BLACKBRIAR - The Cause Of Shipwreck
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2021
Mehr über Blackbriar
- Genre:
- Symphonic / Gothic Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Eigen / Blackbriar Music
- Release:
- 23.04.2021
- Confess
- Weakness And Lust
- Through The Crevice
- The Séance
- You're Haunting Me
- Walking Over My Grave
- My Down-to-Earth Lover
- Selkie
- Deadly Diminuendo
- Lilith Be Gone
Wird sie immer für uns singen? Ein Plädoyer für die Kunst.
Es ist einer dieser Abende am Rechner, irgendwann in 2018, an denen ich mich auf YouTube durch meine Lieblingslieder höre, in ganz spontaner Reihenfolge, so wie sie mir in den Sinn kommen. Dann greift auf einmal der - zu Recht oft gescholtene - YouTube-Algorithmus ins Geschehen ein. Denn er schlägt mir 'Until Eternity' von BLACKBRIAR vor. YouTube weiß natürlich genau, was ich alles so mag; aber dass die Datenkrake so treffsicher ist, hätte ich dann doch nicht geglaubt. Der Song elektrisiert mich von der ersten Sekunde an. Was bitte ist das für eine grandiose Stimme, denke ich mir, was ist das für eine himmlische Musik?
Ich höre mich in der Folge durch die damals sehr kleine Songliste von BLACKBRIAR, die jedoch eine große und vor allem dauerhafte Euphorie auslöst. Schnell sind sie beiden EPs "We'd Rather Burn" und "Fractured Fairytales" bestellt und ein Newsletter eingerichtet, dass ich ja keine Neuigkeiten verpasse.
Doch wer steckt hier eigentlich dahinter? Nun, BLACKBRIAR entspringt der faszinierenden niederländischen Musik-Szene, die schon so einige meiner großen Favoriten heraus gebracht hat. Zentrale Figur ist hier Sängerin und Rotschopf Zora, um deren Erscheinung sich das gesamte Konzept von BLACKBRIAR zu drehen scheint. Erwähnenswert ist hier vor allem, dass BLACKBRIAR von Anfang an alles in Eigenregie aufgebaut hat. Das umfasst also nicht nur die Musik, sondern alles drum herum, vom Artwork über Videoproduktionen bis hin zu Marketing und Promotion.
Teil dieses Konzepts ist es auch, die Band langsam und stetig aufzubauen, was erklärt, dass es seit 2014 "nur" drei EPs und eine Single-CD gibt. Doch natürlich ist auch in modernen Zeiten ein Vollängen-Album irgendwann Pflicht, ein wichtiger Meilenstein, auf den die Band seit Jahren akribisch hinarbeitet. Und seit der Ankündigung von "A Cause Of Shipwreck" steigert sich meine Vorfreude wie schon seit langer Zeit nicht mehr. Doch Vorfreude ist gefährlich, denn sie kann leider auch enttäuscht werden, das kennen wir alle; und deshalb war ich doch ein wenig nervös, als die digitalen Files dann endlich im Soundcheck-Ordner lagen.
Doch schnell entpuppen sich alle Sorgen als unbegründet. Es ist vielmehr so, dass ich mir nichtmal in meinen Träumen hätte ausmalen können, was für eine Wirkung "The Cause Of Shipwreck" auf mich haben würde. Was passiert denn hier?
Und dies zu beschreiben, muss ich erst einmal die Fakten sortieren. Rein musikalisch hören wir eine Mischung aus Symphonic-, Gothic- und Alternative Metal, der jedoch schon nach Sekunden allein wegen Zoras Stimme als völlig einzigartig erkannt werden sollte. Persönlich würde ich nur einen Vergleich zulassen, und das ist der zu Marcela Bovios STREAM OF PASSION, deren Abschiedsalbum "A War Of Our Own" eine besondere Perle meiner Sammlung darstellt. Noch mehr als Marcelas ist Zoras Stimme jedoch die eines Engels. Sie ist klar, hoch, scheinend und schillernd, zugleich zärtlich und majestätisch, ebenso zerbrechlich wie kraftvoll. Wie das alles auf einmal sein kann, kann und muss ich nicht erklären, man muss es selber hören.
Es liegt in der Natur solcher Stimmen, dass sie von vielen wohl auch als Störung empfunden werden, mich und die Armee der Folgsamen ('Until Eternity' hat 16 Millionen Views bei YouTube) allerdings elektrisiert sie dermaßen, dass Widerstand eh zwecklos ist. Die Melodien schrauben sich in den Himmel, zeichnen nie gesehene Feuerwerke ins Firmament, wecken die Sehnsucht des Hörers, nicht nur Teil einer ganz anderen Welt zu werden, sondern auch mitzuhelfen sie zu erbauen, zu gestalten, zu vollenden. Und dieses Gefühl ist unabhängig davon, welcher der zehn Songs gerade läuft, denn es ist ungelogen so, dass ich jeden Moment, jede Sekunde dieser Musik in vollen Zügen genießen kann.
