BETHLEHEM - Lebe dich leer
Mehr über Bethlehem
- Genre:
- Depressive Black Dark Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Prophecy Records
- Release:
- 17.05.2019
- Verdaut in klaffenden Mäulern
- Niemals mehr leben
- Ich weiß ich bin keins
- Wo alte Spinnen brüten
- Dämonisch im ersten Blitz
- Am gestrandeten Sinnen
- Ode an die obszöne Scheußlichkeit
- Aberwitzige Infraschall-Ritualistik
- Bartzitter Flumgerenne
Akustischer Fiebertraum
Zu einer Zeit, in der die Sonnenstrahlen die Welt erwärmen, die Tage wärmer und länger werden, in denen die Atmosphäre die Launen der Menschheit ein wenig erhält, kommt ein Album daher, dass für die Spielzeit von knapp 41 Minuten dichte, beängstigende Wolkenbrüche hervorruft, die Leute in einen kurzen Augenblick der blanken Angst und bedrückenden Panik dieser Atmosphäre schutzlos ausliefert und dafür sorgt, dass auch der mental Stabilste mit psychopathischem Grinsen nach dem Sinn und Unsinn der menschlichen Daseinsberechtigung fragt. Klingt ziemlich finster und düster, nicht wahr? Dann heiße ich euch in der Welt BETHLEHEMs Willkommen, einer Band, die seit ihrer Gründung 1991 im wunderschönen Grevenbroich mit den Genregrenzen Limbo tanzt und neue Maßstäbe in Sachen Dark-, Depressive Black- und Ambiente Metal setzt. Puh, nach diesem Einleitungstext brauche ich erst einmal einen Schnaps.
Den brauchte ich allerdings auch nach "Lebe dich leer", einer Platte, die mich ab der ersten Sekunde gepackt, komplett durchgeschüttelt, auf links gedreht und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hat. Erst dann habe ich gemerkt, dass es lediglich ein Traum war, ein beängstigend realer Traum in dem ich die Atmosphäre mit einem Messer hätte durchschneiden müssen, damit ich hinter diesem musikalischen Vorhang blicken kann. Dieser Groove, diese Welle, auf dem die Songs reiten, sich von der Düsterheit menschlicher Abgründe ernähren, nur um dann blitzartig zum Gegenangriff auszuholen und akustische Traumata auslösen – meine Güte, was ist "Lebe dich leer" ein faszinierendes, beklemmendes Atmosphärenalbum geworden! Schwer verdaulich, zugegeben, aber von der ersten bis zur letzten Sekunde hochfaszinierend.
BETHLEHEM setzt nun noch mehr auf Tiefgang: Seien es Melodien, teils epische, teils psychopathische Arrangements, Bombastmomente oder dezente Synthies, auf "Lebe dich leer" hat alles Hand und Fuß. Man ist abgeschottet von der Außenwelt, mal will man weinen, mal will man vor Wut gegen die Wand schlagen, mal fasziniert einen die Klinge eines Messers. Der Spielraum, in dem sich "Lebe dich leer" bewegt, ist immens. Vor allem sind es 'Verdaut in klaffenden Mäulern', 'Niemals mehr leben' oder auch 'Wo alte Spinnen brüten' und 'An gestrandeten Sinnen', die all die Kontraste und Gegensätze so wunderbar harmonisch miteinander verbinden. Dieser Achterbahnfahrt der Gefühle kann man einfach nicht widerstehen. Dazu kommen eben jene lyrischen Ergüsse der Besonderheit, für die die Band und allen voran natürlich Jürgen Bartsch in persona schon seit Anbeginn der Zeit gefeiert werden.
Wirklich einzelne Songs hervorzuheben, erübrigt sich, funktioniert "Lebe dich leer" doch als Ganzes. Die einzelnen Sequenzen und Puzzleteile sind sehr gut aufeinander abgestimmt, die Produktion so wunderbar erdig und warm und gleichzeitig so frisch und schaurig. Die Gänsehaut ist über 40 Minuten lang präsent und erst nach dem finalen 'Bartzitter Flumgerenne'-Ton kehrt langsam Normalität ein. Man kehrt zurück in Mutters Schoß, in das Hier und Jetzt, die wohlbehütete Realität. Aber auch nur um danach den Drang zu verspüren, sich auf ein Neues in dieses abenteuerliche Unterfangen namens "Lebe dich leer" zu stürzen und sich der Kunst (ich habe hier bewusst das Wort "Musik" nicht gewählt) BETHLEHEMs schutzlos auszuliefern.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marcel Rapp