor der Brust. Von den technischen Problemen, über die die Band in einem Interview sprechen soll, ist während des Auftritts übrigens rein gar nichts zu hören. Vollblut-Profis eben. Die Thrash-Institution ist live eine Macht und hat auf den Brettern mächtig Spaß. So gehört sich das, wenn man in Wacken spielt!
"Aha... Irgendsoeine Altherrenband..." ist mein erster Gedanke, als ich THUNDER ihren ersten Song anspielen höre. Mir ist die Gruppe nicht bekannt und ich frage mich, ob die Wahl unmittelbar vor DEEP PURPLE wirklich glücklich ist. Nein, vielmehr ob so eine Band auf diesem Festival, auf dieser großen Bühne überhaupt richtig platziert ist. Antwort: Ja, absolut. Alte Herren sind sie, Staub trägt ihre Musik jedoch überhaupt nicht. AOR-Fans springen im Dreieck, Hard Rocker nicken ganz gepflegt mit dem Kopf und "Jungspunde" horchen interessiert, wie unterhaltsam diese fast schon simpel anmutende Form der harten Musik sein kann. Die Hymnen gehen allesamt sofort ins Ohr, sind unglaublich kurzweilig arrangiert und passen perfekt zu der gemütlichen Atmosphäre, die das Wacken bei endlich sinkender Sonne einhüllt. Zudem hat THUNDER richtig Spaß in den Backen und kann die musikhungrige Meute mit ordentlich Biss immer wieder zu Singspielen animieren. Das ist bei Songs wie 'I Love You More Than Rock 'n' Roll' allerdings auch kein Hexenwerk: Es geht ins Ohr, ins Bein, ins Herz. Und nicht wieder hinaus. Ein Auftritt, den man zur Definition des Wortes "kurzweilig" heften könnte. Stark.
Der erste "richtig große" Act ist in diesem Jahr DEEP PURPLE. Auch Hard Rock hat seinen Platz in Wacken, und wen kann man da besser buchen als die populärste und mitunter größte Band der alten Riege? Mit 'Highway Star' startet das erhabene Quintett in den Abend, doch die Begeisterungsstürme fallen verhältnismäßig schwach aus. Soundtechnisch ist hier alles in Ordnung, doch der Enthusiasmus der alten Herren war auch schonmal größer. Dabei gibt es wohl nur wenige Bands, die einen so Hit-geschwängerten Backkatalog haben wie DEEP PURPLE. Die Highlights in Form von 'Hard Lovin' Man', 'Into The Fire', 'Space Truckin' oder 'No One Came' werden auch alle ausgepackt, an einer schwachen Setlist liegt es heute also nicht. Zum Glück hat man den superben Steve Morse, der mit seinen Flitzefingern die Show etwas auflockert und zumindest etwas darüber hinwegtäuscht, dass Ian Gillan und Co langsam aber sicher ihren Bühnenabschied vorbereiten sollten. So sehr auch ich die Musik DEEP PURPLEs schätze, aber wir sind hier auf einem Metal-Festival. Der Auftritt des Fünfers hat hingegen mehr den Charme einer ZDF-Fernsehgarten-Sendung. Natürlich ist es toll, auch Material des jüngsten Albums "Now What?!" ('Above and Beyond', 'Hell to Pay', 'Vincent Price') zu hören, eine Entschädigung ist es für mich aber nicht. Auch die sich in Richtung True Metal Stage bewegenden Menschen verfestigen den Eindruck, dass die meisten sich schon einmal für RAMMSTEIN in Position bringen und DEEP PURPLE im Vorbeigehen mitnehmen. Übel nehmen kann man das angesichts der hemdsärmeligen Performance leider nicht. Mit Uli Jon Roths Gastsolo zu 'Smoke On The Water' schafft es die Band immer noch einmal, das Publikum zu reanimieren und zum Mitklatschen zu bewegen.
