ANGEL WITCH - Angel Witch
Mehr über Angel Witch
- Genre:
- Heavy Metal (NWoBHM)
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Bronze Records
- Release:
- 12.03.1980
- Angel Witch
- Atlantis
- White Witch
- Confused
- Sorcerers
- Gorgon
- Sweet Danger
- Free Man
- Angel Of Death
- Devil's Tower
NWoBHM Klassiker
Müsste ich das beste Album der NWoBHM wählen, fiele die Entscheidung ohne langes Zögern auf das Debüt von ANGEL WITCH. Für mich hat es bis heute keine andere Band geschafft, eine derartige Stimmung mit ihrer Musik zu erzeugen. Die extrem gelungene Kombination aus schleppenden Passagen und melodisch-treibenden Momenten, die man heutzutage leichtfertig als Mischung aus BLACK SABBATH und IRON MAIDEN abtun könnte, war zum damaligen Erscheinungstermin völlig einzigartig. Nicht allein, weil es IRON MAIDEN als Einfluss noch gar nicht gab. Obendrein hatte man bereits zu diesem frühen Zeitpunkt in der Bandhistorie den Eindruck, dass Mainman Kevin Heybourne eine sehr klare Vision von dem weiteren Weg seiner Band hatte. Da passte einfach alles zusammen: das gigantische Artwork, die okkult-mystischen Texte, die niemals platt klangen, das abwechslungsreiche Songwriting, welches trotzdem immer typisch klang, die völlig normale Singstimme des Leaders und das quasi nicht existente Image der Band. Nette Jungs von Nebenan mit einer musikalischen Idee. Ohne jetzt weiter auf den suboptimalen Verlauf der weiteren Bandkarriere einzugehen, sei nur erwähnt, dass permanente Besetzungsprobleme nicht dazu führen wollten, dass Kevin mit seinen Engelshexen wirklich erfolgreich wurde. Ein Trauerspiel bei dieser musikalischen Qualität! Immer wieder tauchte der gute Mann mit verschiedenen Musikern aus der Versenkung auf und spielte umjubelte Festivalauftritte. Jedes Mal hatte man ein bisschen Hoffnung, dass es nun noch einmal losgehen würde, aber jedes Mal versandete die Band im Nirwana. So verliert die Band ihren ursprünglichen Plattenvertrag mit dem Major EMI, nachdem ihre erste Single "Sweet Danger" nur für eine Woche auf Platz 25 der britischen Charts verweilen kann. Da die 7” aber sehr großen Zuspruch seitens der Fans bekommt, wird die Band von Bronze Records unter Vertrag genommen und so erscheint dieser erste Longplayer am 12.03.1980.
Passend verziert vom Gemälde “Fallen Angels Entering Pandemonium” bietet dieses Album alles, was ein Freund harter Stromgitarrenmusik hören möchte. Schon das eröffnende 'Angel Witch' ist eine Hymne, die bis zum heutigen Tage jeder Headbanger auswendig mitsingen kann. Wenn die Scheibe mit ihrem "Bumm! BummBumm!"-Rhythmus einsteigt, bin ich jedes Mal sofort Feuer und Flamme. Gitarrist und Sänger Kevin Heybourne, dessen Vater die Band gemanagt hat, hat das richtige Gespür für zündende Riffs und die dazu gehörigen Melodien. So ist die besagte Hymne trotz ihres vermeintlich simplen Charakters und der häufigen Chorus-Wiederholungen ein Feuerwerk an Spielwitz und Energie. Das okkulte Image, mit welchem die Band die ganze Zeit spielt, setzt sich natürlich auch in den Texten fort. Dementsprechend werden in der Presse Vergleiche mit BLACK SABBATH genannt, die ich aber nur in der Effiizienz der Kompositionen höre. Die Musik von ANGEL WITCH ist vorwiegend recht flott, dabei aber immer immens wuchtig und hackend. So knallt das anschließende 'Atlantis' von Beginn an mächtig aggressiv aus den Boxen. Drummer Dave Hogg verdrischt sein Instrument nach allen Regeln der Kunst, ohne besonders schnell zu werden. Die schönen, meist mehrstimmigen Refrains setzen feine Kontrapunkte hierzu, so dass auch dieser Song schnell zum beliebten Kopfschüttler wird. Man bekommt schnell den Eindruck, dass hier sehr viel Zeit in die Liebe zum Detail investiert wurde, denn nicht nur die Musik ist wunderbar verspielt.
Auch im flinken 'White Witch'’ geschieht musikalisch unheimlich viel. Auffällig ist die variable Stimme von Kevin, der sowohl klar und melodisch, aber auch schrill und beinahe ekstatisch singen kann. Kontraste, die die Musik der Engelshexen bereichern. So auch in dieser Nummer, die durch eine großartige, atmosphärische Akustikpassage in der Mitte aufgelockert wird. Beim Thema "Hexenverbrennung" beinahe etwas paradox. 'Confused' kracht danach brachial und stampfend über den Hörer her. Der immer prägnante Bass von Kevin Riddles brummt schön treibend vor sich hin und agiert, wie auch an vielen anderen Stellen,
beinahe wie eine zweite Gitarre. Insgesamt handelt es sich hierbei aber um eine der etwas weniger zwingenden Nummern des Albums. Ganz anders klingt das mächtige 'Sorcerers'. In diesem düsteren Schlachtschiff bewegt sich das Trio auf doomigen Gewässern. Sphärische, wie gezupft klingende Säuselgitarren wechseln sich mit schweren Riffs ab, die von düsteren Orgelklängen unterlegt sind. Nach drei Minuten wird dann abrupt das Tempo angehoben und Kevin verwöhnt den Zuhörer mit einem herrlichen Solo, bevor es dann sogar noch ein kurzes Spotlight auf das Tasteninstrument gibt. Überraschend! Das knackige 'Gorgon' ist dann wieder so eine Liverakete, die sofort mit einem kleinen Gitarrensolo über treibendem Riffiing los fegt. Auch hier wechselt die Band geschickt vom beinahe furiosen Verstempo zu getragener Rhythmik im Chorus. Ein Stilmittel, welches auch diesen Song unheimlich abwechslungsreich klingen lässt. Der Text über diese Gestalt der griechischen Mythologie ist passend dazu recht derbe und wird von kleinen akustischen Details liebevoll unterstützt. So hat man bei der letzten Zeile "he killed the one that he loved" Angst, Kevin würde seinen Verstand verlieren, so ekstatisch klingt er hier. Die nun anschließende Singlenummer 'Sweet Danger' ist dagegen tatsächlich etwas unscheinbar. Ein flotter Rocker, der gut ins Ohr geht und dort auch schnell haften bleibt. Dagegen kann 'Free Man' dann aber wieder mit herrlichem Aufbau punkten. Eine melancholische Halbballade, die kitschfrei und im typischen ANGEL-WITCH-Sound aus den Boxen dröhnt. Bilder eines englischen Gefängnisses an einem grauen Herbsttag ziehen vor dem geistigen Auge entlang. Schön schaurig.
Was nun folgt ist der beste Song mit dem Titel 'Angel Of Death'. Kein Scherz! So sehr ich SLAYER liebe, so sehr vergöttere ich diesen Brecher hier. Schwere Orgelakkorde duellieren sich mit noch schwereren Gitarrenriffs, dazu ein fast stoisch pumpender Basslauf und ein permanent nach vorn preschendes Schlagzeugspiel. Dazu ein Gesang, der immer wieder kurz vor dem Wegbrechen scheint und an Peilgeräusche erinnernde Schlusssoli. All das ergibt zusammen meinen absoluten Favoriten dieses an Höhepunkten nicht armen Albums. 'Devil’s Tower' beschließt das Album dann instrumental und hinterlässt den Hörer glücklich und zufrieden. Nicht ohne Grund zählt dieses Album unter Musikern zu den ganz großen Referenz-Werken des Heavy Metals, denn es gibt nur wenige Scheiben, die in ihrem Gesamtpaket so dicht an dem Prädikat "perfekt" stehen. Der erdige, allen Instrumente eine gleichbedeutende Rolle zukommen lassende Klang von Knöpfchendreher Martin Smith, ist gleichzeitig roh und doch transparent.
Von den vielen erhältlichen Versionen ist besonders die Jubiläumsausgabe zum 25. Jahrestag von Castle Communications, die neben dem normalen Album noch sämtliche B-Seiten, Samplerbeiträge, sowie die "BBC Friday Rock Show"-Sessions beinhaltet.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae