AFI - Silver Bleeds the Black Sun…
Mehr über AFI
- Genre:
- Alternative / Modern Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Run For Cover Records
- Release:
- 03.10.2025
- The Bird Of Prey
- Behind The Clock
- Holy Visions
- Blasphemy & Excess
- Spear Of Truth
- Ash Speck In A Green Eye
- VOIDWARD, I BEND BACK
- Marguerite
- A World Unmade
- Nooneunderground
Punk's not dead? Bei AFI schon.
"Silver Bleeds The Black Sun…" markiert für AFI einen radikalen Einschnitt, der sich bereits auf "Bodies" angekündigt hatte, nun aber in voller Konsequenz ausgeformt wird. Wer die Band bisher vor allem für ihren kantigen Emo-Post-Punk, ihre dramatischen Ausbrüche und Davey Havoks markant weinerliche Gesangslinie schätzte, wird hier zunächst irritiert sein, denn auf "Silver Bleeds The Black Sun…" ist von all dem kaum etwas übriggeblieben. Stattdessen taucht die Band tief in eine Welt aus düsteren 80er-Jahre-Synthesizern, weichen Melodien und einem insgesamt überraschend zurückgenommenen Sound ein, der näher an THE CURE oder THE CULT liegt als an den eigenen Wurzeln.
Gerade die veränderte Gesangsperformance fällt am deutlichsten ins Gewicht. Davey Havok verzichtet auf das leidenschaftliche Beben und die emotional aufgeladene Dringlichkeit, die seine Stimme früher auszeichneten. Stattdessen prägt eine nahezu durchgehend sanfte, melancholische Färbung die Songs. Dieser Gesang wirkt nicht kraftlos, eher kontrolliert, beinahe stoisch – als würde Havok bewusst Distanz schaffen, um den atmosphärischen Charakter der Stücke in den Vordergrund zu rücken. Das funktioniert überraschend gut, wenn man bereit ist, das alte AFI-Bild für die Dauer des Albums abzulegen.
Musikalisch dominieren poppige Synthesizer, breite Hallräume und hypnotische Bassläufe, die den Songs einen warmen, fast träumerischen Unterton verleihen. Gitarren treten zwar weiterhin in Erscheinung, stehen aber selten im Fokus; sie dienen eher der Textur, nicht der Aggression. Viele Stücke folgen einem schwebenden Aufbau, der die Hörerinnen und Hörer weniger mitreißt, sondern mehr einlullt – im positiven Sinne. Besonders Songs wie 'Blasphemy & Excess' oder 'A World Unmade' zeigen, wie stimmungsvoll AFI diesen neuen Ansatz ausspielen kann. Auch wenn die Titel nicht mit wuchtigen Hooks arbeiten, gelingt es ihnen, ein tiefes, cineastisches Gefühl zu erzeugen. Dies kann je nach Stimmung der Hörerin oder des Hörers aber auch zu Ermüdung führen.
Dass AFI den eingeschlagenen Weg von "Bodies" konsequent fortsetzt, ist nicht zu überhören. Doch während das Vorgängeralbum noch zwischen Wurzeln und Experiment schwankte, wirkt "Silver Bleeds The Black Sun…" wie die endgültige Festlegung. Das Album hat eine klare Identität, eine eigene Tonalität und ein durchgängiges Konzept, das nicht versucht, alte Fans zu versöhnen, sondern neue Klangräume zu öffnen. Dies macht den Reiz der Platte aus, aber auch ihre Herausforderung: Es ist ein Album, das man nicht nebenbei hören kann, sondern das eine gewisse Offenheit gegenüber seiner ätherischen, verlangsamt wirkenden Atmosphäre verlangt. Wird dieser Weg auch in Zukunft fortgesetzt, müsste man retrospektiv konsequenterweise zwischen dem AFI vor "Bodies" und dem AFI nach "Bodies" unterscheiden.
Gerade dieser Kontrast zum früheren Material macht eine finale Bewertung so schwierig. Für sich allein betrachtet ist "Silver Bleeds The Black Sun…" ein starkes, überzeugend produziertes Album, das handwerklich wie atmosphärisch locker eine 8,5 rechtfertigt. Es bietet tiefe Stimmungen, kluge Arrangements und einen stimmigen ästhetischen Rahmen. Doch im Kontext des bisherigen Schaffens der Band entsteht zwangsläufig eine Entfremdung: Wer den unverwechselbaren AFI-Charakter, die Dringlichkeit, den düsteren Punk-Anstrich und die emotionalen Eruptionen sucht, wird hier enttäuscht oder zumindest verwirrt zurückgelassen. Wer jedoch Lust auf eine Zeitreise in die Achtziger hat, auf melancholisch-versonnene Synthflächen und sanft glimmenden Dark-Wave-Pop, wird viel Freude daran finden.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Chris Schantzen


