AUGUST BURNS RED - Rescue & Restore
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/2013
Mehr über August Burns Red
- Genre:
- Metalcore
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Tooth & Nail Records/Solid State/Hassle
- Release:
- 28.06.2013
- Provision
- Treatment
- Spirit Breaker
- Count It All As Lost
- Sincerity
- Creative Captivity
- Fault Line
- Beauty In Tragedy
- Animals
- Echoes
- The First Step
Das menschliche Antlitz des Metalcore
Metalcore ist tot, es lebe... AUGUST BURNS RED. Seit Jahren schon genießt die Truppe aus Pennsylvania eine Art Sonderstatus im weiten Spannungsfeld zwischen Metal und Hardcore, vor allem aufgrund ihres Anspruchs, stets eine eigene anspruchsvolle, prägnante Form von metallischer Musik zu entwickeln, und dabei jede neue Platte klar vom Vorgängeralbum abzugrenzen. Im Vorfeld der Veröffentlichung von "Rescue & Restore" ließen die fünf Jungspunde nun wenig bescheiden verlauten, man wolle mit dem nun mehr fünften Output dem "Wahnsinn der Metalcore-Eintönigkeit" ein Ende setzen und "andere Bands und die Fans herausfordern". Nach mehr als einem Duzend Hördurchgängen bleibt festzuhalten: Die Konkurrenz ist düpiert; den großen Worten folgen wahrhaft große Taten. Und: "Rescue & Restore" beweist, dass Leadgitarrist JB Brubaker einer der unterbewertetsten Musiker und Songwriter auf diesem Planeten sein dürfte.
Wo "Messengers" noch ein reines Riff- und Breakdown-Gemetzel war und "Leveler" ein exotisch angehauchtes, am Anspruch der Band gemessen jedoch recht schlichtes Experiment darstellte, findet Album Nr. 5 zurück zur Tiefgründigkeit von "Constellations". Das wäre die erste gute Nachricht. Viel verblüffender ist jedoch die überragende melodische Grundausrichtung von "Rescue & Restore". Wer nun besserwisserisch lästert, dass sich doch jede Metalband von ihren rauen Anfangstagen weg zu eingängigeren Ausprägungen entwickelt, hat AUGUST BURNS RED anno 2013 noch nicht gehört. Was Mastermind JB Brubaker hier an Klangfolgen entwickelt und in das rhythmisch anspruchsvolle Riffing seiner Band einflicht, ist schlicht und einfach überirdisch. Es geht nicht um massentaugliche Eingängigkeit – hier werden komplexe Strukturen mit Melodien versehen, die die Welt teils noch nicht gehört hat. Da nun sowohl das Songwriting wieder deutlich vertrackter ausfällt und auch Jake Luhrs um ein Vielfaches souveräner schreit als noch auf "Leveler", performt die Band wieder viel näher an ihrer 2009er Genrereferenz "Constellations", entwickelt mit der gesteigerten Melodielastigkeit der Instrumentalfraktion allerdings eben ein ganz eigenes Standbein für ihr aktuelles Werk. Untermalt wird dieses festliche Spektakel dabei von Streichern und Akustikgitarren, was für sich genommen zwar auch bei Metalkapellen der härteren Gangart heutzutage keine Weltneuheit mehr darstellt – bei AUGUST BURNS RED bedient man sich allerdings erstmals den Stilmitteln klassischer Musik, und das mit verblüffender Souveränität. Selten zuvor haben kompromisslose Brachialität und himmlische Harmonien auf so wunderbare Weise zueinander gefunden.
Es fällt nicht leicht, einzelne Songs aus diesem in sich geschlossenen Gesamtkunstwerk hervorzuheben; exemplarisch soll dies dennoch geschehen: Mit 'Provision' steht ein obligatorischer AUGUST BURNS RED-Kracher am Anfang, dessen Wucht und Dynamik jeder Beschreibung spotten, und der ab der Songmitte eine jener oben erwähnten Gänsehautmelodien entfaltet und immer weiter ausspannt. Dieser Opener ist nicht nur eines der bislang besten Stücke aus dem Hause AUGUST BURNS RED, sondern schlicht um Welten überzeugender als fast alles, was artverwandte Bands bis heute veröffentlicht haben. Der Kontrapunkt 'Spirit Breaker' beginnt zunächst friedlich mit klaren Gitarrenklängen und süßlichen Streichern – eine Sekunde fühlt man sich an COLDPLAYs 'Viva La Vida' erinnert - bis ein von Brubakers hochmelodiöser Leadgitarre angeführtes Riffgewitter ausbricht. Ja, Melodien überall, phänomenale Gitarrenläufe, und natürlich – es sei zumindest einmal erwähnt – Matt Greiners formidable Schlagzeugarbeit. Auch 'Fault Line' schlägt mit seinem simplen Riff in die neue Schiene, deutlich eingängiger als die meisten anderen Tracks – eine Single gehört schließlich auch auf ein AUGUST BURNS RED-Album. Aber bevor sich wieder ein ewiggestriger "Messengers"-Anhänger beschwert: 'Treatment' oder 'Count It All As Lost' beispielsweise sind trotz Streichereinlagen ultraharte Metalbretter, die sich nahtlos in das 2007er Zweitwerk der Amis einfügen würden, wären sie 'Backburner' & Co nicht so hochgradig überlegen. Ein Knaller jagt den anderen, voller Energie und unbestechlicher Kreativität. Da man sich auch in Sachen Sound und Produktion verglichen mit "Leveler" deutlich verbessert zeigt, kann, ja muss "Rescue & Restore" das Prädikat "Meilenstein" verliehen werden. Vergleiche mit der Konkurrenz sind fehl am Platz; AUGUST BURNS RED spielt anno 2013 in einer ganz eigenen Liga.
Und dennoch würde ich meine rechte Hand darauf verwetten, dass das Album bei vielen Fans auf Ablehnung stoßen wird. Wie schon eingangs erwähnt: Brubaker und seine Jungs scheren sich nicht um Althergebrachtes. Teilweise klingen ihre neuen Songs so süßlich, stellenweise engelsgleich harmonisch, dass sich Anhänger der Anfangstage der Band mit Grausen abwenden werden. Dabei bedarf es schlicht einer erweiterten Perspektive. Das hier ist MUSIK! Nicht nur Metal, nicht nur Core. Viel größer, übergeordneter, unabhängiger. Ergreifend, mitreissend, durch und durch menschlich – wen interessiert da noch, was vor ein paar Jahren mal angesagt war? Einzig über die Verwendung der klassischen Instrumentierung kann man meiner Meinung nach streiten, denn gewissermaßen liegt in diesen vermeintlich exotischen Elementen der - wenn überhaupt - einzige gewöhnliche Aspekt von "Rescue & Restore". Um Konventionen zu brechen und neue Maßstäbe zu setzen, hätte der ambitionierte Fünfer womöglich nicht eine einzige Geige gebraucht – das Songwriting und die Melodien für sich sind schon bahnbrechend genug. Aber wer will angesichts dieser überragenden Demonstration musikalischen Könnens hierüber klagen? Ja, wer hätte gedacht, dass einer schwermetallischen Produktion tatsächlich eines Tages das Attribut "schön" angeheftet werden könnte? Metalcore ist tot...
Anspieltipps: Provision, Spirit Breaker, Treatment, Beauty In Tragedy
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Timon Krause