AVANTASIA - Angel Of Babylon/The Wicked Symphony
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2010
Mehr über Avantasia
- Genre:
- Melodic Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Nuclear Blast (Warner)
- Release:
- 02.04.2010
- Stargazers
- Angel Of Babylon
- Your Love Is Evil
- Death Is Just A Feeling
- Rat Race
- Down In The Dark
- Blowing Out The Flame
- Symphony Of Life
- Alone I Remember
- Promised Land
- Journey To Arcadia
- The Wicked Symphony
- Wastelands
- Scales Of Justice
- Dying For An Angel
- Blizzard On A Broken Mirror
- Runaway Train
- Crestfallen
- Forever Is A Long Time
- Black Wings
- States Of Matter
- The Edge
Tobias Sammet lädt uns in seine musikalische Achterbahn ein - alles anschnallen, der Trip in die Ewigkeit kann beginnen!
Gehen wir zunächst ein Stück zurück in der Geschichte – es war das Jahr 2001 als Tobias Sammet seine "Metal Opera" veröffentlicht und die Metal-Welt ihm zu Füßen lag. Sein turbulenter Power Metal brachte Frauenherzen zum schmelzen und Männerschädel zum kreisen. Nur ein Jahr später erschien "Metal Opera Pt. II" und manifestierte die Legende von AVANTASIA. Danach schien dieses Kapitel beendet und Tobi erklärte, dieses Projekt für alle Zeiten ruhen zu lassen. Doch im Jahr 2007 weckte er die Bestie erneut und lieferte Mit "The Scarecrow" ein drittes AVANTASIA-Album. Die Meinungen waren diesmal gespalten. Einerseits wurde die große Reife und die künstlerische Weiterentwicklung gelobt, auf der anderen Seite vermisste man die jugendliche Leichtigkeit, die einem gestandenen Rockalbum Platz machen musste.
Wir schreiben das Jahr 2010 und die Meldung über zwei weitere Alben machte große Schlagzeilen. Wer würde dieses Mal zusammen mit Tobi hinter dem Mikro stehen, lautete eine der vielen Fragen – und würde er das hohe Niveau von "The Scarecrow" halten können? Vorhang auf für "The Wicked Symphony" - rein in das Abenteuer!
Mit dem Titeltrack fährt Tobi gleich ganz großes Kino auf. Dicke Bläser und ausufernde Strukturen führen zur ersten Achterbahn des Albums. Zusammen mit Jorn Lande, Russell Allen und Oliver Hartman zelebriert Tobi einen fast zehnminütige Epos, der sich sofort ins Hirn brennt und den Hörer direkt in die tobenden Wellen von "The Wicked Symphony" wirft. Ein wenig nervenschonender wird es mit dem folgenden 'Wastelands', bei dem sich Michael Kiske hinter das Mikro stellt. Gesanglich topp geht der Track jedoch nach dem furiosen Opener etwas unter. Erst Tim Owens reißt den Hörer aus den Erinnerungen an den Beginn: 'Scales Of Justice' brettert in bester ICED EARTH-Manier aus den Boxen. Einzig der blutarme Mittelteil mag nicht so recht passen.
Mit der ersten Single 'Dying For An Angel' hat Tobi alles richtig gemacht. Ein eingängiger, überschaubarer und geradliniger Track, der mit SCORPIONS-Frontmann Klaus Meine den idealen Partner am Mikro hat. Hier zeigt sich wieder die Wahrheit, dass gerade die einfachen die genialen Dinge sind. Ein richtig starker Rocksong – nicht mehr aber auch garantiert nicht weniger. Es beginnt im Anschluss ein ganz klein wenig progig zu werden – 'Blizzard On A Broken Mountain' und vor allem das fast neunminütige 'Runaway Train' (Jorn Lande schmachtet wie ein junger Gott) zeigen AVANTASIA wieder von ihrer komplexen Seite. Das folgende 'Crestfallen' ist wohl der ungewöhnlichste Song der beiden Scheiben und wird die Meinungen sicher spalten. Monotone Keyboards treffen auf eine fette Gitarrenwand und einen sehr düsteren, choralen Refrain – anders, aber daher auch höchst interessant.
Bei 'Forever Is A Long Time' zeigt Jorn Lande, warum er zu den besten Sängern des Universums zählt. Aus einem kleinen musikalischen Leckerbissen, zaubert er eine mitreißende Rock-Nummer, die im Sommer jedes Cabrio zum Mitgrölen bewegen sollte. Nach dem schleppenden und bedrohlichen 'Black Wings' geht es qualitativ noch einmal in ganz hohe Sphären. 'States Of Mattern' ist im Grunde ein völlig simpel gestrickter Song, der jedoch durch seine Dynamik und Präsenz sofort im Ohr hängen bleibt und auf lange Sicht wohl einer der meist frequentierten Tracks auf "The Wicked Symphony" werden wird. Das abschließende 'The Edge' packt eine gelungene Powerballade auf den Tisch und lässt "The Wicked Symphony" hochklassig abschließen.
