BERGTHRON - Neu Asen Land
Mehr über Bergthron
- Genre:
- Progressive Pagan Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Trollzorn Records / Alive
- Release:
- 06.01.2025
- Skandinavische Expansion
- Aufbruch nach Neu Asen Land
- SOG
- Horizont in Flammen
- Schiffbruch im Sonnengrab
- Gefangene der Polarnacht
- Skaldenruhm erstarrt in Zeit
Verborgen in den Tiefen Neu Asen Lands: Geheimnisvoller geht es kaum ...
Wir müssen etwas früher ansetzen, etwa 30 Jahre früher. Ausloten, was möglich ist, bis zum Äußersten gehen. Und dabei immer geheimnisvoll bleiben. Wen wundert's, dass die Menschen hinter der sächsischen Band (zumindest die regionale Zuordnung ist bekannt) BERGTHRON immer im Dunkeln geblieben sind. Und das bis heute, denn selbst zum 30-jährigen Bandjubiläum weiß man eigentlich nichts über die Mitglieder. Das ist allerdings nicht hipsterhafte Verkünstelung, sondern ernsthaftes Bestreben der Musiker, seitdem sich 1997 "Verborgen in den Tiefen der Wälder …" sind, die Musik und ihre Kunst für sich stehen zu lassen.
Apropos Extreme: Zunächst begeisterte die Band mit für den Pagan Metal ungewöhnlichen Longtracks. Schon mit ihrem 1997er Debüt, einem rund 33-minütigen Epos, loteten BERGTHRON die Grenzen des jungen Genres aus und positionierten sich schnell an der Speerspitze der deutschen Ausprägung des Pagan Metal.
Ausloten, was im Genre möglich ist - oder wie man die Grenzen verschieben kann. Wir springen 13 Jahre weiter: "Expedition Autarktis" (2010) ist ein im besten Sinne experimentelles Album, das nicht nur mit der eigenen Diskographie bricht, sondern die Band endgültig in die Gefilde des extremen Progressive Metal führt. Songs wie 'Harpune 2010 (Loki)' klingen rau, direkt und strahlen gleichzeitig wie sonnenbeschienenes Packeis. Brachiales Riffing trifft auf hochemotionalen Klargesang, viele Fans sind begeistert, andere betrauern das endgültige Begräbnis der heidnisch-metallischen Tradition.
Dann zieht sich die Gruppe zurück. In die Wälder, in des Wotans Kult, unklar ist, ob in ihr noch "Leben und Lebenswille" steckt. Über das Warum gibt der Promotext zum überraschend angekündigten "Neu Asen Land" Aufschluss: Es habe sich nicht richtig angefühlt, 2010 direkt weiterzumachen. Während andere eine Schaffenspause von ein oder zwei Jahren einlegen, hat sich die Band - dem eigenen extremen Anspruch folgend - ganze zehn Jahre verordnet. Dann hat man sich wieder zusammengefunden und ohne äußere Einflüsse das Album eingespielt, das jetzt vorliegt.
Viel Vorgeschichte, aber sie ist wichtig, um auch die Genese dieser Band zu verstehen. Wenn etwas in der 30-jährigen Bandgeschichte Bestand hat, dann ist es die lyrische Auseinandersetzung mit der nordischen Mythologie. Gleich im ersten Lied nimmt BERGTHRON den Hörer mit auf die rauen Planken einer 'Skandinavischen Expedition', rhythmischer Klargesang führt uns hinaus aufs offene Meer. Es ist der 'Aufbruch nach Neu Asen Land'. Hier summen die Gitarren schnell, bellender Gangshout-Gesang kontrastiert mit epischem, hymnenhaftem Gesang im Mittelteil des Liedes.
Vergleichbare Entwicklungen kennen wir von Bands wie ULVER (die Band ist nun endgültig im Elektronischen angekommen) oder ENSLAVED (hier scheinen zumindest noch die Viking-Wurzeln durch). Denn auch BERGHTRON hat schon früh Klargesang in den eigenen Sound eingeführt und Keyboards, die auch 2025 wieder zum Einsatz kommen, hören wir als zentrales Motiv schon auf dem Debüt von 1997. Die Frage ist nur, ob so eine Entwicklung auch die Fans mitnimmt?
Freunde des neuen Weges seit "Faust für Faust" werden sich auf im neuesten Kapitel der eiskalten Reise der Band sofort in die Schlachtreihe einreihen. Die Trademarks, die die Band auf den letzten drei Veröffentlichungen etabliert hat, sind auch hier zu hören. Aber alles wirkt etwas weniger hektisch, es tönt ausgereifter und insgesamt homogener. Dadurch entsteht ein neuer Gesamtsound, der aber nicht zu dem radikalen Bruch oder möglichen Neuanfang führt, den man nach zehn oder fünfzehn Jahren Pause hätte vermuten können.
Auf dem teils treibenden Metal-Fundament, teils dem Dark Folk oder Dark Wave entlehnten Elektroniksound baut BERGTHRON elegische Songkonstruktionen auf, die vor allem von den mehrstimmigen, emotional gesungenen Gesangsarrangements getragen werden. Hier lotet die Band ihre eigenen Möglichkeiten aus, setzt Grenzen im positiven Sinne neu. Mal klagend, mal fasziniert von der selbstgebauten Klangmonumentalität vermitteln die Songs eine eigentümliche, kraftvolle Melancholie. Als würde man von Dingen singen, die einen heute noch stark beeinflussen, aber vielleicht für immer verloren sind?
Herausgekommen ist ein Album, das die natürliche Erwartungshaltung, die sich nach einer so langen Pause zwangsläufig einstellt, durchaus einlösen kann. BERGTHRON nimmt die eigene Wildheit zugunsten einer neuen Reife zurück. Fans progressiver, experimenteller, neu-ART-iger Metal-Musik wie mir gefällt das, gerade, weil die Sachsen einen nicht generischen, wieder erkennbaren Sound kreieren. Hörer und Hörerinnen, denen das musikalische Konzept oder die Herangehensweise von BERGTHRON bisher fremd waren, werden auch 2025 keine Freunde dieser Musik sein.
In jedem Fall untermauert BERGTHRON mit dem neuesten Werk den Anspruch, zu den führenden deutschen Pagan-Metal-Bands zu gehören, wenn diese Genrezuordnung überhaupt noch passt. Das Album klingt gleichermaßen frisch und modern und versprüht dennoch ein einzigartige Nostalgie. Es schlägt eine Brücke zwischen dem Pagan-Sound des auslaufenden 20. Jahrhunderts und den Hörgewohnheiten, Grenzverschiebungen und experimentellen Erweiterungen des(/r) Genres in den vergangenen drei Jahrzehnten. Übrigens schließt die Band mit "Neu Asen Land" den Kreis zu ihrem eigenen Debüt auf ganz eigene Weise: Das sieben Songs umfassende 2025-Album entspricht etwa der Spielzeit des genau einen (!) Song umfassenden "Verborgen in den Tiefen der Wälder ...".
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Julian Rohrer