With Full Force - Roitzschjora

05.08.2014 | 12:39

04.07.2014,

Zum 21. Mal Deutschlands härtester Acker: Das With Full Force mit MOTÖRHEAD-Rückkehr und wüstenähnlichem Klima.

Herzlich Willkommen in Death Valley! Es ist so heiß wie in Death Valley, es ist so staubig wie in Death Valley, es heißt in Deutschland aber Roitzschjora. Ein unfassbar heißes With Full Force Festival steht uns dieses Jahr bevor. Klar, das mag besser sein als Dauerregen, Matschfelder und zerstörerische Unwetter, aber es ist für Leber, Lunge und weitere Organe sehr anstrengend.

Wenn man gegen 11 Uhr im gut bekannten Anfahrtsstau steht, wird einem bewusst, dass man dieses Festival nun schon 13 Jahre fortlaufend besucht. Warum eigentlich? Es ist dieses Jahr für uns kein überragendes Lineup, die Orga ist hier eigentlich immer etwas chaotisch und Braustolz Bier ist furchtbar. Aber es existiert einfach eine unvergleichbare Atmosphäre, die auch diesen Donnerstagabend wohl dafür verantwortlich ist, dass es schon wieder hell wird, als wir nach definitiv zu vielen alkoholischen Getränken total fertig in die Zelte fallen. Und es hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal eine Band gespielt.



Freitag

Die erste Gruppe spielt dann am Freitag um 13.30 Uhr. Genügend Zeit also für ein paar Konterbiere, die folgenden Runden Absinth hätte man aber besser ausgelassen. Da hilft nur eins: Die aggressive Death-Thrash-Core Mischung von BLACKEST DAWN. Die Magdeburger geben auch gleich Vollgas. Ultraharte Gitarrenriffs und eine geile Performance der zwei Sänger sorgen für gute Stimmung. Für BLACKEST DAWN eigentlich etwas schade, dass nicht wirklich viele Besucher den Weg vor die Hauptbühne gefunden haben. Dennoch gibt die Band alles und schmettert uns mit 'We Are Legions' einen echten Killersong entgegen. Das zeigt auch direkt Wirkung und das Festivalgelände füllt sich. Obwohl es musikalisch nicht meine Richtung ist, begeistert die Band, und man muss anerkennen, dass man sich gewissen musikalischen Trends nicht vollständig verschließen sollte. 'Curse Of The Soulgrinder' sorgt derweil dafür, dass sich der eine oder andere fragen wird, warum man von dieser geilen Band noch so wenig gehört hat. Also super Show und geile Musik.

MILKING THE GOAT MACHINE besteht aus vier verrückten Ziegen, die eine Mischung aus Death Metal und Grindcore fabrizieren. Das Konzept funktioniert auf Platte mal besser, mal schlechter, und so ist es auch live. In jedem Fall ist es im angesoffenen Zustand schon etwas surreal, wenn man Männer mit Ziegenmasken headbangen sieht. Musikalisch nicht schlecht, aber irgendwie eintönig geht der Krach heute realtiv spurlos an mir vorbei.

Nicht zum ersten Mal wurde heute Vormittag über Musikgeschmack gestritten. Für mich bleibt es unerklärlich, dass Bands wie EMMURE, BRING ME THE HORIZON oder WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER als hart und gut abgefeiert werden. Break Down hier, Technobeat da... was wollt ihr gegen KATAKLYSM ausrichten? Das ist Death Metal, das ist Hardcore, das ist brachial und unerreicht! 'The Ambassador Of Pain' zeigt gleich mal, in welche Richtung es für die nächsten 40 Minuten geht. 'Crippled And Broken' und 'As I Slither' nachgelegt, da wundert es schon, dass die Jägermeisterhütte schräg vor der Bühne nicht zusammenbricht. KATAKLYSM war schon länger nicht mehr auf dem Full Force und wird sich auch heute wieder für lange Zeit im Gedächtnis einprägen. 'Shadows And Dust' markiert dann nachfolgend wieder ein Highlight, bevor es sich die Kanadier nicht nehmen lassen, mit 'Taking The World By Storm' genau das zu tun. Ein superheftiger Auftritt, der einem den Kopf mal richtig frei macht... also die entstandene Leere schnell mit Bier auffüllen. [Ich schicke besser keine Alkoholiker mehr nach Roitzschjora – augenzwinkernd Carsten Praeg] [Na ja, bis hierhin hat er ja alles gesehen und ordentlich beschrieben... mal sehen, was noch kommt. Der Lektor]

Zu dem verdammt coolen 'Star Wars Imperial March Remix' betreten die verrückten Briten von SKINDRED die Mainstage. Ich muss zugeben, der wahnwitzige Stilmix aus Reggae und Metal weiß zu gefallen. Ein so charismatischer Frontman wie Benji Webbe ist aber auch eine Stimmungskanone. Vom Anfang 'Rat Race' bis zum Ende 'Nobody' wird hier routiniert ein Feuerwerk der guten Laune abgeschossen. Der Auftritt trägt dazu bei, dass ich mir auf jeden Fall mal eine Scheibe der Waliser zulegen werde. Bin mal gespannt, ob das daheim im Wohnzimmer auch diese Wirkung entfaltet. Gedanklich bin ich allerdings schon längst beim Fußball und deshalb wird’s auch höchste Zeit einen vernünftigen Platz vor der Videoleinwand zu suchen und dann mal für 90 Minuten vom Festivallärm entspannen...

...90 Minuten später...

SIEEEEEEEEEEEEEG! Mit dem Schlußpfiff betreten die holländischen Fußballgötter DISCIPLINE die Zeltbühne. Kann es eigentlich was Schöneres geben, als die Punkrockhymnen der Eindhoven Asis zum Halbfinaleinzug zu feiern? Eigentlich wäre nur noch geiler gewesen, wenn wir anstelle von Frankreich gerade gegen die Niederlande gewonnen hätte ;-) Also geht es rund mit 'Rejects Of Society' und 'Young And Reckless'. Die Stimmung ist bei der unglaublichen Hitdichte kurz vor dem Überkochen. 'Everywhere We Go' wird dabei ebenso abgefeiert wie die häufigen "Come on, come on" Zwischenspieler vom Bassisten. Obwohl die Herren von DISCIPLINE bei diesem Chor heute gar nicht singen bräuchten, tut es die komplette Band mit entschiedener Überzeugung. Die haben heute wirklich Bock und wirken dadurch fast sympathisch. Auch Sänger Merijn Verhees kommt mit seiner leicht angesoffenen Art heute prächtig an und hat somit keine Schwierigkeiten, mit 'Belief' auch den letzten Zweifler zu überzeugen. Viel zu früh geht ein grandioser Gig zu Ende und die Jungs von DISCIPLINE sieht man erst zu sehr später Stunde im VIP-Zelt wieder. Der Alkoholpegel ist dabei deutlich gestiegen, denn dass man die Streetpunk Asis zu 'Raining Blood' ausrasten sieht, hätte ich nun wirklich nicht vermutet ;-)
[Chris Gaum]

Zum gefühlten 100sten Mal gibt sich nun das Hardcore-Bollwerk HATEBREED aus den Staaten die Ehre auf dem With Full Force. Man könnte fast schon meinen, die Jungs haben hier ihre zweite Heimat gefunden. Und dass sie fast schon öfter hier waren als man selbst. Demnach kommt das Dargebotene sehr vertraut daher. Aber keineswegs ausgelutscht und langweilig! Klar könnte man die Ansagen von Herrn Jasta beinah fehlerfrei mitsprechen, aber die Songauswahl, welche alle Alben der Band abdeckt und eine wahnsinnige Hitdichte aufweist, reißt einfach jeden mit. Die Verbindung aus Groove und Tempo ergibt einfach diese absolute Härte, welche sich vom ersten Song bis zum finalen 'Destroy Everything' durch das ganze Set zieht. War, ist und bleibt ein Highlight bei jedem Besuch in Roitzschjora!
[Tobi Schneider]

Die Filigrantechniker des Death Metal NILE eröffnen die diesjährige Knüppelnacht. Ich habe die Amis oft gesehen, aber einen so guten Sound konnte ich selten erleben. Gut, es wurde vorher auch lange und ausgiebig herumgetüfftelt, aber das hat sich gelohnt. Obwohl das WFF-Zelt nicht wirklich für seine Akustik berühmt ist, klingt das heute sehr ordentlich. NILE leidet live immer etwas darunter, dass die Musik einfach schon etwas zu technisch ist. Hier muss man immer etwas fassungslos staunen, was die Band da für ein organisiertes Chaos fabriziert. Die komplexen Songs können deshalb live wohl auch nur wenige neue Fans im gut gefüllten Zelt gewinnen, aber die Stimmung ist bei der Die-Hard-Fraktion extrem gut. Die Leistung der Band schmälert das nicht und deshalb gibt es für Songs wie 'Lashed To The Slave Stick' auch satten Applaus.