Aber wer rastet, der rostet – "The Wicked Symphony" hat nun Pause und "Angel Of Babylon" darf seinen Triumphzug antreten. Wie bei seinem Pendant beginnt das Werk mit einem überlangen Opus. Im Gegensatz zu 'The Wicked Symphony' ist 'Stargazers' leider nur im Durchschnitt anzusiedeln. Zwar können erneut die stimmliche Performances von Russel Allen und Michael Kiske überzeugen, aber dem zu berechenbaren Chorus mögen auch sie nicht zum Glänzen verhelfen. Doch mit dem anschließenden Titeltrack geht es erst richtig los. Tobi kommt in Fahrt und schmettert zusammen mit Jorn Lande einen erneut recht simplen aber umso energischeren Song aus den Boxen, das einem der Finger wie von Geisterhand auf die Repeat-Taste rutscht. Genau wie das folgende 'Your Love Is Evil' – kein sinnloser Bombast, kein kitschiger Megarefrain, einfach ein stark vorgetragener Rock-Song. Tobi zeigt deutlich, dass es eigentlich keine tausend Gastsänger benötigt, um einen starken AVANTASIA-Song auf die Platten zu bekommen – und für Männer, die manchmal an der Frauenwelt zweifeln, ist der Song ebenfalls zu empfehlen.
Mit 'Death Is Just A Feeling' krabbelt die Gänsehaut unaufhaltsam auf den Körper des Hörers. Jon Oliva zeigt sich von seiner allerbesten Seite und lehrt uns das Fürchten. Seine kranke Stimme passt sich dem horrormäßigen Beginn bestens an und mündet in einen Chorus, den Gott persönlich nicht hätte besser schreiben können. Atmosphärisch, orchestral und einfach überirdisch! Nach der Geisterbahn geht es ohne Umwege in die Achterbahn. Es ruckelt, es poltert und schüttelt unser Haupthaar kräftig durch – wir befinden uns inmitten des 'Rat Race'. Tobi und Jorn Lande ziehen jedoch sofort weiter und gelangen wieder in düstere Gefilde. 'Down In The Dark' ist ein kraftvoller Song, der aufgrund der nicht so recht zündenden Energierakete im Gesamteindruck etwas untergeht.
Endlich gibt uns Tobi mit 'Blowing Out The Flame' eine kleine Verschnaufpause, denn wer bisher die obligatorische Ballade vermisst hat, wird nun endlich fündig. Ein wunderbarer Aufbau, ein überzeugender Refrain, der mit einem ungewöhnlichen Gospel-Background zu punkten weiß. Für Fans der ruhigen Töne ein wahres Fest! Weiter geht es mit dem ungewöhnlichsten Track von "Angel Of Babylon": 'Symphony Of Life' wird nicht nur ausschließlich von der in Metal-Kreisen recht unbekannten Sängerin Cloudy Yang intoniert, sondern kommt auch arg pop-rockig um die Ecke. Assoziationen zu Bands wie EVANESCENCE oder auch EPICA werden wach. Die eigenwilligen Keyboardsounds tragen ihr Übriges dazu bei, dass dieser Song stark polarisieren wird. Nun wird es wieder klassisch. Südstaatenflair zieht bei 'Alone I Remember' auf, welches erneut durch das Duo Tobi-Lande zu überzeugen weiß. Ein erdiger Rocker, welcher in jeder Wüstenbar für dicke Eier und lüsterne Chicks sorgen wird. Wer beim ersten Durchlauf nun stutzt, dem sei gesagt, dass er anscheinend über ein gutes Gedächtnis verfügt. Denn 'Promised Land' erschien bereits auf der "Lost In Space"-EP. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Michi Kiske diesmal nicht von der Partie ist und Jorn Lande seinen Part übernommen hat. Dennoch ein toller Track, der auch zwei Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung nichts von seiner Schönheit verloren hat.
Leider sind wir nun schon beim großen Finale angekommen – und das hat es wirklich in sich - 'Journey To Arcadia'. Mit den sensibelsten Tönen der AVANTASIA-Historie beginnt die letzte Reise. Tobi, Jorn Lande, Russel Allen und Bob Catley gehen Arm in Arm dem Sonnenuntergang entgegen und geben dabei ohne Hast und Hektik ein wahrhaft grandioses Epos zum Besten. Nach etwas über sieben Minuten ist der Trip auch schon wieder zu Ende – doch wozu gibt es die Repeat-Taste?
Fazit: Mit "The Wicked Symphony" und "Angel Of Babylon" kann Tobias Sammet fast schon spielerisch leicht mit „The Scarecrow“ mithalten. Vor allem die beeindruckende Vielfalt begeistert. Mit jedem Durchlauf strahlt ein anderer Song heraus. Einen Anspieltipp kann man hier fast vergessen, denn jeder Song ist es wert, intensiv entdeckt zu werden. Tobias Sammet zeigt deutlich, warum er in Deutschland den Metal-Thron besetzt. Ein doppeltes Meisterwerk mit erheblicher Langzeitgarantie!
Anspieltipps: The Wicked Symphony, Death Is Just A Feeling, Journey To Arcadia
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Enrico Ahlig