BIRTH CONTROL - Operation
Mehr über Birth Control
- Genre:
- Krautrock
- Label:
- Ohr Records / Repertoire Records / Venus Records
- Release:
- 01.12.1997
- Stop Little Lady
- Just Before The Sun Will Rise
- The Work Is Done
- Flesh And Blood
- Pandemonium
- Let Us Do It Now
- Hope (CD Bonus Track 1997)
- Rollin' (CD Bonus Track 1997)
- The Work Is Done (CD Bonus Track 1997)
- What's Your Name (CD Bonus Track 1997)
- Believe In The Pill (CD Bonus Track 1997)
1968 gründete sich in Berlin eine noch recht obskure Band namens BIRTH CONTROL, welche sich in den folgenden Jahren einen bis heute anhaltenden Ruf als wahre Krautrockhelden erspielen sollte. Nach kurzen Gastspielen unter anderem von Hugo Egon Balder (genau, dieser schmuddlige Onkel aus dem Fernsehen) kristallisierte sich nach und nach ein festes Line-up heraus.
Und bereits 1970, im gleichen Jahr, in dem DEEP PURPLE auf der anderen Seite des Teiches ihren tiefstapelnd schlicht mit "In Rock" betitelten Klassiker des experimentellen (Orgel-)Hardrocks veröffentlichten, sorgten die Mannen um Bruno Frenzel in Deutschland für einen Skandal, indem sie ihr selbstbetiteltes Debütalbum in einer mit päpstlichem Bann belegten Pillendose auslieferten. Das sollte jedoch nicht das letzte Mal sein, dass die Band mit ihrem Coverartwork für Aufsehen sorgte.
Im darauffolgenden Jahr konnten erwartungsvolle Krautrockadepten ihren Meistern mit dem Kauf des Zweitwerkes "Operation" huldigen, für welches der Band immerhin die damals durchaus stolze Summe von 100.000 DM (Nu-Pagadi-Hörer mögen bitte ihre Eltern fragen, was sich hinter dieser seltsamen Abkürzung verbirgt...) von der Plattenfirma zur Produktionsfinanzierung vorgeschossen wurde. Die Investition sollte sich bezahlt machen, denn die Musik klingt auch eine Generation später noch immer verdammt gut, und das Coverartwork sorgte für eine weitere amüsante Anekdote: Besorgte Schweizer rissen vorsorglich die Tourplakate von den Bäumen, um der Band schon im Vorfeld die Möglichkeit zum Verderben der Jugend zu nehmen; im prüden England streikten gar die Packerinnen, weil es ihnen vor dem Anfassen des (bereits entschärften) Covermotivs, welches zwei gar schröckliche Lümmeltüten zeigte, ekelte.
Aber kommen wir nun zum Wichtigsten: der Musik.
Rhythmisch sehr offen und doch treibend setzt 'Stop Little Lady' ein und fährt schon bald die Orgel hoch, welche gläsern-flächige Klänge in bester 70er-Jahre-Manier beisteuern darf. Sehr psychedelisch klingen auch die angerösteten Gitarrenriffs, welche sich immer mal wieder unter den chilligen Spacerocksound mischen. Ein hart und bluesig rockendes Solo sowie der existenzialistische Gesang heben diesen mit stetigem Pluckerbass und understatementmäßiger Percussion/Drums recht spärlich instrumentierten Schredder-Rock-Song über die Kultmarke, während Schwade um Schwade betörender Orgeltöne am Ohr des Hörers vorbeizieht.
Ebenfalls oberhalb der Siebenminutenmarke pendelt sich 'Just Before The Sun Will Rise' ein, welches etwas entspannter im orgel- und drum-getragenen Psychedelia-Stil etwa der DOORS daherkommt. Der Gesang klingt hier sehr ätherisch und flächig, was hervorragend zur instrumentalen Begleitung und des eher versonnenen und erwartungsvollen Titels passt.
Der Klagegesang von 'The Work Is Done' wird eindrucksvoll vom warmen Bass und der aggressiven Orgel untermalt; metallisch dengelndes Schlagzeug und blecherne Gitarrenklänge unterstreichen die Zerrissenheit des auf Vietnam bezogenen Texts, welcher mit einem gewissen Tremolo in der Stimme jedoch sehr melodisch dargeboten wird, was die aus zahlreichen Tempowechseln herrührende Spannung nur unterstützt. Auch das unterkühlte Tastensolo sorgt für Gänsehautstimmung.
Ein wenig freakiger wird es bereits mit dem beinahe schon gehetzt wirkenden 'Flesh and Blood', einem drum&pluckerbassgetriebenen Stück im typischen 70er-Jahre-Rock-Sound, welches doch sehr an DEEP PURPLE erinnert.
Richtig wild wuchernd geht es aber erst zur Sache, wenn BIRTH CONTROL ihr 'Pandemonium' entfesseln, ein psychedelisch durchtriebenes Etwas zwischen beschwörendem Rock, bluesigem Marsch, okkultem Hardrock und toxischer Orgelorgie.
Das Album klingt dann jedoch gediegen aus mit 'Let Us Do It Now', einer Art zärtlich-lyrischem Kuschelrock-Bolero, welcher von klassischen Pianopassagen über filmreife Bläsersätze und JEFF BUCKLEY vorwegnehmendem Gesang bis hin zu angejazztem Cembalo mit so ziemlich allem aufwartet, was man sich so wünschen mag, ohne dass das Stück darob zu einem überfrachtetem Kunstklumpen Schnulz verkommt.
Wer das Teil noch als Originalvinyl in die Pfoten bekommen möchte, wird mittlerweile wohl deutlich mehr als nur die eigene Stereoanlage dagegen setzen müssen. Zum Glück gibt es aber auch eine 1997 von Repertoire Records veröffentlichte Neuauflage auf CD, die zugleich noch eine satte Handvoll Bonustracks enthält, welche kurzerhand einigen Singles entnommen wurden.
Durchhörtipp: Das komplette Album.
- Redakteur:
- Eike Schmitz