ANNIHILATOR - All For You
Mehr über Annihilator
- Genre:
- Power Metal
- Label:
- AFM Records
- Release:
- 24.05.2004
- All For You
- Dr. Psycho
- Demon Dance
- The One
- Bled
- Both Of Me
- Rage Absolute
- Holding On
- Nightmare Factory
- Sound Of Horror
Auch wenn sich die Befürchtungen, die ich nach der recht experimentellen Vorab-Single "The One" berechtigterweise hatte, nicht ganz eingestellt haben, so bin ich doch ziemlich enttäuscht vom neuen ANNIHILATOR-Album. Gut, so eine Hammerscheibe wie das vorangegangene "Waking The Fury" spielt man sicherlich nicht alle Tage ein, und dass es Änderungen im Sound der kanadischen Power-Thrasher geben würde, war nach den Umbesetzungen am Mikrophon und Schlagzeug auch zu erwarten, aber dass sich dies so gravierend auf den Gesamtsound auswirken würde, war im Vorfeld nicht abzusehen, gerade weil eben Jeff Waters diesmal ganz alleine für das Songwriting verantwortlich zeichnet.
Der Bandchef selber bezeichnet "All For You" als das bisher persönlichste Album seiner Band und vergleicht es vom Qualitätsstandard her schon mit den ersten beiden Kult-Alben "Alice In Hell" und "Never, Neverland", ist sich darüber hinaus sogar sicher, das wahrscheinlich beste ANNIHILATOR-Album überhaupt gheschrieben zu haben.
Nun, lieber Jeff, da muss ich leider heftigst widersprechen, denn so geniale Momente, wie sie auf diesen beiden Alben en masse zu finden waren, muss man auf "All For You" mit der Lupe suchen. Gerade der Wechsel des Frontmanns hat Waters an manchen Stellen das Genick gebrochen, da Neuzugang Dave Padden gerade bei den heftigeren Kompositionen des Öfteren patzt und dem wuchtigen Organ eines Joe Comeau zu keinem Zeitpunkt das Wasser reichen kann. Besonders deutlich wird dies beim Midtempo-Thrasher `Demon Dance´, das zwar gewohnt gute und auch bandtypische Riffs beinhaltet, aber insgesamt am zu drucklosen Gesang des neuen Sängers scheitert.
Doch auch in Sachen Songwriting gibt es auf dem neuen Silberling einige Ausfälle zu bezeichnen. Gleich der Titelsong braucht eine ganze Weile, bis man sich mit ihm anfreunden kann und klingt zunächst wie eine B-Seite der melodischeren "Set The World On Fire"-Scheibe, kann aber nach mehreren Durchläufen doch akzeptiert werden. Auch das experimentelle `Nightmare Factory´ mit seinen komisch abgehackten Riffs ist einer der schwächeren Momente, zeigt aber wenigstens den Sänger in besserer Verfassung, da dieser hier den Balanceakt zwischen düsteren Vocals und Thrash-Shouts gut meistert - genau so hatte ich den Jungen auch noch von den letztjährigen Festivals in Erinnerung!
Meiner Meinung nach überflüssig ist das abschließende Instrumental `Sound Of Horror´, das ziemlich eindruckslos vorbeirauscht und gegen diverse Instrumentalpassagen aus der Vergangenheit wie ein dünnes Pfeifen klingt.
Doch kommen wir zur besseren Seite dieses Albums. Da wäre zuerst einmal der bereits von der EP bekannte Vollgas-Thrash-Song `Rage Absolute´, die einzige Nummer, bei der Dave Padden seinen Vorgänger komplett vergessen macht und zu der sich insgesamt auch am besten die Birne schütteln lässt. Derartig Nummern hätten ruhig in größerer Anzahl auf dem Album stehen können. Weiterhin sehr cool ist das stampfende `Bled´, das dazu auch ziemlich eingängig gestaltet wurde und zu den melodischeren Nummern dieser Platte gehört. `Both Of Me´ nervt zunächst mit einigen komischen gesprochenen Passagen in Verbindung mit ruhigen Gitarren, steigert sich aber mit laufender Spielzeit immer weiter in einen typischen ANNIHILATOR-Banger und ist eines der viel zu wenigen Highlights auf "All For You".
Über `The One´ und `Holding On´ wird es sicherlich arg zwiespältige Meinungen geben. Beide Songs sind sehr emotional und ruhig und betonen genau das, was Waters mit seiner persönlichsten Seite meint. Padden zeigt sich als äußerst gefühlvoller Sänger mit einem Gespür für tolle Melodien und kann hier auch auf voller Linie überzeugen. Auch die Songs an sich sind sehr stark, nur stellt sich die Frage, ob derartige Nummern überhaupt auf eine Platte dieser Band gehören. Zugegeben, ich bin in dieser Hinsicht normalerweise sehr engstirnig, habe mich aber mit beiden Stücken mittlerweile sehr gut angefreundet und zähle sie zu den weiteren Höhepunkten von "All For You". Fans der ersten Stunde werden dies sicherlich anders sehen, sollten `The One´ und `Holding On´ aber auf jeden Fall eine Chance geben.
Trotzdem kann sich diese Platte nicht in eine Reihe mit den letzten Veröffentlichungen setzen, da hier einfach zu viel Mittelmäßiges vertreten ist. Zwar ist "All For You" kein weiterer Abrutsch wie seinerzeit "Remains", jedoch haben die Fans es hier mit einem äußerst experimentierfreudigen und ziemlich gewöhnungsbedürftigen Album zu tun, das den hohen Ansprüchen, die man an eine Band wie ANNIHILATOR stellt, nur streckenweise gerecht werden kann. Hoffentlich überzeugen uns Waters und Co. auf der nächsten Tour vom Gegenteil und beweisen uns, dass die neuen Songs wenigstens auf der Bühne kräftig Arsch treten - auf dem Album tun sie es jedenfalls nur bedingt!
Anspieltipps: Rage Abgsolute, Holding On, Both Of Me
- Redakteur:
- Björn Backes