Wacken Open Air 2013 - Wacken
20.08.2013 | 13:4001.08.2013, Festivalgelände
Das Festival der Superlative geht in die 24. Runde!
Samstag 03.08.
Der deutschsprachige Metalcore von CALLEJON lockt zur frühen Mittagsstunde viel Publikum vor die True Metal Stage. 'Blitzkreuz' eröffnet das Set, zu dem Cover von 'Schwule Mädchen' erheben viele ihre Stimme und singen lauthals mit. Auf 'Lass mich gehen' folgt ein eher unnötiges Schlagzeugsolo. Sänger Bastian erzählt von ihrer Einkategorisierung unter "Zombiecore", weshalb vor 'Zombified' alle wie Zombies grunzen dürfen. Weiter geht es mit dem flotten 'Sommer. Liebe. Kokain' und dem etwas lahmen 'Kind im Nebel'. "Gegen Faschismus!" wird dann das DIE ÄRZTE-Cover von 'Schrei nach Liebe' zum Besten gegeben. Und nicht nur die Leute unmittelbar vor die Bühne, nein, das ganze Infield singt lauthals "Arschloch!" mit.
Ich bin im Vorfeld sehr gespannt auf den Auftritt von FEAR FACTORY. So sehr ich Dino, Burton und Co schätze, waren die letzten Shows leider ein gesangliches Armutszeugnis. Trotzdem ist es unverschämt die Pioneere des modernen Metals quasi im Vorprogramm um 13 Uhr spielen zu lassen. FEAR FACTORY geht gleich in die Vollen und legt mit 'Demanufacture' los. Der Sound ist erwartungsgemäß grausam, die Bass Drum viel zu matschig, die Gitarre zu dünn. Das Soundbild verändert sich aber mit 'Self Bias Resistor' zum Glück positiv, aber Burton steht wie angekettet an einer Stelle. Auch das Publikum weiß noch nicht wirklich wie es reagieren soll. Nun kommen aber 'Shock' und das mächtige 'Edgecrusher' und spätestens jetzt gibt es kein Halten mehr, die ersten Circle Pits wirbeln ordentlich Staub auf. 'The Industrialist' vom neuen Album kommt richtig fett, auch 'Powershifter' macht Laune. Der Klargesang ist allerdings nur gerade noch erträglich. 'What Will Become?' ist dann eine echte Live-Überraschung. In 'Archetype' gibt sich Burton viel Mühe den Klargesang zu meistern, das gelingt aber leider nur bedingt. Es ist aber bemerkbar, dass die FEAR FACTORY ihr Set auf shout-lastigere Songs umgestellt hat. Gut so. Eine weitere Überraschung ist 'Cyberwaste', mit 'Replica' gibt es dann den Industrial-Metal-Klassiker überhaupt auf die Ohren, 'Martyr' beendet den insgesamt doch sehr gelungenen Auftritt.
Der Platz vor der Party-Stage ist trotz nach wie vor früher Uhrzeit gut gefüllt: Party-Metal auf Piratisch steht auf dem Plan. Selbst wenn man sich solche Combos zuhause nur ungern anhören mag, funktioniert diese Art von Musik live doch meistens ziemlich gut. Das denken sich auch die zahlreichen Anwesenden und empfangen die Jungs von ALESTORM (nach einem Intro im Nintendo-Stil) sehr warm und herzlich. Die schottischen Freibeuter hauen eine Schunkelhymne nach der anderen heraus (heute super: 'Wolves Of The Sea' und 'Shipwrecked') und sorgen für ein ordentliches Gelage im vorderen Teil der Meute, so richtig will der Funke allerdings nicht auf das komplette Publikum überspringen. Grund dafür ist sicher keine fehlende Freude der Musiker; insbesondere Fronter Christopher Bowes ist gut aufgelegt. So versteht er eine Anspielung auf den SABATON-Gag vom Vortag nicht, kontert jedoch dennoch lustig („Fuck beer! We drink rum!“). Vielleicht ist es der zu leise Sound (Problem bei nahezu allen Bands auf der Party-Stage) oder der Kater des Vortages, aber mehr als gefälliges Kopfnicken und Höflichkeitsapplaus ist bei vielen nicht drin. Schade, denn eigentlich war bei dieser Besucherzahl alles für eine große Sause angerichtet. Bonuspunkte gibt es im Übrigen für den Dubsteb-Remix eines eigenen Titels als Outro: Selbstironie in Perfektion.
DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind schon Stammgäste in Wacken, in gefühlt jedem zweiten Jahr treten die Spaßvögel der Metalszene auf dem Acker auf. Und so sieht man dieses Jahr am frühen Nachmittag nicht ganz so viele Fans wie in den letzten Jahren, die anwesenden Jünger lassen sich ihre Partylaune aber nicht nehmen. Die Reiter auch nicht, und da man live in diesem Metier keine Konkurrenz zu fürchten hat, wird auch der heutige Auftritt zum Triumphzug. Mit 'Komm', 'Du kleiner Wicht' und 'Der Adler' wird gleich zu Beginn klargemacht, dass DIE APOKALYPTISCHEN REITER keine Gefangenen machen. Man weiß eben, wie man die Massen bewegt. Auch Bandhits wie 'Adrenalin' oder 'Es wird schlimmer' taugen an diesem Samstag live ganz hervorragend. Ob die Band wirklich keine Gratis-Shirts verteilen darf, wie auf der Bühne verlautet wird, oder ob es nur ein Gag sein soll, kann an dieser Stelle nicht endgültig geklärt werden. Bei HEAVEN SHALL BURN gab es vor einigen Jahren nämlich einen wahrhaftigen "Security Stresstest", als beinahe jede Frau im Infield crowdsurfend gen Bühne getragen wurde, um eines der begehrten Shirts zu ergattern. So viel Action wie bei HEAVEN SHALL BURN gibt es dann bei den Weimarern nicht, trotzdem ist das Energielevel für die Uhrzeit oft am Anschlag und die Fans sehen rundum glücklich aus. Wer will sich da beklagen?
Endlich wieder LAMB OF GOD. Obwohl die Pause objektiv betrachtet gar nicht so lang war, kommt es einem Anhänger der Band so vor, als hätte er all diese genialen Songs ewig nicht gehört. Randy Blythe und Co. kommen mit einer ordentlichen Portion Wut auf die Bühne und haben richtig Bock darauf, endlich wieder Hallen, Acker und ganze Städte zu verwüsten. Und mit der „üblichen“, aber zum Niederknien starken Setlist, ist das nun wirklich das geringste Problem. Das Publikum frisst der Band von Beginn an aus der Hand, der Moshpit wirbelt, Haare fliegen: Die Metal-Welt ist so schön, wie sie sich nur eben präsentieren kann. Und dann gibt es immer mal wieder diese Ereignisse, die einen großartigen Gig unvergesslich machen. Heute ist es der einsetzende Platzregen, der bei den meisten der eh schon begeisterten Metalheads vor der Bühne ein urwüchsiges Gefühl aufkommen lässt. Einige verlassen das Infield, der Großteil bleibt. Viele entledigen sich ihrer Shirts und huldigen LAMB OF GOD trotz Wind und Wetter. Der Regen will nicht aufhören, der Wahnsinn auf der Bühne allerdings auch nicht. Heute reicht es nicht, Kleinholz zu machen, nein, es müssen Sägespäne werden. 'Now You've Got Something To Die For', 'Redneck', 'Laid To Rest': Es ist Party angesagt. Wie gewohnt stachelt Randy Blythe die Menge an, die mit dem obligatorischen Finish 'Black Label' feststellen muss, wie kurz und intensiv 60 Minuten sein können. Passend zum Ende des Wahnsinns auf der Bühne hört dann auch jener hoch oben auf. Ohne Diskussion mein persönliches Festival-Highlight. Willkommen zurück, Lämmer Gottes.
Samstag, 15:45 vor der Party Stage. Die finnische Band SONATA ARCTICA gibt sich bei strahlendem Sonnenschein die Ehre. Für die Uhrzeit, die Temperatur und die Konkurrenz (LAMB OF GOD auf der Black Stage) hat sich erstaunlich viel Publikum vor der Bühne eingefunden. Nach einem ausführlichen Intro starten die fünf Metaller mit 'Wildfire Part III' vom neusten Album voll durch. Sechs der insgesamt elf Songs stammen ebenfalls vom "Stones Grow Her Name"-Album aus 2012. Damit aber auch die treuen Fans etwas zu lauschen haben, geht es mit 'Black Sheep' weit zurück in die Bandvergangenheit. Der Titel vom Album "Silence" (2001) findet sich, genau wie 'Replica' und 'FullMoon', auf den 2008 neu aufgelegten Alben "Silence" und "Ecliptica" wieder und dürfte so dem Großteil der Zuhörer bestens bekannt sein. Die Mischung aus alt und neu wirkt jedenfalls. Obwohl es nach knapp der Hälfte des Gigs aus heiterem Himmel anfängt zu stürmen und regnen, bleiben die meisten tapfer auf ihren Plätzen. Die Feuershow auf der Bühne ist jetzt ein netter Kontrast zu der Sinnflut davor. Das große Finale nach ziemlich genau einer Stunde mit 'Don't Say A Word' ("Reckoning Night"), kommt dann aber doch ganz gelegen. Band und Publikum retten sich in trockene Gefilde.
[Vanessa Eick]
"Wie kann eine Band eigentlich ewig von zwei Alben der Vergangenheit zehren?" - eine Frage, die mich im Falle ANTHRAX nicht loslässt. Dabei ist es nicht so, dass ich die x-te Auflage von "Spreading The Disease" meets "Among The Living" meets X nicht zu würdigen wüsste. Wenn Sympath Ian mit seinen Männern den richtigen Sound auf die Bretter bringt, dann weiß man genau, woran man ist. Und wenn Belladonna dann noch wie ein junger Gott darüber singt, ist doch eigentlich alles in bester Ordnung, oder? Ja, so ist es. Bis auf dieses Gefühl des zu Vertrauten. Immerhin gibt ANTHRAX in der Mitte des Sets eine Doppel-Hommage an Ronnie James Dio sowie Dimebag Darrel samt Banner zum Besten, welche durchaus als gelungen bezeichnet werden darf. Das 'T.N.T'-Cover hingegen ist zwar nett, hätte jedoch nicht zwingend sein müssen. Am besten funktioniert die Truppe nämlich nach wie vor, wenn sie 'Indians', 'Caught In A Mosh' oder 'Madhouse' präsentiert. Dann sammeln sich auch auffällig viele ältere Leute vor der Bühne, reißen die Faust in die Höhe und fühlen sich wieder wie 18 – der ein oder andere junge Fan ist es gar. Daher fällt mein Fazit zu ANTHRAX auch erwartungsgemäß positiv aus. Der Band wäre nur hin und wieder etwas Mut zu wünschen.
Bereits während der "Danzig Legacy Tour" hat der Schinkengott noch einmal seinen älteren Katalog geöffnet und einige Songs aus der fernen Vergangenheit herausgekramt. Und auch die Wacken-Show DANZIGs wird als besonderes Happening angekündigt, welches der polarisierende Altmeister schließlich nach schwachem Start mit einigen aktuelleren Stücken auch anzubieten weiß. MISFITS-Kollege Doyle kommt nach 20 Minuten auf die Bühne gestürmt und segnet Klassiker wie 'Death Comes Ripping' und 'Last Caress' an den sechs Saiten ab. Ob diese erneute Reunion jedoch tatsächlich in völliger Harmonie inszeniert wurde, bleibt fraglich; Frontmann Glenn Danzig jedenfalls spart sich jeden Funken Euphorie, als er seinen geschätzten und angepinselten Muskelprotz-Kollegen auf die Bretter bittet. Die Stimmung leidet unter dieser vermeintlichen Spannung jedoch absolut nicht. Im gegenteil: Die MISFITS-Kultnummern werden systematisch abgefeiert, und als Doyle schließlich wieder verschwindet und 'Mother' lautstark an vorderster Front begleitet wird, scheint der diesmal wahrlich unterschätzte Mastermind doch noch einen Triumph zu feiern. Abgerundet wird das Ganze durch eine kleine On-Stage-Party mit allen beteiligten, die das unvermeidliche 'Die, Die My Darling' anstimmen und sich auch hier einem großen Chor sicher sein können. Abgesehen von der reduzierten Power in der Stimme des Schinkengottes sind diese 60 Minuten wesentlich mehr überzeugendes Entertainment, als man zuvor befürchtet hatte.
Zeigt die Qualitätskurve der Platten bei Bradley James "Dez" Fafara mit seiner Hintermannschaft mittlerweile recht deutlich nach unten, haben sie in letzter Zeit auf den Bretter doch wieder deutlich zugelegt. Und genau so stellt sich das Bild auch heute auf dem heiligen Acker Wackens dar: DEVILDRIVER macht Laune. Ein buntes Programm des Backkatalogs bekommen hier diejenigen um die Ohren gehauen, die Bock auf eine moderne Keule haben. Nun gut, „gehauen“ ist vielleicht übertrieben; "gestreichelt" wäre wohl das treffendere Wort, da der Sound auf der Party-Stage (mal wieder) zu leise ausfällt. Das ist schade, denn der Auftritt ist ansonsten makellos. Die Sonne lässt sich auch wieder blicken und trocknet all jene, die bei LAMB OF GOD keinen Schutz gesucht haben. Der durch-und-durch Kalifornier Dez gerät bei diesen Lichtverhältnissen direkt ins Schwärmen und erzählt, wie schön es bei ihm daheim doch sei. Der Lifestyle dort folge dem Motto "Slow and low". Der in diesem Stil geforderte Circle-Pit erinnert dann auch mehr als einen Sonntagsspaziergang als an Moshpitaction; eine interessante Abwechslung. Dies kann man auch über die beiden neuen Songs sagen, die vorgestellt werden: Angenehm atmosphärisch angehaucht erklingen die Hassbatzen vom kommenden Album "Winter Kills". Es scheint, als hätte die Band die Zeichen der Zeit erkannt. In jeder Hinsicht: Weiter so!
Paolo Gregoletto meinte in einem Gespräch vor einiger Zeit, dass der Wacken-Gig vor zwei Jahren etwas ganz Besonderes gewesen sei und die Tatsache, dass die Fans dermaßen positiv auf die für sie unbekannten Songs von "In Waves" reagiert hätten, dem Album einen riesigen Schub verpasst hätte. Nun ist die Platte zwei Jahre im Handel und TRIVIUM steht erneut auf der Bühne. Was ist heute anders? Irgendwie gar nicht mal so besonders viel. Matthew Heafy posiert nach wie vor wie ein junger James Hetfield, die Männer an seiner Seite geben ebenfalls recht gut Gas und den Kerl an der Schießbude sieht man nahezu nicht, er gibt jedoch mächtig Dampf auf die Kessel. Zudem steht viel Eis-Deko auf der Bühne, welche nicht so richtig ins Bild passen möchte. Entscheidend ist aber natürlich immer die Musik: Technisch macht TRIVIUM nämlich so schnell keiner etwas vor, weshalb auch die schwierigsten Passagen wunderbar heruntergezockt werden. Auffällig gut klappt vor allem die Gesangsaufteilung auf drei Leute: Klar, Klar/Gebrüll und nur Gebrüll. Die Band präsentiert sich perfekt eingespielt, die Setlist ist (zum Glück) leicht unterschiedlich zu jener von vor zwei Jahren, am meisten abräumen tut jedoch (wie so oft) 'A Gunshot To The Head Of Trepidation'. TRIVIUM hat erneut einen guten Gig abgeliefert, dem heute höchstens ein bisschen das Besondere fehlte.
Nur zwei Stunden zuvor hatte Vincent Furnier alias ALICE COOPER völlig locker über seine Pläne mit dem "Rock Meets Classic"-Projekt geplaudert und den anwesenden Journalisten bei der Pressekonferenz reichlich Lust auf die nächstjährige Gastspielreise beschert. Doch wenn aus Vincent dann auch tatsächlich Alice wird, spricht der gute Herr auch in Wacken eine ganz andere Sprache: Die Bühnenshow wirkt zunächst noch unspektakulär, das Set scheint eine sichere Sache zu sein, und wer den Altmeister schon einmal live gesehen hat, weiß ja auch, was ihn erwartet. Und trotzdem ist es immer wieder eine Wonne anzuschauen, wie es dem charismatischen Sänger gelingt, ein bunt zusammengewürfeltes Publikum binnen kürzester Zeit in den Bann zu ziehen. Mit der risikoarmen Hausnummer 'House Of Fire' steigt die Band um die tolle Gitarristin Orianthi ins Set ein, Gassenhauer wie 'Hey Stoopid' und 'Feed My Frankenstein' folgen, und nach einer geschlagenen halben Stunde ist der Kerl seinem Headliner-Status bereits in allen Belangen gerecht geworden. Doch die große Sause soll erst noch kommen: Unverhofft, weil bei seinen Festival-Gigs nicht zwingend üblich, zieht Cooper die gesamte Bühnenshow samt elektrischem Stuhl und Guillotine durch, die verrückte Krankenschwester turnt auch wieder mit, und bei der etatmäßigen Auferstehung dürfen es sogar noch einige echte Überraschungen sein. Den Grabsteinen im Bühnenbild gibt die Band schnell ein musikalisches Gesicht; so werden JIMI HENDRIX, die BEATLES, THE WHO und THE DOORS gecovert, bevor schließlich die Überleitung ins große Finale mit 'I'm Eighteen', 'Poison' und dem unvermeidlichen Rausschmeißer 'School's Out' folgt. Am Ende stehen 90 Minuten gewaltiges Entertainment, eine auch musikalisch beeindruckende Performance und die Erkenntnis, dass Alice im Gegensatz zu manch anderem einstigen Trunkenbold wohl auch mit 70 Lenzen noch seinen Mann stehen wird. Geil, einfach nur geil!
ALICE COOPER beginnt gerade seine Show auf der Black Stage als die Schweden von CANDLEMASS zum Schwanengesang anstimmen. Die Wiese vor der Party Stage als voll zu bezeichnen, wäre gelinde gesagt euphemistisch, aber die Doomster vor und auf der Bühne kommen auch so wunderbar miteinander zurecht. Nach dem Opener 'Prophet' wird verkündet, dass es heute vor allem altes Material zu hören gibt. Diese Ansage löst nicht nur unter den anwesenden Redaktionskollegen eine kleine Euphorie aus, das Publikum kann anscheinend jedes Wort von 'Bewitched', 'Crystal Ball' oder 'Emperor Of The Void' mitsingen. Auf der Bühne präsentiert sich die Band mit Neu-Sänger Mats Levén beinahe noch besser als zuletzt auf Platte, die monolithischen Riffwalzen machen den Acker mächtig platt und so viele Fäuste wie bei diesem Auftritt werden dieses Jahr in Wacken wenig gen Himmel gereckt. Zu 'Solitude' kennen die Doom-Jünger vor der Bühne kein Halten mehr und die Band wird so laut abgefeiert, dass selbst ALICE COOPERs Gäste vor der großen Bühne davon etwas mitbekommen. Irgendwie kann man es kaum nachvollziehen, dass die Band sich derzeit auf Abschiedstournee befindet, sind doch nicht nur Underground-Fans treuer Unterstützer des Fünfers. Für mich ist dieser mit Klassikern gespickte Auftritt jedenfalls ein absolutes Highlight des Festivals. Bei CANDLEMASS weiß man eben genau, was man bekommt.
Es gibt wohl kaum einen Auftritt, der von den Fans und interessierten Zuhörern mit so viel Spannung erwartet wurde, wie der NIGHTWISHs. Grund dafür ist die Neubesetzung der Sängerin durch die Niederländerin Floor Jansen. Um 22:45 Uhr geht es dann auch pünktlich auf der True Metal Stage mit einem fulminanten Intro, der Titelmeldodie von Crimson Tide (Hans Zimmer), los. Ein wenig Pyro im hinteren Teil der Bühne leitet den Gesang von Floor Jansen ein und spätestens beim zweiten Song wird klar, dass die Dame ihr Handwerk beherrscht. Mit einer kräftigen Sopranstimme rockt sie zu 'I Wish I Had An Angel' die Stage und stellt bei 'She Is My Sin' vom "Wishmaster"-Album unter Beweis, dass sie dem Vergleich zu Tarja Turunen standhalten kann. Nur an wenigen Stellen bleibt ihre Stimme unter den Höhen, die Turnen auch bei Live-Auftritten spielend erreichte, im Großen und Ganzen ist das Zuhören, besonders der älteren Stücke, aber wieder ein wahrer Hörgenuss. Von diesen besagten Titeln der früheren Alben finden sich verhältnismäßig viele auf der Setlist. Gerade einmal die Hälfte der Songs sind von den beiden letzten Alben "Dark Passion Play" (2007) und "Imaginaerum" (2011). Nach 'Ghost River' wird es dann mit 'Ever Dream' auch erstmal kurzzeitig ruhiger. Diese Ruhe hält aber gerade einmal bis 'Storytime', wo Jansen zeigt, dass nicht nur eine gute Sopranistin, sondern auch eine echte Metallerin in ihr steckt. Headbangend steht sie zwischen ihren Bandkollegen und scheint sich auf der großen Bühne mehr als wohl zu fühlen. Nach zwei Liedern des aktuellen Albums, packen die Finnen ihr erstes Klassiker-Highlight aus: 'Nemo'. Das Publikum dankt es und geht ordentlich mit. Das ist auch nicht ganz unwichtig für diesen Abend, denn der Auftritt wird für eine Live-DVD mitgeschnitten. Mit diversen Ansagen zwischen den einzelnen Songs weisen die Bandmitglieder immer wieder darauf hin. Bis zum Ende sollte also jeder mitbekommen haben, dass echte Begeisterung im Publikum heute ganz besonders erwünscht ist. Der nächste Song vom "Dark Passion Play"- Album gibt, dank seines rein intrumentellen Charakters, Floor Jansen die Chance, ihr Bühnenoutfit für die zweite Hälfte des Gigs zu ändern. Statt lang, schwarz und figurbetont, geht es bei Bless the Child in kurz, schwarz und figurtbetont weiter [auf den Fashion-Aspekt legen die männlichen Kollegen viel zu wenig wert, gut dass du es tust - NM]. Bei diesem älteren Song kommt die Stimme der Niederländerin erneut bestens zur Geltung, auch wenn man sich als Zuhörer während des gesamten Auftrittes wünscht, mehr von Keyboard und Gitarren zu hören. Nach zwei Titeln von "Once" und der zweiten Single- Auskopplung aus "Dark Passion Play" '(Amaranth') sind die drei letzten Stücke neues Material. Mit 'Imaginaerum', dem Titelsong der aktuellen LP verabschiedet sich NIGHTWISH standesgemäß mit einem Feuerwerk und sie haben alles in allem einen guten bis sehr guten Eindruck hinterlassen. Floor Jansen überzeugt als neue Sängerin und man kann nur hoffen, dass sie auch in Zukunft fester Bestandteil der Band bleibt - das Sängerinnen - Karussell darf auch mal still stehen.