Eine halbe Stunde nach den verklungenen Akkorden DEEP PURPLEs sind über 80.000 Augenpaare auf die True Metal Stage gerichtet, die traditionell vom Donnerstags-Headliner eingeweiht wird. Dieses Jahr ist es vermutlich die aufwendigste Bühnenproduktion, die das Festival jemals gesehen hat. Schließlich hat man sich mit der Verpflichtung RAMMSTEINs von Seiten der Veranstalter einen großen Wunsch erfüllt, den an diesem Abend überdurchschnittlich viele Festival-Besucher teilen. Und zwar so viele, dass das Gelände vor den Bühnen kurzerhand dicht gemacht wird und etliche zahlende Gäste den Auftritt vom entfernten "Wackinger"-Gelände aus verfolgen müssen. Das merkt allerdings in den vorderen Reihen niemand, denn die Blicke sind ganz auf das Geschehen auf der Bühne gerichtet. RAMMSTEIN ist mehr als Musik, diesem Ruf wird die Band mehr als nur gerecht. Bereits während des Openers 'Ich Tu Dir Weh' werden Pyros gezündet, Lichtelemente auf- und abgefahren als gäbe es kein Morgen. Sänger Till Lindemann lässt sich auf einer Plattform vom Bühnendach auf die Bretter abseilen, man weiß, wie man sich inszenieren muss.
Während der folgenden, über 100-minütigen Show untermauert es vor allem der Frontmann selbst immer wieder, indem er wahlweise Keyboarder "Flake" Lorenz mit diversen überdimensionierten Flammenwerfern anzündet oder Raketen und Feuer über die Köpfe des Publikums hinweg in den Wackener Abendhimmel schießt. Wie kundige Fans berichten, gibt es heute die Produktion zu sehen, mit der man RAMMSTEIN auch auf ihrer Hallentour sehen kann. Kein Wunder, dass die Band perfekt eingespielt ist und jedes der (gefährlichen) Show-Elemente blind sitzt. Mitsamt einer superben Best-Of-Setlist ist RAMMSTEIN wohl der dankbarsten Headliner für dieses Festival. Die Publikumsreaktionen sprechen, wenn auch heiser, eine deutliche Sprache.
(Schade bloß, dass unser Fotograf bei RAMMSTEIN trotz Pit-Pass keine Aufnahmen machen durfte. Die represiven Regularien, die einige große Bands wie RAMMSTEIN in Form von Knebelverträgen durchsetzen wollen, unterstützen wir nicht. Unser Bild bleibt schwarz. - NM)
Und auf den Nebenbühnen?
Dass das Wacken Open Air inzwischen ein recht großer Zirkus geworden ist, bestätigt sich spätestens (oder in diesem Fall schon recht früh) mit dem Auftritt von ESKIMO CALLBOY: Metalcore meets Kirmeszelt, Ballermann meets Heavy-Metal-Sauna - und dennoch ist die linke Zelthälfte pünktlich zum Gig der Truppe aus Castrop-Rauxel richtig gut gefüllt und bedient sich fleißig an den Noten der Ruhrpott-Eigenbrödler. Die musikalische Extravaganz wird jedoch nicht noch mit visuellen Abstraktionen überlagert, soll heißen was auf Platte strange klingt, bleibt livehaftig doch relativ basisch. Lediglich ein ziemlich witziger Heiratsantrag zur Mitte des Gigs bleibt als Exot stehen. Ansonsten bietet die oftmals als polarisierend bezeichnete Kapelle eine mehr als solide Show und entlässt das Publikum am inoffiziellen Debüttag mit angenehmer, meist richtig guter Laune - selbst den Old-School-Kuttenträger, der vor zehn Jahren sicherlich noch nichts mit diesen Sounds hätte anfangen können. Wacken ist also auch hier im stetiger Wandel...
Obschon ihre Platten eher durchschnittlich abschneiden und der technische Stoff von SOULLESS definitiv nicht jedermanns Hackfleisch-Gourmethappen ist, hat man den Jungs aus Ohio einen recht attraktiven Prime-Time-Slot auf der W.E.T. Stage zugestanden. Tatsächlich haben sich auch genügend Todesblei-Liebhaber zur mittleren Abendstunde versammelt, um ihre Matten rotieren zu lassen. Leider ist das Stageacting der Herrschaften aus Cleveland jedoch arg dürftig und bringt lediglich die ersten Reihen in Bewegung. Nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde können die Amis ihren Fans zwar halbwegs zufrieden den Rücken kehren; eine spektakuläre Death-Metal-Show ist aber doch etwas anderes als das soeben Gebotene.
- Redakteur:
- Nils Macher