CARACH ANGREN war mir bis vor wenigen Wochen unbekannt. Die schon außergewöhnliche Mischung von orchestralen Horrorfilmsounds und blackmetallischer Urgewalt hat allerdings auf Platte direkt gefallen. Trotzdem geht es mit einer gewissen Skepsis vor die Zeltbühne. Da die Holländer ohne Bass auftreten, kommen Zweifel auf, ob sich die wirklich geilen Kompositionen live umsetzen lassen. Das Fazit vorweg: Ich finde nicht! Hier überzeugen zwar sehr talentierte Musiker mit einer erschreckend beängstigenden Atmosphäre. 'The Funerary Dirge Of A Violinist' und 'Bitte Töte Mich' sorgen zwar dafür, dass sich Tobi neben wir wirklich etwas fürchtet, aber ich bleibe dabei: Mir fehlt hier der Druck. Berechtigterweise gefällt es  den vielen anderen Zuhörern trotzdem und so beenden CARACH ANGREN mit einen imposanten Auftritt.

Richtig guter schwedischer Black Metal aus Deutschland? Das ist DER WEG EINER FREIHEIT. Die rasende Geschwindigkeit mit gefühlvoller Melodie auszufüllen, das hat die bayrisch-schwäbische Band perfektioniert. Auch live funktioniert das hervorragend und zwar ohne Corpsepaint, Tierkadaver oder diabolische Messen. Insofern ist es beeindruckend, dass es die Band schafft, eine düster melancholische Atmosphäre zu erzeugen, obwohl das Stageacting als minimalistisch beschrieben werden muss [dabei propellert sich doch der gute Giuli aka Tingeltangel Bob meist einen ab – augenzwinkernd, Carsten]. Vielleicht sorgen aber auch gerade deshalb Songs wie 'Lichtmensch' und 'Der Stille Fluss' dafür, dass man die Augen schließt und sich die Rübe abschraubt.  

Inzwischen gibt es eigentlich jedes Jahr eine Breitseite holländischen Oldschool Death Metal von Martin van Drunen. Dieses Jahr heißt die Band GRANDE SUPREME BLOOD COURT. Aber warum eigentlich jedes Jahr eine neue Band? Hier stehen immerhin zwei aktuelle und zwei ehemalige ASPHYX-Mitglieder auf der Bühne. Ich kann nicht verstehen, warum nicht einfach ASPHYX spielt. Zwar mag es toll sein, mal was Neues zu hören - aber bei diesem Stil ist es kaum möglich, wirklich beeindruckende Variationen hervorzubringen. Das hat zur Folge, dass man die Songs nicht kennt, obwohl alles nach HAIL OF ASPHYX BULLETS klingt. Ich hätte mich wirklich gefreut, 'The Rack' oder 'Wastland Of Terror' zu hören. Klar, viele Musiker haben Sideprojects, aber da wird dann sinnvoller Weise meist experimentiert und ein anderer Stil verfolgt. Man stelle sich mal vor, MOTÖRHEAD oder AC/DC würden neben dem Original eine neue Band mit gleicher Besetzung gründen, die exakt die gleiche Musik macht. Vollkommen absurde Vorstellung! [Hm, CAVALERA SEPULFLY CONSPIRACY? Wer erkennt die Parallelen? – Anm. v. Carsten] Gut, zurück zur Show, denn die ist erwartungsgemäß gut und garantiert somit ordentlich Bewegung am frühen Morgen. Martin ist gut drauf und sorgt mit seinen Fußballansagen, zwischen den bluttriefenden Songs wie 'Circus Of Mass Torment' und 'And Thus The Billions Shall Burn', immer wieder für einige Lacher. In diesem Sinne: Prost, Martin, und bitte nächstes Jahr mit ASPHYX vorbeikommen!

Am frühen Morgen gibt es nochmal eine Prämiere auf dem Full Force. Für Niklas Kvaforth und SHINING ist es der erste Besuch der Knüppelnacht. So richtig Geknüppel war und ist SHINING allerdings keinesfalls. Eigentlich hätte die Band auch Sonntag auf Montag "The Last Supper" beschließen können. Immer lebt SHINING noch zu Unrecht von dem Ruf als Skandaltruppe. [Na ja, nach dem vergangenem Party.San... – Anm. v. Carsten] Doch auch heute werden keine Rasierklingen ans Publikum verteilt. Der Skandal beschränkt sich darauf, dass Kvaforth säuft und eine Kippe von der Bühne schmeißt. Das ist kein Skandal, sondern normales Festivalverhalten. Also bleibt bei SHINING nur die Konzentration auf die Musik und die ist wieder extrem geil. Etwas schade, dass die Band nur neues Material spielt, aber Songs wie 'Han Som Hatar Människan'  sind schon wirklich große Kunst. Ein echtes Highlight markiert danach 'Låt Oss Ta Allt Från Varandra' vom "Halmstad"-Album. Insgesamt ein sehr gelungener Auftritt von einer Band, die sowohl live als auch auf Platte beeindruckende Meisterwerke geschaffen hat.
[Chris Gaum]

Redakteur:
Carsten Praeg

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