[Vanessa Eick]
Vorhang auf für einen wahren echten Knaller am letzten Abend des Festivals. Nicht kleckern, sondern klotzen - das gilt heute für das LINGUA MORTIS ORCHESTRA feat. RAGE. Rein quantitativ gesehen stimmt die Reihenfolge natürlich, denn hier wird ein komplettes Sinfonieorchester aufgeboten, um das neue "Klassik meets Metal"-Album von RAGE standesgemäß aufzuführen. Die meisten Zuschauer kennen das Album noch nicht, da es erst seit gestern im Laden steht, an den fantastischen Publikumsreaktionen änder das aber nichts. Der Opener 'Cleansed By Fire' wird hier ebenso episch vorgetragen wie auf Konserve, mit der großen Produktion und tollen Lightshow ist das Erlebnis dann aber doch intensiver. So scheint es auch den Muckern auf der Bühne zu gehen, sieht man über die Videoleinwände immer wieder wie der ein oder andere klassische Instrumentalist in seinen Spielpausen mit dem Kopf wackelt. Die Fans machen es nach und aus der Show wird ein denkwürdiger Headliner-Auftritt. Das zeigen RAGE und das LINGUA MORTIS ORCHESTRA auch bei den älteren Songs, denn "LMO" ist ja nicht das erste Werk in diesem Stil. So gibt es beispielsweise 'From The Cradle To The Grave' vom 1998er Album "XIII" oder 'Empty Hollow' ('Strangs To A Web') zu hören, die man auf vorherigen Live-Shows mit Orchester ja schon in diesem Gewand hören konnte. Die neuen Songs sind aber für meinen Geschmack allesamt eine Klasse besser und besonders das Schluss-Duo 'Withces' Judge' und ''Straight To Hell' verlangt dem Publikum noch einmal alles ab, der perfekte Abschluss dieses Headliner-Gigs!
Und dann ist es Zeit für den heimlichen Headliner des Wacken Open Air 2013: MESHUGGAH! Von der ersten Sekunde an, zieht der komplexe Metal das Publikum in seinen Bann. Immer mehr Leute bleiben stehen und sind wie hypnotisiert oder versuchen im Takt zu headbangen und flippen dabei total aus. Der Sound ist vom ersten Ton an glasklar, was sonst leider kein Standard war. Die Lichtshow passt sich wieder perfekt auf die Musik an und visualisiert jeden Takt- und Dynamikwechsel. Dazu gibt es das mächtige 'Demiurge' und das groovende 'Do Not Look Down' vom aktuellem Werk "Koloss" oder das rasante 'New Millenium Cyanide Christ'. Außerdem fällt auf, dass MESHUGGAH keine Einzähler vor den Songs benötigen. Ein schlichtes "Are you ready?" reicht aus und schon fegt das irre 'Bleed' über durch die Menge. Die Stunde ging leider viel zu schnell vorbei. Aber eins ist klar: Das Wacken-Debut von MESHUGGAH war irrwitzig gut, dagegen wirkte vieles wie ein laues Lüftchen.
Wir schreiben das 24. Wacken Open Air und zum gefühlt 23. Mal beendet eine Band aus Potsdam das bunte Treiben im Norden: SUBWAY TO SALLY. Business as usual? Jein. Natürlich weiß jeder, der hier von zwei bis drei Uhr vor der Bühne steht, was ihn erwartet und so werden die Fans auch entsprechend bedient. Die Band haut im Laufe des Konzerts jedoch gleich mehrere Medleys heraus, wodurch eine ordentliche Bandbreite an alten Songs zu Gehör kommt. Nette Idee und in dieser Umsetzung sogar richtig gut. Neben neueren Stücken gibt es dann noch eine weitere Überraschung: Zwei Seemänner SANTIANOs werden als Gäste auf der Bühne willkommen geheißen, um mit der Band – wie sollte es anders sein – 'Auf Kiel' zu zelebrieren. Und das passt. Als weiteres Bonbon gibt es heute eine Darbietung von 'Maria' zu Ehren STS-Klampfer Ingo Hampfs Frau, die offensichtlich kurz zuvor Mutter geworden ist. Auch ansonsten legt SUBWAY TO SALLY wie immer eine astreine Performance hin. Eric Fish ist bei bester Laune und kann dem Publikum die letzten Reserven entlocken, so beispielsweise eine starkes Intro der Menge zu 'Kleid aus Rosen'. Die paar Tausend, die sich noch vor der Bühne tummeln, haben wirklich Spaß am Konzert und zeigen dies der Band auch offen und gerne – und Eric Fish gibt nur zurück, wie sehr sie es als Band lieben, dieses Festival zu beschließen. Und als wäre es die Mutter aller Rituale markiert das lautstark geforderte 'Julia und die Räuber' das Ende des Fests. Ein schöner Schlusspunkt. Wie immer.
Und im Zelt?
Zurück zur W.E.T.-Stage. Da spielt gerade SPITFIRE und lenkt mit ihrem straighten melodischen punkigen Rock vom bevorstehenden Regenguss ab. Während 'My Way' gespielt wird, flüchten immer mehr vor den Wassermassen zu den Zeltbühnen. SPITFIRE rockt ein gutes Set ab, traurig bin ich aber nicht, dass nach 30 Minuten bereits Schluss ist.
DEW SCENTED ist bereits das vierte Mal auf dem Wacken. Ihr rasanter Thrash kann das ermüdete Publikum aber nicht so richtig wecken. Kein Wunder nach drei Tagen Hitze. Einige mögen Songs wie 'Turn To Ash' und 'Soul Poison' kompromisslos finden, ich finde es auf Dauer ziemlich stumpf.
Gar nicht stumpf wird es nun mit den italienischen Power Proggies von SECRET SPHERE. Nicht viele schauen sich die Darbietung an, dabei macht der Gig mit Songs vom Album "Portrait Of A Dying Heart" ordentlich Laune. Im Zentrum stehen die starken Vocals von Roberto und große Melodien. Das Sechstett hat viel Spaß bei dem was sie machen und lassen die Show angeblich für eine DVD mitfilmen. Keine Frage: SECRET SPHERE ist ein absoluter Tipp in ihrer Sparte.
Parallel zu ALICE COOPER zu spielen, ist natürlich eine undankbare Aufgabe. Dennoch haben erstaunliche viele den Weg zu DUNDERBEIST gefunden. Ihr grooviger Stoner passt perfekt in das schwitzig-matschige Zelt. Was gar nicht geht, dass parallel auf der Nebenbühne, wenn auch unverstärkt, soundgecheckt wird. Der Titeltrack des aktuellen Album "Songs Of The Buried" rockt dennoch alles in Grund und Boden. Die Gesänge von Togrim und Asmund sind perfekt aufeinander abgestimmt, genau wie die schwarz-weiße Montur und die schwarz umrandeten Augen. Bei 'Hatet' ist die Menge komplett am Durchdrehen und schwingt das Tanzbein, als ob es keinen morgen gäbe.
Diese Schweden sind wirklich zu bedauern: Keines ihrer Alben hat jemals enttäuscht, keiner ihrer Hits könnte es nicht mit den Gassenhauern von GLUECIFER bis TURBONEGRO aufnehmen, und auch die MÖTLEY CRÜE ist heuer nur noch ein lästiges Abziehbildchen ihrer selbst, vergleicht man ihren Sound mit dem von HARDCORE SUPERSTAR. Und dennoch werden die Skandinavier auch heuer wieder zur denkbar ungünstigsten Zeit auf die kleine Nebenbühne verdrängt, wo diesmal nur noch wenige Genossen genügend Durchhaltevermögen aufbringen, um ihre Faves auch entspfrechend anzufeuern. Die Band interessiert's scheinbar wenig, denn auch eine Stunde nach Mitternacht bringt man noch genügend Power auf die Bretter, um den Best-Of-Set mit Schwerpunkt auf den neueren Stücken durchzuboxen. Aber ähnlich wie am Vortag bei GRAVE DIGGER muss man konstatieren, dass hier wesentlich mehr Aufmerksamkeit garantirt gewesen wäre, hätte man die Schweden nicht so spät verheizt. Aber irgendwer muss nun mal die Arschkarte haben - leider sind es aber immer genau Bands wie HARDCORE SUPERSTAR!
- Redakteur:
- Nils Macher