BROILERS - Puro Amor
Mehr über Broilers
- Genre:
- (Punk) Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Skull & Palms
- Release:
- 23.04.2021
- Nicht alles endet irgndwann
- Nach Hause kommen / Zurück zu mir
- Gibt das Schiff nicht auf!
- Porca Miseria
- Alter Geist
- Trink mich doch schön
- Schwer verliebter Hooligan
- Diktatur der Lerchen
- Da bricht das Herz
- Dachbodenepisoden
- Alles wird wieder OK!
- Niemand wird zurückgelassen
- Alice und Sarah
- An allen anderen Tagen nicht
Puro Consenso Musicale
Eins muss man den BROILERS ja lassen: Wie keine zweite Band im deutschsprachigen Rock-Sektor bekommt man das was man erwartet und trotzdem immer wieder was komplett Frisches auf die Ohren. Das ist schon Referenzklasse in Sachen kontinuierlicher Weiterentwicklung und Experimentierfreude im eigenen musikalischen Kosmos. Und selbstverständlich macht der mittlerweile achte Langdreher "Puro Amor" da überhaupt keine Ausnahme. Es gibt Schritte nach rechts und links, wenn es sein muss auch mal zwei zurück, nur um dann mit echter Passion die bisherigen Grenzen zu überspringen. Klar, Punkrock oder gar Oi ist hier nur rudimentär vorhanden, trotzdem bleibt die Verbindung zur ursprünglichen Basis deutlich besser bestehen, als bei ähnlichen Multisellern aus Düsseldorf oder Berlin.
Trotzdem besteht anscheinend das Bedürfnis, sich für die Vielzahl an musikalischer Impulse zu rechtfertigen. So beginnt 'Nicht alles endet irgendwann' nicht nur wie ein Überbleibsel vom Über-Album "Santa Muerte", sondern ist mal wieder ein von SKA-Elementen nach vorne gepeitschtes Bekenntnis an all die alten Fans. Ich höre schon förmlich das Aufatmen der Hardliner "na, es geht doch", nur um im nachfolgenden 'Nach Hause kommen / Zurück zu mir' wieder mit edelsten Pop-Rock konfrontiert zu werden. Während der Altpunk entsetzt mit dem Kopf schüttelt, tanzt der Hausmann mit dem Staubsauger durch das Reihenhaus. So ein schöner melancholischen Rocksong mit typischen Breitwand-Refrain gehört einfach in die Charts. Das bereits als Single bekannte 'Gib das Schiff nicht auf' punktet auch wieder mit einem handverlesenen Refrain, wobei ich jetzt nicht eine weitere maritime Metapher benötigt hätte. Das wird mittlerweile doch schon etwas überstrapaziert. Interessant ist aber, dass er vom ganzen Soundgewand deutlich roher daherkommt als der glattgebügelte Vorgänger.
"Porca Miseria" entführt uns dann in einen Hybrid aus Rock, Schlager und Folk. Diese verschiedenen Einflüsse werden auch unterstützt von italienischen, spanischen, französischen und englischsprachigen Textbausteinen. Ich hoffe nicht, dass dieser Song mal ein Grablied für den europäischen Gedanken wird, aber Sammys Frustration und Enttäuschung über die aktuellen Entwicklung ist greifbar.
"Noir" war 2014 sicherlich die härteste Prüfung für die Erwartungshaltung von so manchen Fan der ersten Stunde. 'Alter Geist' nimmt uns jetzt textlich und musikalisch direkt wieder zurück mit zu diesem Wendepunkt in der Karriere. Das ist absolut perfekt produzierter EBM/NDW und dürfte in der entsprechenden Szene für volle Tanzfläche sorgen, für den Traditions bewussten Deutschrocker aber eher Fragezeichen hervorrufen. Aber da geht doch sicherlich noch mehr Verwirrung, oder? Vielleicht ein paar Reggae-Vibes? Kein Problem. Kommt mit 'Trink mich doch schön'. Ich fühl mich direkt in die hinterste Ecke im "Goldenen Handschuh" versetzt und starre gedankenlos in meinen Cola-Korn. Alternativ würde auch eine verranzte Ruhrpott-Pinte auf der Suche nach der 'Lola' für den Abend passen. Das ist pure Großstadt-Romantik.
'Schwer verliebter Hooligan' ist dann eine klasse Ska-Verbeugung und dürfte vielleicht wieder ein paar Fans vom Opener zufrieden stimmen. Passend zur Thematik gibt es auch schön eingearbeitete Stadionchöre und Kriegstrommel. 'Diktatur der Lerchen' ist dann wieder ein ziemlich gradliniger Polit-Rocker, von dem es zugegebener Weise deutschlandweit zu wenige gibt. Vielleicht nicht der stärkste Song des Albums, aber so ungemein wichtig in seiner Botschaft! Als nächstes folgt wieder ein Pop-Song der Extraklasse: 'Da bricht das Herz' verbindet die fast schon omnipräsenten Bläser mit schöner Rhythmik.
Was auffällt, ist, dass "Puro Amor" die balladesken Anteile deutlich zurückgefahren hat und wieder wesentlich mehr Arsch tritt. Aber natürlich bietet 'Dachbodenepisoden' trotzdem die obligatorische Ballade. Richtig schöner Text, aber musikalisch doch deutlich reduziert. Umso stärker klingt der Neue-Deutsche-Welle-2.0-Ausflug 'Alles wird wieder OK!'. Das muss man nicht mögen, schon gar nicht wenn man sonst eher im Grindcore verwurzelt ist, aber besser geht diese Art von Musik kaum. Leider folgt mit 'Niemand wird zurückgelassen' ein etwas schwächerer Standard-Rocker, bei welchem auch wieder der Fokus eher auf die Message als auf die Umsetzung gelegt wird. Schade, dass geht besser.
Kurz vor Schluss kommt nun für mich das absolute Album-Highlight in Form 'Alice und Sarah'. Vom Ein- und Ausstieg mit Klezmer-Musik über den unwiderstehlichen Groove zu diesem Refrain mit Goldkante ist hier alles auf den Punkt gespielt. Es gibt melancholische Synth-Klänge und geschmackvolle Hintergrund-Bläser, sowie eine hervorragende Laut-Leise Dynamik. Vom brillanten Text will ich garnicht sprechen (na, wer erkennt die beiden Damen? ,). Leider kann der Rausschmeißer 'An allen anderen Tagen nicht' das Niveau der vorherigen Songs nicht beibehalten und plätschert etwas unbefriedigend aus.
Bis auf leichte Dellen ist den BROILERS wieder ein tolles Werk gelungen, welches aber definitiv Bands wie WIR SIND HELDEN näher steht als den bekannten Punk- oder Deutschrock- Größen. Nein - die BROILERS sind mittlerweile die optimale deutsche Konsens-Band, da sie für tatsächlich alle Hörerschichten zumindest 2-3 passende Songs in Petto haben, und das in Summe auf einem deutlich höheren Niveau als Ihre Marktbegleiter. Das ist 2021 deutlich mehr High Fidelity als "LoFi".
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal