APRIL ART - Rodeo
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/24
Mehr über April Art
- Genre:
- Nu Metal / Crossover
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Reaper Entertainment
- Release:
- 04.10.2024
- Rodeo
- Burn
- Who I Never Meant To Be
- Not Sorry
- On Your Side
- Jackhammer
- Let Em Go
- Head Up High
- Not Afraid
- Not Sorry (Acoustic)
- Change Part II
So wird moderner Metal gemacht! Punkt.
Es war ein Stream vom WDR Rockpalast, der während der Corona-Zeiten meine Aufmerksamkeit erregte und APRIL ART aus dem Stand auf mein musikalisches Radar katapultierte. Das Album "Pokerface" aus dem Jahr 2022 untermauerte schlussendlich den hervorragenden Eindruck der Liveshow und schlussendlich konnte ich mir im Mai 2023 auch höchspersönlich in Köln einen Eindruck von der schier grenzenlosen Energie machen, die Frontfrau Lisa-Marie Watz und ihre Mistreiter bei ihren Konzerten versprühen. Dass ich nun natürlich auch sehr gespannt auf das neue Album "Rodeo" warte, versteht sich angesichts dieser Vorgeschichte fast schon von selbst.
Grenzenlos war die Euphorie angesichts der vorab veröffentlichten Singles allerdings nicht, denn der ausgekoppelte Titeltrack war zwar gewohntes APRIL ART-Futter, ließ aber zumindest für mich irgendwie die ganz große Hookline im ersten Moment vermissen. 'Jackhammer' hat dagegen zwar einen durchaus ansteckenden Ohrwurm im Gepäck, die eingeschobenen Dance-Synthesizer, die mich auch heute noch an die schlimmsten Momente von ELECTRIC CALLBOY denken lassen, machten mir den Track aber irgendwie madig. Für eine Band, die so gekonnt den Zeitgeist der frühen Zweitausender in ihrem von Crossover und Nu Metal geprägten Sound in die heutige Zeit bringt, wirkte das etwas zu sehr wie eine Anbiederung an heutige Trends. Betrachtet man "Rodeo" aber im Ganzen, dann bleibt gerade 'Jackhammer' doch ein musikalischer Ausreißer, den man angesichts der sonstigen Klasse locker verschmerzen kann.
Über die gesamte Albumdistanz betrachtet haben die Hessen nämlich mehr Volltreffer im Gepäck, als auf jedem vorherigen Langdreher. Ganz besonders hat sich dabei 'Burn' in meine Gehirnwindungen gebrannt, denn die Nummer hat alles, was ein guter Song haben muss. Das Gitarrenriff ist catchy und lässt automatisch die Nackenmuskulatur zucken, obendrauf gibt es ein Gitarrenlead, das sich sofort festbrennt und Lisa-Marie singt mir ihrer herrlich rauen Stimme in Strophen bissig, nur um im Refrain mit ordentlich Druck eine grandiose Hookline zu servieren. In den MTV-Hochzeiten anno 2002 hätte der Vierer damit definitiv massiv abgeräumt. Knapp dahinter kommen 'Not Sorry' und 'Head Up High' über die Zielline, wobei Lisa-Marie im erstgenannten Track auch ihren Sprechgesang zur Schau stellt, der schließlich Kollegen wie LIMP BIZKIT ins musikalische Boot holt und sich perfekt ins Gesamtbild einfügt. 'Not Afraid' gibt sich dagegen mit seinen wuchtigen Riffs als moderner Core-Djent-Grenzgänger, nur um im Refrain doch wieder die Kurve hin zum unheimlich eingängigen Alternative-Volltreffer zu bekommen. Und ja, selbst der Titeltrack, mit dem ich zuerst so meine Probleme hatte, funktioniert im Albumkontext als Opener ziemlich gut, was übrigens auch für die eher ungewohnt melancholisch angehauchten Nummern 'On Your Side' und 'Who I Never Meant To Be' gilt, die primär von einer prägnanten Lead-Gitarre leben und eine durchaus ungewohnte Seite des Bandsounds zeigen.
Die Wahl von Anspieltipps fällt schlussendlich auch nicht wirklich leicht, denn abgesehen vom tanzbaren 'Jackhammer', mit dem ich auch nach mehreren Anläufen nicht restlos warm geworden bin, und 'Change Part II', das für mich nicht an den schmissigen ersten Teil herankommt, ist praktisch jede Nummer auf "Rodeo" ein echter Hit. Das schließt übrigens explizit auch die Akustikversion von 'Not Sorry' ein, die eindrucksvoll beweist, dass sich APRIL ART eben nicht auf moderne Produktion, Soundspielereien und wuchtige Riffs verlassen muss, um zu überzeugen. Ein toller Song funktioniert in jedem Gewand, weshalb 'Not Sorry' auch in ungewohnter musikalischer Kulisse ein echter Volltreffer ist.
Die Tradtionalisten, die schon Ende der Neunziger und in den frühen Nullerjahren graue Haare angesichts der Crossover- und Nu-Metal-Welle bekommen haben, kann ich angesichts von "Rodeo" in der Ferne schon wieder nörgeln hören. Doch das wird nicht verhindern, dass die Hessen mit diesem Kracher von einem Album immer weiter auf den Billings der großen Festivals nach oben wandern werden. Ich freue mich darauf, denn ich sehe viel lieber eine Band, die so symphatisch, mit massig Energie und mit viel Herzblut ihre tollen Songs zelebriert, als noch einem Retro-Metal-Act zu lauschen, der jedes bekannte Heavy-Metal-Klischee zum hundertsten Mal aufkocht. Zur Höchstnote reicht's wegen zweier schwächerer Songs am Ende nicht, aber 9,5 Zähler hat diese Hit-Sammlung locker verdient. Dass ich dann auch im Dezember in Köln erneut am Start sein werde, um mich von den Bühnenqualitäten der neuen Tracks zu überzeugen, versteht sich da von selbst.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Tobias Dahs