Ich bin ein Hörer, beim dem sich beim Musik hören viel in Kopf abspielt und der die Klänge gerne völlig losgelöst von Texten und anderen äußeren Einflüssen interpretiert. Mit etwas mehr Fokus wird aber klar, dass BLACKBRIAR - eingebettet in ein märchenerzählendes, poetisches Gewand - teilweise ganz schön düstere und traurige Themen bearbeitet. Hier nur zwei Beispiele: Bei 'Deadly Diminuendo' liegt der Körper einer toten Frau in einer kargen alpinen Landschaft und die Krähen haben ihr die Augen schon ausgefressen. Was ist hier passiert? Ist ihre Seele noch am Leben? Hat sie eine Botschaft für uns?
'Selkie' ist ein Märchen von einem Mann, der alleine auf einer Insel lebt und sich unsterblich in eine Frau verliebt, die in ein Seehundsfell gekleidet ist. Ihr Lebenselixir ist das Wasser. Sie versucht jedoch, die Liebe des Mannes zu erwidern und kommt zu ihm ans Land. Doch weil er sie es ganz für sich haben möchte, entwendet er ihr das Seehundsfell, ohne das sie nicht mehr zurück ins Wasser kann. Als sie das Gewand wiederfindet, verlässt sie ihn und das Drama endet damit, dass er sich von der Klippe stürzt, um für immer bei ihr zu sein. Welch Tücken die Liebe doch haben kann. Ein animierter Trickfilm untermalt diese kleine Parabel wunderschön, und in Kombination mit der Musik entwickelt BLACKBRIAR ein Kunstwerk, das mir unbeschreiblich unter die Haut geht.
Und so geht es mir mit jedem Song. Zoras hingebungsvolle Gesangsleistung ist für mich in dieser Form unerhört und bestenfalls nur noch mir Courtney Swain (BENT KNEE; auf "Shiny Eyed Babies") oder ROSE KEMP (auf "Unholy Majesty") zu vergleichen, auch wenn das natürlich völlig andere musikalische Baustellen sind. Bei BLACKBRIAR ist ausnahmslos Wohlfühlen angesagt. Deshalb ist es nun auch müßig, alle Songs auf "The Cause Of Shipwreck" zu beleuchten. Nur einen Song möchte ich noch hervorheben, vielleicht der "primus inter pares", nicht nur wegen der Musik, sondern vor allem wegen ein paar Worten, die viel in mir in Bewegung gebracht haben. In 'My Down-To-Earth Lover' geht es nämlich um das Verhältnis von Künstlern zu uns, den Kunstkonsumenten, den Hörern, den Fans. Zoras Botschaft ist, dass sie immer für uns da sein wird. Selbst wenn sie für uns "down-to-earth"-Volk unerreichbar zu sein scheint, ist es doch ihr allergrößtes Anliegen, uns aufzurichten, wenn wir am Boden liegen, Trost und Freude zu spenden, uns zu inspirieren oder uns einfach nur ein gutes Gefühl zu vermitteln.
Ihr Lieben, ich finde solche Worte extrem bedeutsam! Denn sie zeigen, was wir alle an der Kunst haben, warum wir sie brauchen, warum sie ein essentieller Bestandteil unserer Gesellschaft ist. Wir leben gerade in einer Zeit, in der uns eine große Kunstkrise droht. Jeder weiß, dass Musiker gerade einen schweren Stand haben, dass ihnen langsam aber sicher die Lebensgrundlage wegfällt. Doch sie sind es, die sich zur Aufgabe machen, unsere Seelen zu beleben. Und wir sollten ihnen dafür dankbar sein. Mit ihrem Versprechen "I will always sing for you" löst Zora in mir ein Verlangen aus, etwas zurückzugeben, nicht nur ihr und BLACKBRIAR, sondern der gesamten Kunst und Kultur. Gerade Musik ist ein Gut, das extrem unterbewertet ist, weil sie für viele einfach nur da ist, als selbstverständlich wahrgenommen wird. Doch lasst mich sagen, dass dies nicht ewig so bleiben muss. Von daher mein Appell: zeigt den Künstlern eure Wertschätzung. Bezahlt für ihre Arbeit, anstatt sie von Spotify und Konsorten umsonst zu hören. Vor allem, wenn sie euch gefällt und berührt. Versucht, eure Lieblinge zu unterstützen. Im Idealfall mit Geld, aber es reicht auch schon ein kleines Dankeschön in den sozialen Medien. Ihr wisst gar nicht, wie sehr das gerade kleinere Musiker in ihrem Tun bestätigen und bestärken kann. Denn sie singen für euch und sind glücklich, wenn sie dies weiter tun können. Was kann es denn Wertvolleres geben?
'Selkie':
'Deadly Diminuendo'
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Thomas Becker