ARCHITECTS - Hollow Crown
Mehr über Architects
- Genre:
- Progressive Metalcore
- Label:
- Century Media / EMI
- Release:
- 20.02.2009
- Earl Grave
- Dethroned
- Numbers Count For Nothing
- Follow The Water
- In Elegance
- We're All Alone
- Borrowed Time
- Every Last Breath
- One Of These Days
- Dead March
- Left With A Last Minute
- Hollow Crown
<strong>Lasst Euch nicht täuschen, liebes Publikum! Seid bedächtig! Blendwerk ist im Umlauf. Architekten sind nicht mehr das, für was sie sich ausgeben!</strong>
Metalcore. An jeder Ecke Metalcore. Metalcore… das ist Modernismus, Trendsettertum und ein Gewebe kurzlebiger Allmachtsphantasien, aber auch qualitativ hochwertige, ultramoshbare, mit 10.000 Volt aufgeladene Powermusik. Die gesamte Geschichte ist schon im Anfangsstadium eine sehr ambivalente und widersprüchliche gewesen. Da verwundert es auch überhaupt nicht, dass die immer weiter reichenden, sich nahezu selbstständig entwickelnden Querbeziehungen und sich durch orgasmische Verschmelzung auszeichnende Scheu zum Anderen überwindende Partnerschaften zwischen Heavy Metal und Hardcore aufs Wildeste grassieren und Glücklichste prosperieren. Und des Öfteren passiert’s sogar, dass aus dem Untergrund-Dickicht so manch miefig triefende Überflüssigkeit zu Tage tritt, ja förmlich in die schwermetallische Grundwasserversorgung hinein fließt und die öffentlichen Brunnen heimlich toxisch infiltriert.
Ich will nicht behaupten, das hier vorliegende Silberscheibchen "Hollow Crown" von Englands neuestem Exportschlager ARCHITECTS sei nichts weiter als total unkreativ und abgeschlafft vor sich herstolzierende Tonholzerei, aber wenn man den mittlerweile extrem übersättigten Markt der New Wave Of American Heavy Metal zum hauptsächlichen Kriterium der Untersuchung annimmt und mehr als berechtigte Vergleiche mit bereits etablierten Mannschaften anstellt, wird schnell sicht- und hörbar, dass es sich bei den pseudoarchitektonischen Zusammenschustereien von dieser britischen Truppe um austauschbare musische Ergüsse handelt, die so kaum austauschbarer sein könnten. Die Band ist technisch definitiv fit, doch von Virtuosentum kann man in Anbetracht der stets prätentiöser, präziser und penetrant-professioneller werdenden modernen Spielart der Konkurrenz von dem Uhrwerkgepolter dieser britischen Metalkern-Architekten nun wirklich nicht sprechen. Was an diesem Werk aber noch viel schlimmer als die Austauschbarkeit ist, ist die mangelhafte Singbarkeit und Catchyness des Materials. Selbstverständlich ist die Spielart Mathcore/Progressive Metalcore, die sich der Band anscheinend verpflichtet fühlt, nicht unbedingt auf poppige Eingängigkeit oder rhythmischen Minimalismus getrimmt, doch fehlen den Songs so etwas wie Individualität und Wiedererkennungswert. An welcher Stelle soll bitteschön ARCHITECTS zu hören sein? Das fragt man sich zu Recht. Denn charakteristische, von anderen abhebende Merkmale sucht man vergebens. Nicht eine Gesangslinie, nicht ein Drumbeat, nicht ein Riff oder ein Phrase bleiben hängen; ganz nach dem Motto „ins eine Ohr rein, ins andere wieder raus“. Und auch der progressivistische Anspruch schießt lauter Eigentore. Halbgare Polyrhythmen, mathematisch gebrochene Abläufe und kleinere Experimente machen den Braten eben noch lange nicht fett! Selbst nach mehrmaligen Durchläufen wächst kaum bis gar kein Zündstoff aus den mit unbekannter Chemie gestrecktem Synthiebenzin dieser Breakdown-Proleten. Ganz besonders enervierend und Erbrechen verursachend ist der an Popcharme angelehnte Singsang, der sich im Metalcore unabweisbar großer Beliebtheit erfreut. KILLSWITCH ENGAGE führten ihn ein, AS I LAY DYING entwickelten ihn weiter, SHADOWS FALL verunstalteten ihn, andere Bands wie THE SORROW kopierten ihn und kopieren ihn bis heute weiter – aufs Schamloseste. Wäre bei ARCHITECTS die Kopie frei von Schönheitsfehlern, könnte man darüber hinwegsehen, aber der Gesang ist so dermaßen kommerzpopverseucht und klischeehaft, das die Gehörfunktion der Ohren an Übersättigung zu leiden beginnen und eben deshalb das Trommelfell mit lauter Ohrenschmalz zukleistern – als Schutz versteht sich. Es ist echt traurig, was die Engländer sich hier zusammenstammeln. Es kann im Grunde genommen nur ein Versehen von Century Media gewesen sein, diese Band unter Vertrag genommen zu haben; hat das Label doch so einzigartig-funkelnde Edelsteine wie THE HAUNTED, BECOMING THE ARCHETYPE oder auch THE AGONIST im Programm. An der Leistung und Individualität dieser sollten sich ARCHITECTS einmal ein Beispiel nehmen, musikalisch sollten sie sich innerhalb ihrer Szene mal ein bisschen besser umsehen. WAR FROM A HARLOTS MOUTH, PROTEST THE HERO oder THE DILLINGER ESCAPE PLAN machen ihren Job wahrlich ausgezeichnet bis exzellent. ARCHITECTS nicht. Sie erfüllen gerade mal ihre täglichen, allzu alltäglichen Pflichten. Die industrialisierte Produktion unterstreicht dieses gediegene, unauffällige Pflichtgefühl mit Nachdruck.
Mit bäuerlicher Genügsamkeit ausgestattete Modern-Metal-Interessierte (die sich mit der dauerhaften emotionalen Ödnis und Langeweile längst abgefunden haben) könnten eventuell ihren Gefallen an "Hollow Crown" finden, nach persönlichem musikalischen Ausdruck Suchende jedoch mitnichten. Wer was Abgefahrenes oder wirklich Mathematisch-Progressives will, sollte mal 'Hollywood Squares' von bereits erwähnten THE DILLINGER ESCAPE PLAN anchecken. Das ist Innovation. Und selbstredend auch martialisch-avantgardistische Exaltation. Aber hier hatte auch Mike Patton seine Finger im Spiel. Vielleicht sollte dieser gerade deswegen einmal bei den Proben von ARCHITECTS reinplatzen und ihnen auf die Finger schauen. Dabei müsste er noch nicht einmal mehr als Produktionsassistent engagiert werden: ein kleiner, gut durchdachter Ratschlag von diesem anarchoindividualistischem Musikgenie würde schon um Längen ausreichen, um ARCHITECTS die Chance zu bieten eine ovidsche Metamorphose zu durchleben, die ihnen langfristige Existenzberechtigung gewährleistet. So wie sie jetzt sind, werden sie auf alle Fälle schnell weg vom Fenster sein. Mit ganz großer Sicherheit. Und einem nicht zu unterschätzenden Haufen voller kaputt getretener Scherben…
- Redakteur:
- Markus Sievers