CASH, JOHNNY - The Man Comes Around
Mehr über Cash, Johnny
- Genre:
- Country / Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Mercury/Universal
- Release:
- 04.11.2002
- The Man Comes Around
- Hurt
- Give My Love To Rose
- Bridge Over Troubled Water
- Hung My Head
- First Time Ever I Saw Your Face
- Personal Jesus
- In My Life
- Danny Boy
- Desperado
- I'm So Lonesome I Could Cry
- Tear Stained Letter
- Streets Of Laredo
- We'll Meet Again
Der Meister der tiefgefrorenen Countrygitarre. Furchen nicht nur im Gesicht.
Dies ist das vierte Album aus der so genannten "American Recordings"-Reihe von Johnny Cash. Die Country-Legende muss ich wohl niemandem mehr vorstellen. Spätestens seit dem Filmbiographie "Walk The Line" kennt jeder die großartige Musik dieses einmaligen Künstlers, der auf seinen letzten Alben weitab der ausgelatschten Pfade der traditionellen Country-Musik, tief ergreifende Kompositionen veröffentlicht und nebenher ein paar der emotionalsten Coverversionen überhaupt eingespielt hat. Obendrein hat er auf "The Man Comes Around" eine mehr als illustre Liste an hochkarätigen Gästen im Schlepptau, die aber allesamt nicht verhindern können, dass die fünfzehn Titel des Albums allesamt genau und immer nur nach einem Interpreten klingen: nach Johnny Cash.
Und dabei hat dieser hier nur drei Kompositionen selbst verfasst. Aber das spielt überhaupt keine Rolle, denn was er zum Beispiel aus der DEPECHE MODE-Nummer 'Personal Jesus' heraus holt, ist schlicht und ergreifend fantastisch. Okay, mit John Frusciante hat er in diesem Fall nicht gerade den schlechtesten Gitarristen mit an Bord, aber der Song hat in dieser Version einfach so viel Tiefe, dass man ehrfürchtig in die Knie geht. Wobei das natürlich absoluter Blödsinn ist, da man vorher bereits von 'Hurt' ins emotionale Nirwana geschleudert wurde. Ich wollte es zuerst gar nicht glauben, dass Mister Bargeld eine Nummer von NINE INCH NAILS – die ich übrigens absolut nicht mag – authentisch interpretieren würde, aber bereits beim allerersten Anhören dieser Version hatte ich Tränen in den Augen, eine Kloß im Hals und saß fassungslos vor meiner Anlage. Die Welt war zerbrochen. Und wenn man sich dann auch das Video dazu anschaut, ist eh alles zu spät. Man hat das Gefühlt Trent Reznor hat den Song für Johnny Cash geschrieben, denn emotionaler kann Musik nicht klingen.
Okay, reicht noch nicht? 'Bridge Over Troubled Water' klingt hier auch ergreifender als bei den beiden Strickpullundern und 'Hung My Head' von STING gewinnt ebenfalls eindeutig an Klasse. Einzig 'Desperado' mag mir nicht wirklich unter die Haut gehen. So sehr ich die EAGLES auch mag, aber weder dieser Song noch diese Version sprechen mich wirklich an. Ganz anders das klug gewählte 'In My Life', von dem Eingeweihte natürlich wissen werden, wer es im Original eingespielt hat. Tolle Fassung. Und so passend.
Aber auch die eigenen Titel reihen sich gekonnt in den ergreifenden Reigen. Während der eröffnende Titelsong getragene Lagerfeuerromantik mit Schwermut aus den Boxen tropfen lässt, wird das Herz bei der Ode an seine Frau – 'Give My Love To Rose' – weich. Und auch 'Tear Stained Letter', der Name lässt es erahnen, ist nicht gerade erheiternd.
Wer hier ein belangloses Countrygeplänkel erwartet, darf sich warm anziehen, denn selbst die neu arrangierten Traditionals haben nichts, aber auch gar nichts von Square-Dance-Leichtigkeit an sich. Hier kehrt ein alter Mann sein Innerstes nach außen und unterlegt seine Geschichten mit grandioser Musik. Wie ein musikalisches Tagebuch, welches verstaubt und vergilbt irgendwann urplötzlich in irgendeinem Nachlass auftaucht, ist dieses Juwel zu betrachten. Und wenn man es aufschlägt, dann muss man darauf gefasst sein, Geschichten zu bekommen, die einem nicht behagen oder die einen erschüttern.
"The Man Comes Around" ist – wie auch die anderen Spätwerke von Johnny Cash – kein Album für mal eben so Zwischendurch. Man muss es sich vornehmen, da es dich erfasst, umschließt und für seine gesamte Spielzeit fesselt. Faszinierend, atemberaubend und einfach unbeschreiblich toll.
Seelenstrip galore.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae